Leider eine schlechte Nachricht. Der Lebensmittel-Lieferdienst Shopwings sieht in Deutschland keine wirtschaftliche Perspektive mehr und plane sein Angebot in wenigen Tagen einzustellen. Aber es ist nicht das endgültige Aus. Weitergehen solle es in Südostasien und Australien.
Shopwings gibt sein Deutschland-Geschäft auf und sucht sein unternehmerisches Heil in der Expansion nach Übersee. Das berichtet das Businessportal Gründerszene.
Der Inkubator Rocket Internet, der in Shopwings investiert ist, bestätigte die Schließung des Deutschlands-Geschäfts zwar nicht, ließ aber zwischen den Zeilen keinen Irrtum aufkommen:
"Es wird bei Shopwings in Deutschland kein weiteres Wachstum mehr geben".
Gründerszene sieht vor allem zwei Gründe, die Shopwings ihr Geschäftsmodell in Deutschlands verleidet hätten. Zum einen die Gesetzeslage für Online-Händler von Lebensmitteln.
"Shopwings hatte beispielsweise mit der EU-Lebensmittelinformationsverordnung zu kämpfen, die Online-Lebensmittelverkäufer seit 2014 dazu verpflichtet, bestimmte Angaben zu den Inhaltsstoffen in ihrem Shop zu machen."
Zum anderen sei es in der Führungsebene zu Diskontinuitäten gekommen im Zuge dessen zwei der Gründer das Unternehmen verlassen haben.
Sicherlich haben diese Faktoren Einfluss auf die Geschäftsentwicklung bei Shopwings genommen. Aber in Deutschland haben wir ein Strukturproblem mit dem Online-Lebensmittelhandel. Und auch hier nur bei dem Supermarkt-Sortiment. Denn Lebensmittel wurden schon immer im Distanzhandel versendet. So gab es beispielsweise im Quelle-Katalog immer eine Doppelseite mit Lebensmitteln.
Zudem sind Online-Shops für Spezialitäten seit vielen Jahren erfolgreich im Netz unterwegs. Warum also tuen sich die Shopbetreiber mit dem Supermarkt-Sortiment so schwer?
In Deutschland muss man in Ballungszentren keine 500 Meter weit laufen, um einen Supermarkt zu erreichen. Ob die Zahl nun stimmt, sei einmal dahingestellt. Aber die Versorgungsdichte durch Supermärkte und Discounter ist in Deutschland im Vergleich bspw. zu Frankreich sehr hoch. Hinzu kommt, dass durch die Lockerung des Ladenschlussgesetztes nun auch diejenigen einkaufen können, die in der Vergangenheit aufgrund von Arbeitszeiten nur mit hohem organisatorischem Aufwand dazu in der Lage waren.
Somit ist es schwierig potenzielle Kunden davon zu überzeugen, ihre Lebensmittel und Verbrauchsgüter im Netz zu bestellen. Der Bedarf ist augenscheinlich noch nicht erkannt.
Sicherlich trifft diese Zustandsbeschreibung vor allem auf die Ballungszentren zu. Die Versorgungslage mit Gütern des täglichen Gebrauchs ist auf dem Lande in der Regel weniger bequem. Hier leiden vor allem Ältere und Menschen mit geringer Mobilität unter der Konzentration der Supermärkte auf der grünen Wiese, die ohne ein Auto nur schwer erreichbar sind.
Somit wären doch die ländlichen Regionen ein idealer Standort für Lebensmittel-Online-Händler. Das Problem hierbei ist aber, dass
Schlussendlich ist das die Preisgestaltung ein sensibler Punkt, vor allem aus Kundensicht. Wer gegen die Discounter und Handelsmarken antreten möchte, der muss gute Gründe dafür finden, warum der Verbraucher auch noch Versandpauschalen zahlen muss. Denn gerade beim Thema Versandkosten reagieren viele Kunden sehr sensibel.
Verbraucher nehmen in der Regel nur den Preis wahr, den sie inklusive aller Zusatzkosten bezahlen müssen. Dieser liegt natürlich höher als der Preis, den sie bei identischen Artikeln und gleichen Preisen im Supermarkt bezahlen. Dass sie bei der Online-Bestellung natürlich auch dafür zahlen nicht an der Kasse warten zu müssen, die Einkaufstaschen nicht nach Hause tragen zu müssen usw. wird ausgeblendet. Es bleibt das Urteil: Der Online-Supermarkt ist teurer. Und weil durch die Discounter und Handelsmarken die Waren mit aller Macht auf die unterste Preisgrenze gedrückt werden, haben Shopbetreiber kaum eine Chance hier über einen niedrigeren Produktpreis zu punkten.
Eine weitere Herausforderung ist die Logistik. Der klassische Online-Handel setzt auf die Paket-Zustellung. Eine für Lebensmittel und Verbrauchsgüter nur bedingt geeignete Option. So ist der Verpackungsaufwand für Frische- und Tiefkühlprodukte im Paketversand kostenintensiv. Es müssen Kühlketten nachweislich eingehalten werden, die Zustellung muss in einem vorab vereinbarten Zeitfenster erfolgen usw.
Auch die Abgabe beim Nachbarn ist bei frischen Lebensmitteln problematisch. Nämlich dann, wenn der Nachbar anschließend für Stunden oder Tage nicht mehr zu Hause ist und der Kunde seine Ware dort nicht abholen kann.
Hinzu kommt, dass viele Supermarkt-Produkte über großformatige Umverpackungen verfügen, um dem Kunden im Regal über die Menge oder das Gewicht des tatsächlichen Inhalts zu täuschen. Da der Online-Händler diese Umverpackungen nicht entfernen darf, kommt er um großformatige Versandkartonagen nicht herum. Wer nur einmal an die Abmessungen eines handelsüblichen Klopapiergebindes denkt, der kann abschätzen wie groß die Versandkartonage dimensioniert sein muss.
Daher ist ein lokaler Lieferservice wohlmöglich die passendere Auslieferstrategie. Damit war Shopwings bereits auf dem richtigen Weg. Für die großen Supermarkt-Ketten ergibt sich durch den Online-Handel eine weitere logistische Herausforderung. Ihr Logistikkonzept ist auf die Belieferung von vielen Filialen optimiert. Die benötigten Waren werden in Großgebinden auf Paletten bei den Filialen angeliefert. Von dort werden die Waren in die Regale geräumt.
Eine Versandlogistik hingegen basiert auf einer notwendigen Vereinzelung der Waren. Nachdem die Paletten im Lager angekommen sind, müssen Paletten vereinzelt werden, so dass eben nur ein Paderborner Kastenbrot gepickt werden kann. Somit wäre der Supermarkt gezwungen zwei Lagerkonzepte parallel zu betreiben.
Unter anderem aus diesem Grund geht Rewe gehen bereits andere Wege. Statt aus dem Lager heraus zu kommissionieren, erfolgt der Pick in einem Supermarkt vor Ort oder speziell dafür eingerichteten Flächen und wird anschließend über den Lieferdienst zugestellt.
Schade, dass Shopwings in Deutschland vorläufig gescheitert ist. Allerdings werden es wohl die großen Supermarkt-Ketten sein, die das Geschäft im Netz unter sich ausmachen. Aber auch sie werden es schwer haben. Denn irgendwie kommt die Mentalität der Deutschen nur schwer mit dem Konzept eines Online-Supermarktes in Einklang. Zwar wähnen sich viele in der Servicewüste, aber die meisten Deutschen haben ja bereits Probleme damit, wenn ihnen an der Supermarktkasse jemand die Einkaufstüte packt (vielleicht erinnern Sie sich, dass einige Supermärkte diesen Service vor etwa 10 Jahen erfolglos getestet haben.