Um die Eingabe seiner Kundendaten in jedem Online-Shop kommt kein Verbraucher herum. Eine neue Webtechnologie auf der Basis Künstlicher Intelligenz (KI) erfordert nur noch eine einmalige Registrierung. Anschließend reicht ein Klick und der Kauf ist geamcht. Eine Entwicklung mit Potenzial oder nur ein nettes Gimmick?

One-Klick-Shopping ist noch nicht weit verbreitet. Doch Dank des Onlinedienstes Shop.co hat diese Technologie einen riesigen Schritt nach vorne gemacht.

Doch wie funktioniert Shop.co? Shop.co basiert auf Künstlicher Intelligenz. Über eine Browser-App kann der Verbraucher in fast jedem Online-Shop einkaufen, ohne sich zuvor in diesem Shop registrieren zu müssen. Der Kunde wählt ein Produkt und klickt dann auf das Shop.co-Warenkorbsymbol, das die App in der Browser-Leiste installiert hat.

In einem Overlay öffnet sich anschließend die Bestellbestätigung von Shop.co. Innerhalb von 30 Minuten besteht noch die Möglichkeit, die Stückzahl zu verändern oder die Bestellung wieder zu stornieren. Nach Ablauf dieser Frist ist der Kauf automatisch beendet: Der Artikel ist bestellt und bezahlt.

 

shop.co

Wie profitieren Online-Händler von Shop.co?

Shop.co ist ein starkes Stück Technik. Doch dahinter steckt noch mehr, als nur ein paar Zeilen ausgefuchsten Programmier-Codes. Der Onlinedienst greift mit seiner App eine maßgebliche digitale Entwicklungslinie im E-Commerce auf: Der Online-Shop-übergreifende Warenkorb. Die Strategie dahinter wird als Single-Sign-On bezeichnet.

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Was macht Shop.co für Online-Händler nun so interessant? Zum einen, dass der Onlinedienst keine Konkurrenz für den Händler darstellt. Denn Shop.co ist weder Marktplatz noch Händler, sondern stellt eine technische Vermittlungsleistung zwischen Verbraucher und Shopbetreiber her.

Schwächen bei der Nutzerführung und Usability im Check-out eines Shops werden somit als Konversionskiller umgangen, was zu einem Rückgang der Bestellabbrecherquote führen kann. Allerdings verfügt der Service noch über einige gravierende Kinderkrankheiten, wie Walter Oberli von Carpathia herausgefunden hat.

Somit findet der eigentliche Bestellvorgang nicht mehr im Shop statt, sondern wird an einen Dritten ausgelagert. Dies führt natürlich zu einer weiteren Fragmentierung bestehender Prozesse im E-Commerce und somit zu einer zunehmenden Abhängigkeit der Shopbetreiber von Technologieanbietern.

Anbieter von Shopsoftware zeigen sich von dem neuen Service beeindruckt, machen aber auch offene Flanken aus. So merkt etwa Wiljo Krechting von der shopware AG an:

“Die Lösung von Shop.co finden wir sehr spannend, da sie viele Vorteile, insbesondere für kleinere und mittelständische Onlinehändler, bietet. Allerdings steht die Lösung auch vor Herausforderungen, denn es gibt einige ungeklärte Fragestellungen, dazu gehören etwa die AGB, das Widerrufsrecht und andere rechtliche Fallen, die normalerweise erst im Warenkorb greifen.”

Single-Sign-on: Next big thing im E-Commerce

Zum anderen zeigt das Start-up wohin die Reise im E-Commerce gehen wird. Die Customer Journey künftiger Generationen sucht sich neue Wege:

  • Statt einen Online-Shop von der Startseite bis zum Kaufen-Button Schritt für Schritt zu durchlaufen, steigen die Shopper direkt auf den Produktseiten ein.
  • Der Einstieg erfolgt schon heute vielfach über Google, Youtube Instagram, Facebook aber auch ibeacons oder das Internet der Dinge – Tendenz steigend.
  • So kauft der Verbraucher eine Bluse bei aboutyou.de, die Jeans bei GAP und Sneakers bei Zalando. Und alle Produkte werden in einem einzigen Warenkorb gespeichert und die Bestellung, wie jetzt schon bei shop.co, mit einem Klick bestellt und bezahlt.

Innerhalb der eigenen Unternehmensgruppe stellt der US-amerikanische Mode-Händler GAP für seine vier Online-Shops nur einen Warenkorb zur Verfügung. Kunden zahlen nur einmal Versandkosten, auch wenn sie in mehreren Shops des Unternehmens bestellen. Zur Gap-Familie gehören neben dem GAP-Shop die Marken Banana Republic, Old Navy und Athleta.

gap single-sign-on

Der Kunde registriert sich einmal bei GAP und kann dann unabhängig von seinem Device in jedem der Online-Shops einkaufen. Dies hat den Vorteil, dass der Nutzer seine Adress- und Zahlungsdaten nur bei der ersten Anmeldung einmal hinterlegen muss. Unabhängig in welchem Shop sich der Nutzer gerade befindet, er kann über eine neutral gestaltete Navigationsleiste sofort in die anderen Shops wechseln.

“Händler müssen aufhören, nur Händler zu sein, wenn sie langfristig überleben wollen!”

joachim_graf_ibusinessIm Zuge der fortschreitenden Fragmentierung im E-Commerce haben wir den Trendforscher und iBusiness-Herausgeber Jochaim Graf gefragt, auf welche Entwicklungen Shopbetreiber in Zukunft werden reagieren müssen.

shopbetreiber-blog: Wie verbreitet ist eigentlich die Fragmentierung bzw. Granularisierung im E-Commerce. Was passiert da?

Joachim Graf: Die Granularisierung von Prozessen ist ein Megatrend. Früher ununterbrochene Wertschöpfungketten zerfallen und werden von Dienstleistern übernommen, die Microteile der Wertschöpfungskette günstiger anbieten können.

shopbetreiber-blog: Wie profitieren Online-Händler von dieser Entwicklung?

Graf: Auch kleine und kleinste Unternehmen werden global wettbewerbsfähig (Micro-Multinationals), wenn sie sich auf einen Teil eines Wertschöpfungsprozesses beschränken.

shopbetreiber-blog: Und die negativen Seiten?

Graf: Negativ ist die Granularisierung für diejenigen, die sich nicht ausreichend differenzieren können. Dazu zählen vor allem Mittler Händler.

shopbetreiber-blog: Wenn immer mehr Prozesse in die Hände von Dienstleistern wandern, welche Rolle bleibt dann noch dem Shopbetreiber?

Graf: Händler fertigen keine Komponenten, assemblieren nicht, shippen nicht, lagern nicht, liefern nicht aus – sie fügen nur Prozesse zusammen. Weil dies allerdings das Netz übernehmen kann, werden sie überflüssig – oder ihre Marge schrumpft noch mehr, weil sich die Dienstleister ja die lukrativen Teile der Wertschöpfungskette rauspicken.

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