Der Markt des E-Commerce in der Europäischen Union entwickelt sich dynamisch, es gibt jedoch noch  Barrieren für den internationalen Online-Handel. Diese sind sowohl rechtlicher als auch wirtschaftlicher Art. Ein Beispiel ist Geoblocking. Diesem und anderen Themen wurde die Debatte über Online-Handel in Warschau gewidmet.  

Im Oktober fand die Debatte „E-Commerce im europäischem Format – die Situation von Verbrauchern und Unternehmern” in Warschau statt. Das Europäische Verbraucherzentrum Polen (ECK Polska) hat zusammen mit dem UOKiK (Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz), Trusted Shops und der Kammer der Elektronischen Wirtschaft (Izba Gospodarki Elektronicznej) sowie anderen Partnern darüber diskutiert, wie sich der Online-Handel in Polen und in der EU wandelt.

Grenzübergreifender E-Commerce

Die Entwicklung des E-Commerce hat die Tätigkeiten des Netzes der Europäischen Verbraucherzentren (ECC-Net) stark beeinflusst. Im Jahr 2005 betrafen 29% der Klagen über das Internet abgeschlossene Verträge, ein Jahrzehnt später bilden diese Klagen ganze 68% der Meldungen. Dank der harmonisierten Verbraucherschutzregelungen können einfache Angelegenheiten schon in der Beschwerdephase gelöst werden. Das ECK Polska befasst sich mit den komplizierteren, schwierigeren Angelegenheiten, meistens zurückzuführen auf:

  • Nichterfüllung von Informationspflichten, z.B. die Mitteilung der Lieferzeit
  • Fehler im Angebot des Online-Shops
  • Anwendung nicht aktueller Vorschriften, z.B. infolge des Prozesses der Rechtsharmonisierung
  • Sprachbarrieren – der Vertrag wurde auf Polnisch abgeschlossen, aber das Beschwerdeverfahren wird in einer Fremdsprache geführt.

„Es gibt sowohl materiell-rechtliche als auch formell-rechtliche Vorschriften im Bereich des Verbraucherrechts und es wäre schwer, sie noch besser auszufeilen, das eigentliche Problem steckt in der wirksamen Durchsetzung der Vorschriften auf nationaler und internationaler Ebene” – kommentiert Piotr Stańczak, der Direktor des ECK, den Stand der Dinge.

Angesichts dessen besteht eine der Aufgaben von ECK Polska im Informationsaustausch mit Aufsichtsbehörden in Fällen kollektiver Verstöße. Zu diesem Zweck entwickelt das ECK die Zusammenarbeit mit dem CPC-Net (Consumer Protection Cooperation Network) – dem Netzwerk, der für die Durchsetzung der Verbraucherrechte zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten.

Das ECK informiert das UOKiK regelmäßig über zweifelhafte oder riskante Praktiken ausländischer Unternehmer. Die Verstöße betreffen meistens u.a. die Tätigkeit von Online-Shops, Partnervermittlungsportalen und Online-Kartenvermittlern.

Geoblocking: Ein Beispielfall des ECK

Ein polnischer Verbraucher wollte ein Sonderangebot in einem dänischen Online-Shop, in dem er des Öfteren eingekauft hatte, bestellen. Im Rahmen des Bestellprozesses musste er jedoch feststellen, dass das Sonderangebot bei Auswahl des Lieferortes Polen plötzlich deaktiviert wurde. Die gut dokumentierte Beschwerde erreichte das ECK. Durch die Zusammenarbeit der polnischen und dänischen Verbraucherzentren innerhalb des ECC-Net wurde erwirkt, dass der Unternehmer die Ware zu den Bedingungen des Sonderangebots verkaufte.

„Was das Geoblocking angeht, sind sich die Verbraucher häufig nicht im Klaren darüber, dass ihre Rechte nicht respektiert werden, und selbst wenn sie etwas ahnen, dann sagen sie, dass sie daran doch nichts ändern können. Es gibt jedoch Ausnahmen” – kommentiert der Direktor des ECK.

Wenn Unternehmer Geoblocking oder andere Arten von Diskriminierung praktizieren, haben sie die Pflicht, ihr Vorgehen zu begründen – fügt der Direktor des ECK hinzu.

Geoblocking und die Unternehmer

Die Europäische Kommission hat unter 10.537 Online-Shops in 143 Ländern in 8 Sektoren eine Untersuchung zu ungerechtfertigtem Geoblocking durchgeführt. In 63%  Online-Shops wurden Geoblocking-Praktiken identifiziert und nur 1/3 der Shops ließen Kunden aus anderen EU-Ländern bei ihnen einkaufen. Die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt will ungerechtfertigtes Geoblocking verhindern. Gegenwärtig können die Verbraucher jedoch nicht immer Waren oder Dienstleistungen bei einem in einem anderen EU-Land registrierten Unternehmer kaufen.

Wie aus den in der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt angegebenen Daten hervorgeht, sind vor allem die urheberrechtlichen Vorschriften ein Problem:

  • 45 % der Unternehmen, die den Online-Verkauf digitaler Produkte an Privatpersonen erwägen, halten die Einschränkungen durch die Urheberrechte für ein Problem, das ihnen den Verkauf im Ausland unmöglich macht.
  • Weniger als 4% aller Videos-on-Demand in der EU sind im grenzüberschreitenden Handel erhältlich.

Die Schwierigkeiten entstehen mit der Territorialität des Urheberrechts – sie macht es den Verbrauchern unmöglich, auf digitale Inhalte, die durch ein Urheberecht eines anderen Landes geschützt sind, zuzugreifen oder sie zu kaufen.

„Dies ist einer der rechtlichen Gründe für das Geoblocking. Der andere Grund ist die Absteckung des für Verträge mit Verbrauchern anderer Länder geltenden Rechts. Es gibt auch wirtschaftliche Gründe, wie z.B. die Preisunterschiede zwischen den Kurierdiensten. Die Frage lautet also nicht: Warum lässt mich der Unternehmer nicht einkaufen? Sondern: Was hindert den Unternehmer daran, mir etwas zu verkaufen?” – kommentiert Witold Chomiczewski von der Kammer der Elektronischen Wirtschaft (Izba Gospodarki Elektronicznej).

Unzulässige Klauseln – das neue Verfahren

Am 17. April 2016 trat die Novellierung des Gesetzes vom 16. Februar 2007 in Kraft, die die Kompetenzen des Vorsitzenden des UOKiK beachtlich stärkte. Eine Änderung, die die Online-Verkäufer besonders interessierte, besteht in einem neuen Kontrollmodell für die Identifizierung unzulässiger Bestimmungen in Vertragsmustern, also die Erkennung von Eintragungen in den AGB als verbotene Klauseln.

Seit April entscheidet der Vorsitzende des UOKiK durch einen Verwaltungsbescheid – und nicht wie früher das Gericht für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz – über die Unzulässigkeit einer gegebenen Bestimmung und verbietet deren weitere Verwendung. Durch die Änderungen werden das Verfahren beschleunigt, verbotene Klauseln effektiv aus dem Umlauf gezogen und damit gleichzeitig deren negative Folgen für Verbraucher reduziert. Auch der Mechanismus für die Meldung eines Verdachts auf die Verwendung verbotener Bestimmungen wurde vereinfacht.

„Mit der Novellierung des Gesetzes wurde die Prozedur zur Einleitung eines Verfahrens durch das UOKiK erheblich vereinfacht. In den meisten Fällen (ausgenommen Streitigkeiten in individuellen Angelegenheiten) müssen die Verbraucher keine Klagen mehr einreichen. Für viele war dies eine ziemlich beschwerliche und abschreckende Aufgabe. Das neue Modell erfordert nur die Einreichung einer Mitteilung beim UOKiK, was zweifelsohne eine große Erleichterung ist“ – kommentiert Marcin Jędrzejak, Legal Expert Polen bei Trusted Shops.

Außerdem hat unsere Erfahrung gezeigt, dass die meisten unzulässigen Klauseln nicht absichtlich von den Online-Shops benutzt werden, sondern eher auf eine unzureichende Kenntnis der Rechtsvorschriften zurückzuführen ist. Ein Vorteil des neuen Systems ist, dass das Amt nun in Bezug auf diese Unternehmergruppe sogenannte milde Maßnahmen anwenden kann. Dazu gehören Aufforderungen zur Änderung des Inhalts ihrer Geschäftsbedingungen oder die Ausgabe eines verbindlichen Beschlusses.

Gleichzeitig bleibt – im Fall von Unternehmern, die bereits in der Vergangenheit gegen Verbraucherrechte verstoßen oder absichtliche verbotene Klauseln verwendet haben, um beachtliche finanzielle Vorteile zu erzielen – die Möglichkeit erhalten, hohe Geldstrafen aufzuerlegen. Diese können bis zu 10% des im Vorjahr erzielten Umsatzes betragen – fügt Marcin Jędrzejak hinzu.

Streckengeschäft

Ein Problem für Verbraucher, die online einkaufen, ist das „Streckengeschäft”, das darin besteht, dass der Versandprozess auf den Lieferanten übertragen wird. Die Webseite wird zu einem Vermittler in einer Transaktion zwischen dem Kunden und dem Produktlieferanten. Das bedeutet, dass der Verbraucher die Ware importiert. Darüber, ob es sich um ein Streckengeschäft handelt, sollten Unternehmer in den Geschäftsbedingungen oder im Angebot selbst informieren.

Ein Signal für den Verbraucher, dass er es mit einem Vermittler und nicht mit dem Verkäufer zu tun hat, sind Stichworte wie: „Der Käufer ist der Importeur”. Die EU-Vorschriften legen ausdrücklich fest, dass bestellte Ware dem Verbraucher innerhalb von 30 Tagen zu liefern ist. Jegliche Verlängerungen dieser Frist, wie z.B.: „Die Lieferfrist beträgt bis zu 70 Tagen”, sollten für den Verbraucher ein weiteres Zeichen sein, dass die Ware wahrscheinlich importiert wird. Das Problem des Streckengeschäftsmodells wurde bei der Debatte von Hubert Worobiej von der Abteilung für den Schutz von Verbraucherinteressen des UOKiK angesprochen:

„Dieses Modell war nicht als Form der Vermittlung zwischen einem Käufer und einem Verkäufer gedacht, sondern nur als eine Lösung für das Problem der Lagerung und der Warenlieferung (einschließlich des Einfrierens von Geldern in Form der gelagerten Ware. Der Verkäufer bezahlt dem Lieferanten für die Ware erst, wenn er die Zahlung vom Verbraucher erhält). Dies führt zu einem Verlust der Kontrolle über die Vertragsdurchführung seitens des Verkäufers. Insbesondere hat der Verkäufer keine Gewissheit mehr, dass das Produkt ordnungsgemäß und fristgerecht ausgeliefert wurde, keine Mängel aufweist und dem Kaufvertragsinhalt entspricht. Das Streckengeschäftsmodell sollte aber nicht dazu führen, dass der Verkäufer die Verantwortung für die korrekte Erfüllung eines Kaufvertrags von sich abweist.”

Zusammenarbeit für künftige Entwicklungen

Die Konferenz hat verschiedene Markteilnehmer zusammen gebracht, die ihre unterschiedlichen Standpunkte vertreten haben. Die offene und konstruktive Debatte wurde von allen Seiten geschätzt und ist sicherlich ein guter Weg weitere Entwicklungen im europäischen E-Commerce voran zu treiben. Trusted Shops bleibt hier auch in Zukunft aktiv.

Haben Sie Fragen zum internationalen Online-Handel? Setzen Sie sich mit uns in Verbindung, wir unterstützen Sie gerne im Cross-Border-Verkauf.

[hubspotform whitepaper=”true” title=”Gratis Whitepaper-Download ‘Der internationale Online-Shop'” image_path=”http://shopbetreiber-blog.de/wp-content/uploads/2016/10/shutterstock_105520049_300x200.jpg” image_text=”Unsere Experten Madeleine Pilous und Frieder Schelle haben die wichtigsten rechtlichen Fragen zum Cross-Border E-Commerce beantwortet: Welches Recht gilt bei Verkäufen ins Ausland? Das deutsche Recht oder das des Ziellandes? Wo unterscheidet sich das Recht in der EU? Was bedeutet das für AGB und Datenschutz?” copy_text=”” portal_id=”603347″ form_id=”a9f3c307-0128-47ac-88c4-e7c2febb4c8a” css=””]

Bildquelle: ruskpp/shutterstock.com

image_pdfPDFimage_printDrucken