On my way nennt Amazon seine neueste Zustellstrategie. Die Rechtsexperten von Trusted Shops raten von der Nachahmung dieser Idee jedoch ab. Aber es könnte auch eine gezielte PR-Aktion dahinterstecken, die ein ganz anderes Ziel verfolgt.

Amazon-Kunden lassen sich von Amazon als Paketauslieferer einspannen und werden dafür entlohnt. Die Gelegenheitsboten würden die Pakete in einem vorher benannten Ladengeschäft zur Auslieferung abholen. Wann und ob der intern bei Amazon als On my way betitelte Dienst an den Start gehen soll, sei jedoch unklar. So berichtet das Wall Street Journal.

Die Zielsetzung ist klar: Amazon macht sich somit ein Stück weit unabhängiger von externen Zustell-Dienstleistern. Zumindest passt es in die Aktivitäten der vergangenen Monate. Zu nennen wären die Entwicklung von Zustelldrohnen oder der Aufbau einer eigenen Auslieferflotte. Alles unter dem Diktum noch schneller dem Kunden sein Paket zustellen zu können.

On my way kann Millionen Euro kosten

In Deutschland sind vielleicht Amazon, Otto und Ebay die einzigen Unternehmen, die einen solchen Service finanziell stemmen könnten. Zumindest über einen gewissen Zeitraum. Denn der Service kann leicht Kosten in Millionenhöhe verursachen. Daher sollten sich Online-Händler diese Idee nicht zu Eigen machen, rät Rechtsexperte Dr. Carsten Föhlisch von Trusted Shops.

Denn in Deutschland trägt der Händler, und nur der Händler, das Haftungsrisiko beim Paketversand an private Endkunden. Das bedeutet: Wenn die privaten Zusteller die Pakete behalten oder beschädigen, so muss der Shopbetreiber den Kaufpreis rückerstatten oder noch einmal liefern. Diese Kosten kann er natürlich anschließend vom Gelegenheitsboten zurückfordern, wenn dort etwas zu holen ist. In den wenigsten Fällen wird dies aber ohne Gerichtsprozess durchzusetzen sein und die kosten den Händler noch einmal bares Geld.

“Ich spreche gar nicht von gewerbsmäßigem Betrug, dem diese Idee Tür und Tor öffnet, sondern nur von üblichen Transportverlusten und -schäden, die nun einmal unvermeidlich sein werden. Daraus können für den Shopbetreiber Kosten entstehen, die das Unternehmen bedrohen können,” erklärt Dr. Föhlisch „denn anders als professionelle Dienstleister sind Privatpersonen dagegen nicht versichert.“ Neben der Übernahme des Transportrisikos durch den Händler, muss zudem sichergestellt sein, dass der Zeitpunkt der Übergabe an den Empfänger beweiskräftig festgehalten wird. „Denn erst wenn der Kunde sein Paket in Empfang genommen hat, beginnen die Widerrufs- und Gewährleistungsfristen zu laufen”, so Dr. Föhlisch weiter.

Warum jetzt dieses Thema?

Wer die E-Commerce-Medien aufmerksam verfolgt, dem wird nicht entgangenen sein, dass Amazon seinen Marketplace-Händler offensichtlich eine Vertriebsbeschränkung von Markenartikeln untergeschoben hat. Heimlich still und leise. Dumm nur, dass betroffene Online-Händler damit an die Fachpresse gingen.

Ausweislich einer E-Mail, die an die Internet World Business gesendet wurde,  führten die neuen Beschränkungen dazu, dass Marketplace-Händler nur noch mit entsprechenden Markenprodukten handeln dürften, wenn der Hersteller ihnen dafür die Erlaubnis gebe.

Die Händler seien “von Amazon kurzfristig darüber informiert [worden], dass sie Markenprodukte nicht mehr verkaufen dürfen, solange sie keine Erlaubnis von den Markenherstellern haben.” Auf mehrmalige Nachfrage des shopbetreiber-blogs wollte Amazon zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen und ignorierte die E-Mails.

Warum jetzt also diese Meldung um das On-my-way-Projekt? Unter dem Strich ist das Thema zum jetzigen Stand der Entwicklung nur eine kleine Marginalie für die Fachpresse. Dennoch läuft die Meldung auch in deutschen Medien rauf und runter. Möglicherweise wurden Informationen zu dem Projekt gezielt gestreut, um gegen Negativ-Presse im Zuge der Vertriebsbeschränkung von Markenartikeln vorzugehen.

Denn wenn viele Medien über On my way berichten, besteht die Chance, dass die Negativ-Schlagzeilen auf den Ergebnisseiten der Suchmaschinen auf hintere Plätze gedrückt werden und somit nicht mehr so einfach aufzufinden sind. Diese Methode jedenfalls zählt zu den Standardwerkzeugen einer jeden PR-Abteilung.

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