Der große Boom der Online-Supermärkte ist bislang ausgeblieben. Trotz wachsender Marktanteile tun sich viele Anbieter schwer, ein tragbares und nachhaltiges Geschäftsmodell auf die Beine zu stellen. Ein Grund dafür liegt in den großen logistischen Herausforderungen.

Warum weigert sich die Mehrheit der deutschen Online-Shopper ihre Waren des täglichen Bedarfs online zu kaufen? Wir beleuchten in einer zweiteiligen Serie die größten Herausforderungen für den Supermarkt im Internet.

Die „ECC-Club-Studie zum Online-Lebensmittelhandel 2015“ hat unter anderem folgende Gründe für das sehr langsame Wachstum von Geschäftsmodellen auf Basis des Online-Supermarktes identifiziert:

  • die Verbraucher sind mit Lebensmittelgeschäften in der Nähe zufrieden (76 %)
  • die Verbraucher haben Spaß am stationären Lebensmittelkauf (46 %)
  • die Verbraucher habe Bedenken bezüglich Qualität und Frische online bestellter Lebensmittel (41 %)

Soweit der Blick durch die Verbraucherbrille. Doch welche Hürden behindern Unternehmen den Online-Supermarkt erfolgreich im Massenmarkt zu etablieren? Es sind im Wesentlichen zwei Faktoren: Die Logistik und das Angebot.

Der Online-Anteil am Umsatz mit Lebensmitteln, Wein und Delikatessen beträgt nach einer Hochrechnung der IFH Institut für Handelsforschung GmbH Köln gerade einmal 0,8 Prozent am gesamten Lebensmittel-Markt. Und auch auf Basis der vom bevh erhobenen Zahlen steht der Online-Handel mit Lebensmitteln nur unwesentlich stärker da.

Von 49,1 Milliarden Euro Umsatz im Distanzhandel wurden 2014 in Deutschland gerade mal 763 Millionen Euro Umsatz mit Lebensmitteln erzielt. Dies entspricht einem Anteil von etwa zwei Prozent am Gesamtumsatz des Distanzhandels.

Dabei wird mit Lebensmitteln im Distanzhandel schon seit vielen Jahrzehnten gehandelt. Eine Doppelseite mit Schokolade, Dosenwürsten, vakuumverpackten Räucherschinken und Weinen gab es in jedem Katalog der Ottos, Quelles und Neckermänner dieser Welt.

Und auch heute ist der Kauf von Spirituosen, Wein und Delikatessen über das Netz für viele Verbraucher ganz alltäglich. Der Markt ist offensichtlich so groß, dass Pure-Player (MyMüsli, Chocri, Gourmondo etc.) aber auch die alten Versender-Hasen wie Hawesko oder The Whisky Store bestehen und sogar wachsen können.

Das Logistik-Problem

Gemeinsam ist all diesen Unternehmen, dass sich ihre Produkte in der Regel problemlos über den Versandweg zustellen lassen. Der Großteil der angebotenen Ware ist nicht in eine Kühlkette eingebunden, so dass auch Lieferzeiten von zwei oder mehr Tagen dem Produkt nicht schaden.

Doch anders als bei einem Delikatessen-Shop ist das Angebot in Supermärkten in der Regel identisch, unabhängig vom Betreiber. Kein Supermarkt kann auf Milchprodukte verzichten, WC- und Hygieneartikel sind ebenfalls in jedem Supermarkt und Discounter vorhanden. Selbst Aldi hat bereits vor Jahren Tiefkühl- und Frischeprodukte (Wurst, Käse sowie Obst und Gemüse) eingeführt bzw. einführen müssen.

Hieraus ergeben sich für den Händler logistische Herausforderungen, die über den klassischen Versand nur mit sehr hohem Investitionsaufwand gemeistert werden können.

  • Kühlketten: Für unterschiedliche Warengruppen gelten verschiedene Temperaturbereiche, die vom Händler eingehalten werden müssen. Tiefgekühltes Fleisch und tiefgefrorener Fisch müssen dauerhaft und durchgängig auf minus 18 Grad Celsius gekühlt werden. Für Frischfleisch ist eine maximale Temperatur von 4 Grad, für Milch und Molkereiprodukte von 8 Grad zu gewährleisten. Nun müssen diese Kühlketten nicht nur während des Transportes sichergestellt sein, sondern eben auch dann, wenn das Paket beim Kunden nicht zugestellt werden kann.
  • Verpackungsmittel: Die Einhaltung der Kühlkette kann beim Versand nur durch den Einsatz von Thermokartonagen gewährleistet werden. Kein billiges Vergnügen. Der Verpackungsspezialist Rajapack GmbH rechnet für die einfachste Variante einer Thermoverpackung, in etwa mit dem drei bis fünffachen Preis eines einwelligen Kartons. Bei hochwertigen Varianten mit Kühlakkus und verstärktem Boden, müsse der Händler sogar von einer 80-prozentigen Preissteigerung im Vergleich zu einem dreiwelligen Faltkarton ausgehen. Selbst Isolierboxen aus Styropor seien etwa 70 Prozent teurer als einwellige Versandkartons und müssten beim Postversand zumeist noch extra verpackt werden.
  • Zustellung beim Kunden: Die Zustellung innerhalb eines gewählten Zeitfensters ist beim Online-Supermarkt ein Standardservice und in der Erwartungshaltung des Kunden fest verankert. Damit dieser Service reibungslos funktioniert, ist vom Zusteller größtmögliche Flexibilität gefordert. Durch Tiefkühl- und Frischeprodukte ergibt sich die Notwendigkeit, ggfs. mehrere Zustellversuche am selben Tag durchzuführen, wenn der Empfänger nicht anzutreffen ist.
  • Versandfähigkeit der Waren: Bei Versand über eine Paketdienstleister müssen alle angebotenen Produkte versandfähig sein. Wer schon einmal versucht hat, ein Gebinde Toilettenpapier oder eine 6er-PET-Packung Mineralwasser per DHL zu versenden, weiß um die Schwierigkeiten beim Packen und die dadurch entstehenden Kosten.
  • Inkompatible Logistikkonzepte: Dies betrifft vor allem die stationären Supermärkte, die Fuß im Online-Handel fassen wollen. Bei einem Supermarkt oder Discounter ist die Supply Chain auf Paletten optimiert. Die Ware wird gebündelt auf Paletten in der Filiale angeliefert und anschließend in den Verkaufsgebinden ins Regal geräumt. Beim Versand hingegen müssen die Produkte vereinzelt und zudem wegeoptimiert eingelagert werden, um die Pickzeiten kurz zu halten. Einen Parallelbetrieb dieser beiden Logistikkonzepte in einem Lager zu installieren, führt zu einem Kostendruck, dessen Kanalisierung eine enorme Herausforderung darstellt.

Unser zweiter Teil der Reihe „Herausforderungen für Supermärkte im Online-Handel“ wird das Angebots-Problem beleuchten. Hier beschäftigen wir uns vor allem mit den Themen Infrastruktur, Marktsättigung und alternative Zustellwege.

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