Mehrere Bundestagsabgeordnete haben die Trusted Shops Abmahnstudie 2017 zum Anlass genommen, die Bundesregierung nach deren Plänen gegen Abmahnmissbrauch zu befragen. Nun wurde die Antwort der Regierung veröffentlicht. Lesen Sie hier, was gegen Missbrauch geplant ist.

Die Abgeordneten Thomas L. Kemmerich, Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Alexander Kulitz und ein weiterer Abgeordneter sowie die Fraktion der FDP haben die Bundesregierung in einer kleinen Anfrage (Drucksache 19/3169) zum Thema Abmahnmissbrauch befragt.

Trusted Shops Abmahnstudie

In der Vorbemerkung der Fragesteller und im gesamten Dokument wird mehrfach auf die Trusted Shops Abmahnstudie 2017 Bezug genommen:

Eine Umfrage der Trusted Shops GmbH in Köln aus dem Jahr 2017 ergab, dass 28 Prozent aller teilnehmenden Onlineshops mindestens eine Abmahnung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erhalten haben (Quelle: Trusted Shops GmbH (Hrsg.), Abmahnungen im Online-Handel 2017: Abmahnvereine werden zum Problem, Köln 2017). Eine Vielzahl der Betroffenen erhielt mehrere Abmahnungen pro Jahr. Im Schnitt beliefen sich die Kosten für die Händler auf 1 300 Euro.

Auch Süddeutsche Zeitung, SPIEGEL und andere Medien berichteten jüngst über eine zunehmende Praxis, Kleinunternehmer wegen formaler Verstöße systematisch abzumahnen, wobei nicht lautere Interessen im Vordergrund stehen.

Vertragsstrafen sind existenzielles Problem

Die Fragesteller betonen weiterhin die besondere Brisanz der sog. Vertragsstrafenfalle, in die Kleinunternehmer regelmäßig tappen:

Erhält ein Händler eine Abmahnung aufgrund eines Verstoßes, ist damit in der Regel eine Aufforderung zur Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung verbunden. Mit dieser verpflichtet sich der Abgemahnte, den Verstoß nicht zu wiederholen, und es wird eine Vertragsstrafe festgesetzt für den Fall, dass dies doch geschieht. Die Höhe der Vertragsstrafen durch Wiederholungen kann sich nach der Trusted-Shops-Umfrage auf mehr als 9.000 Euro summieren.

Es ist geradezu absurd, dass der Rat von Anwälten immer häufiger lautet, Wettbewerbsstreitigkeiten nicht außergerichtlich durch eine Unterlassungserklärung beizulegen, weil Vertragsstrafen vorprogrammiert und das eigentliche Business-Modell von Abmahnvereinen sind. Statt dessen wird zu einer einstweilige Verfügung und Abschlusserklärung geraten, ein Weg, den die Abmahnung aus Kostengründen eigentlich verhindern wollte.

Abmahnangst verhindert Innovation

Mehr als die Hälfte der befragten Onlinehändler fühle sich laut der Trusted-Shops-Umfrage aufgrund der Abmahnungen in ihrer Existenz bedroht. Immer mehr Handel verlagere sich in den virtuellen Raum. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen im Hinblick auf Informationspflichten und Dokumentationen, die an die Händler gestellt werden.

Aufgrund der Angst vor Abmahnungen verzichteten Selbstständige und kleine Unternehmen zum Teil darauf, ihre Produkte online anzubieten, was sich im offenen Wettbewerb als enormer Nachteil erweisen könne, so die Anfrage weiter.

Nicht hinnehmbarer Missstand

Die Bundesregierung sieht das angesprochene Problem. Zwar sei die Abmahnung grundsätzlich ein gutes Instrument, und es sei auch erwünscht, das Gesetze eingehalten werden. Jedoch…

…mehren sich die Anzeichen, dass … eine erhebliche Zahl von Abmahnungen missbräuchlich ausgesprochen wird. Da Abmahnungen ohne die Einbeziehung staatlicher Stellen zwischen Privaten erfolgen, liegen der Bundesregierung zur Anzahl der Abmahnungen bzw. missbräuchlichen Abmahnungen keine offiziellen Daten vor. Die Bundesregierung erhält jedoch zahlreiche Eingaben betroffener Bürger, auf Grund deren Schilderungen sich Handlungsbedarf ergibt. Zudem berichten auch die Verbände und Industrie- und Handelskammern von zahlreichen Fällen.

Besonders freut uns, dass wir mit unserer Abmahnstudie offenbar Wirkung erzielt haben:

Der Bundesregierung ist auch die in der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP erwähnte Studie von Trusted Shops seit geraumer Zeit ebenso bekannt wie das Forderungspapier, das der Deutsche Industrie- und Handelskammertag zusammen mit anderen Verbänden im Juni 2017 veröffentlicht hat.

Unabhängig von der konkreten Zahl missbräuchlich ausgesprochener Abmahnungen liege ein nicht hinnehmbarer Missstand vor, wenn Abmahnungen wegen geringfügigen Verstößen gegenüber Kleinstunternehmen zur Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen ausgesprochen werden.

Anti-Abmahngesetz wird kommen

Die Regierung weist noch einmal auf die im Koaltionsvertrag enthaltene Absicht hin, gegen Missbrauch aktiv zu werden:

Bereits der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht daher in den Randnummern 5819 bis 5821 folgendes vor: „Wir wollen den Missbrauch des bewährten Abmahnrechts verhindern, z. B. durch die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes, und so kleine und mittlere Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher schützen.“

Die Bundesregierung werde so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorlegen, der geeignete und wirkungsvolle Maßnahmen zur Eindämmung des Abmahnmissbrauchs vorsehen wird.

DSGVO-Abmahnungen “aufmerksam” beobachtet

Ist die Antwort der Regierung in den meisten Punkten wenig konkret zum Inhalt des geplanten Gesetzes, wird ein Aspekt etwas ausführlicher vertieft, nämlich Abmahnungen aufgrund Verstößen gegen die neue DSGVO:

Die Bundesregierung beobachtet aufmerksam, dass Unternehmen bereits unmittelbar mit Beginn der Anwendbarkeit der DSGVO am 25. Mai 2018 Abmahnungen von Rechtsanwaltskanzleien erhalten haben, die mit Verstößen gegen die DSGVO begründet und in denen nicht unerhebliche Abmahnkosten geltend gemacht wurden.

Die Bundesregierung nimmt die von Seiten der Unternehmen und Aufsichtsbehörden geäußerten Befürchtungen ernst, dass die Zahl von Abmahnungen aufgrund von datenschutzrechtlichen Verstößen mit Anwendbarkeit der DSGVO zunehmen könnte.

Im Koalitionsvertrag sei vereinbart, dass ein „Missbrauch des bewährten Abmahnrechts verhindert“ werden soll (S. 124). Gegenwärtig prüfe die Bundesregierung Maßnahmen in diesem Bereich und beobachtee insoweit die Entwicklung.

Vielfach keine Erkenntnisse

Zu den meisten Fragen der FDP-Fraktion antwortet die Bundesregierung nur kurz:

Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor

Immerhin hat die Regierung unsere Studie gelesen. Auch die aktualisierte Auflage aus 2018 wird in Kürze interessante Erkenntnisse bringen.

Fazit

So viel Bewegung wie aktuell war lange nicht mehr in der Gesetzgebung gegen Abmahnmissbrauch. Zwar gab es vereinzelten Maßnahmengesetze in der Vergangenheit, die jedoch eher auf urheberrechtliche Abmahnungen von Privatpersonen abzielten. Ob es im Herbst einen großen Wurf gegen unseriöse Abmahnvereine gibt, bleibt abzuwarten. Zumindest sind die Beschwerden zahlreicher Händler, Verbände und sonstiger Akteure diesmal nicht ungehört geblieben.

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