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Polen: Untersuchungskosten für unberechtigte Reklamationen sind in AGB unzulässig

Online-Händler dürfen Verbrauchern keine Untersuchungskosten für die Fehlersuche bei reklamierter Ware in den AGB auferlegen. Auch nicht bei unberechtigten Reklamationen – so hat das polnische Gericht für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz (SOKiK) in einem Urteil vom 24.03.2016, Sign. XVII AmC 132/16 entschieden.

Das Gericht ist somit der bisherigen polnischen Rechtsprechungslinie bezüglich der Kostentragung bei unberechtigten Reklamationen gefolgt. Nach Auffassung der Gerichte und des UOKiK (Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz) gehören solche unberechtigten Reklamationen und alle mit ihnen verbundenen Kosten grundsätzlich zu dem Geschäftsrisiko des Händlers.

Wieso darf der Verkäufer in AGB keine Untersuchungskosten verlangen?

Nach der polnischen Rechtsprechung haben solche AGB-Klauseln, die darüber informieren, dass im Fall einer unberechtigten Reklamation die Kosten für die Untersuchung der reklamierten Ware von dem Verbraucher zu tragen sind, für diesen eine abschreckende Wirkung.

Nach Auffassung der Gerichte und des UOKiK könnten diese Klauseln dazu führen, dass viele Verbraucher – wegen der drohenden Kosten – von ihren gesetzlichen Mängelhaftungsrechten keinen Gebrauch machen würden. Diese Klauseln würden also mittelbar die elementaren und gesetzlich gewährleisteten Rechte der Verbraucher negativ beeinflussen.

Als weiteres Argument wird genannt, dass der Verkäufer als professionellere und strukturell stärkere Vertragspartei über die jeweiligen Fachkenntnisse verfügt, die von einem durchschnittlichen Verbraucher nicht zu erwarten sind.

Dementsprechend sollte grundsätzlich der Verkäufer das Geschäftsrisiko und in der Konsequenz auch die Kosten einer unberechtigten Reklamation tragen. AGB-Klauseln, die etwas Gegenteiliges festlegen, sind als unzulässig zu behandeln und können gegenüber Verbrauchern nicht gelten.

Kann der Händler bei einem durch Verbraucher verschuldeten Mangel Schadenersatz verlangen?

Ein kleiner Trost kann für Händler die Möglichkeit des Schadenersatzes sein, wenn der Verbraucher eine Mangelbeseitigung verlangt, obwohl er schon bei der Geltendmachung seines Anspruches wusste oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass er den Mangel durch falsche Ingebrauchnahme des Produktes selbst verursacht hat.

In der Praxis ist dies natürlich schwierig, wenn auch nicht unmöglich zu beweisen. Folgende Fallkonstellation ist beispielsweise denkbar: Einen Monat nach dem Kauf hat der Verbraucher sein neues, nicht als wasserdichtes bezeichnetes Smartphone ins Wasser fallen lassen. Da es sich nicht mehr einschalten lässt, versucht der Verbraucher anschließend, bei dem Verkäufer seine Gewährleistungsrechte durchzusetzen und fordert den Umtausch wegen eines vermeintlichen Sachmangels.

Stellt sich bei der Untersuchung heraus, dass es sich um keinen Mangel der Ware, sondern um einen offensichtlichen Fehlgebrauch des Verbrauchers (Wasserspuren im Innenteil des Smartphones) handelt, kann der Verkäufer von ihm Ersatz der Untersuchungskosten verlangen. Ein solches Verhalten des Verbrauchers könnte sogar als Betrugsversuch im Sinne strafrechtlicher Vorschriften qualifiziert werden.

Fazit

Online-Händler müssen sämtliche Kosten einer Reklamation tragen. Das gilt grundsätzlich auch bei unberechtigten Reklamationen. AGB-Klauseln, die die Untersuchungskosten für reklamierte Waren auf den Verbraucher abwälzen, sind unzulässig.

Schadensersatzansprüche wegen Untersuchungskosten sind zwar nach den allgemeinen Vorschriften des Zivilgesetzbuches möglich, jedoch muss der Händler beweisen können, dass es sich in dem konkreten Fall nicht um einen Produktfehler handelt, sondern der Schaden durch unsachgemäße Benutzung seitens des Verbrauchers entstanden ist. Außerdem müsste der Verbraucher von seinem Verschulden schon im Zeitpunkt der Meldung der Reklamation wissen oder dies fahrlässig nicht erkannt haben – auch dafür trägt der Händler die Beweislast.

Der Maßstab hinsichtlich des “fahrlässigen Nicht-Erkennens” des Verbrauchers ist dabei jedoch eher gering anzulegen, da berücksichtigt wird, dass dem Verbraucher nur eine oberflächliche Prüfung der Ware zumutbar ist. Zu einer genaueren und professionellen Prüfung sind die Verbraucher nie verpflichtet, da Fachwissen über das gekaufte Produkt von ihnen nicht zu erwarten ist. Dieses erwartet man hingegen von dem Händler, der sich alltäglich mit den Produkten professionell beschäftigt und diese entsprechend genau überprüfen kann.

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