Manchmal betreten Kunden einen Shop, schauen sich um und verlassen das Geschäft anschließend wieder. Natürlich geschieht dies auch online. Teilweise legen Besucher Waren in den Warenkorb, beginnen mit dem Bestellprozess, aber brechen diesen dann aus den verschiedensten Gründen wieder ab. Darf man solchen Kunden sog. Bestellabbrecher-Mails schicken und an den abgebrochenen Vorgang erinnern?
Nein, sagt nun auch die Wettbewerbszentrale.
Im Jahr 2013 habe ich zusammen mit meinem Kollegen Lars Klatte, der unter anderem Datenschutzbeauftragter der Trusted Shops GmbH ist, einen Beitrag zur (Un-)Zulässigkeit von Bestellabbrecher-Mails geschrieben.
Darin haben wir die Rechtslage aus zwei Blickwinkeln en Detail dargestellt und sind zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen: Der Versand von Bestellabbrecher-Mails ist sowohl aus datenschutzrechtlicher als auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht unzulässig, sofern der Besucher nicht seine vorherige ausdrückliche Einwilligung in die Speicherung und Nutzung seiner Daten erklärt hat.
Zu diesem Beitrag entbrannte eine Diskussion, so fragte ein User zum Beispiel:
"Fraglich ist hier aus Datenschutz-Sicht doch vor allem, "wie lange" und "wofür" werden die Daten gespeichert und verwendet.
Die Autoren konzentrieren sich oben sehr auf die schwarzen Schafe, was ich auch gut finde. Niemand will einen Newsletter, nur weil er über eine Bestellung nachgedacht hat.
Aber eine Mail, in der ein Shop sagt...
"Dies sind Deine Daten. Soll ich löschen? Willst Du sie noch nutzen? Handelt es sich um Missbrauch? (Lieber Kunde, wenn Du nichts machst, dann lösche ich!)"
...würde mich nicht stören."
Dabei verkannte dieser User aber, dass der Händler die Daten gar nicht mehr haben darf, wenn der Besucher einen Bestellvorgang abbricht. Es fehlt schlicht an der gesetzlichen Berechtigung, die schon eingegebenen Daten des Kunden zu besitzen.
Ein anderer User meinte:
"§ 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG hält jedes Argument für die Zulässigkeit wenigstens einer ersten Bestellabbrecher-Mail bereit. Die Aufsichtsbehörde und das Gericht möchte ich sehen, die das beanstanden."
Dazu ist es nun aber gekommen (wenn auch noch kein Gericht im Spiel ist).
Die Wettbewerbszentrale berichtet auf ihrer Website von Weinhändlern, die Bestellabbrecher-Mails versendet haben und deswegen zur Unterlassung aufgefordert wurden. (Hier geht es zum vollständigen Artikel: Warenkorb-Erinnerungen – wettbewerbsrechtlich unzulässig und datenschutzrechtlich mehr als bedenklich)
Sowohl in wettbewerbs- als auch in datenschutzrechtlicher Sicht kommt die Wettbewerbszentrale in ihrem Beitrag zum gleichen Ergebnis wie wir: Der Versand von Bestellabbrecher-Mails ohne Vorliegen der ausdrücklichen Einwilligung des Empfängers ist unzulässig.
Am Schluss des Artikels heißt es, dass bisher alle Unternehmer, gegen die aufgrund solcher Bestellabbrecher-Mails vorgegangen worden ist, eine Unterlassungserklärung abgegeben haben. Grund dafür dürfte sein, dass es aussichtslos ist, gegen eine solche Abmahnung vorzugehen, da die Rechtslage in dieser Frage klar ist.
Der Versand von solchen Bestellabbrecher-Mails wäre zulässig, wenn der Unternehmer hierfür die ausdrückliche Einwilligung des Besuchers, der seine Daten im Bestellprozess eingibt, einholt.
Praktisch könnte das im Shop zunächst so umgesetzt werden, dass unter (oder neben) dem Textfeld, in das der Verbraucher seine Mail-Adresse eingibt, die Einwilligung eingeholt wird. Hier gilt, wie bei allen anderen Einwilligungen auch: Diese Einwilligung kann nur mittels Opt-in eingeholt werden, vorangekreuzte Checkboxen bringen nichts.
Der Händler müsste im Streitfall vor Gericht aber auch beweisen, dass der Besucher bei der Eingabe seiner Daten diese ausdrückliche Einwilligung erteilt hat. Das geht nach ständiger Rechtsprechung nur mittels Double-Opt-In Verfahren.
Das würde also bedeuten: Der Shop-Besucher gibt seine Daten ein, klickt auf die Checkbox mit der Einwilligung zum Erhalt einer Bestellabbrecher-Mail. In diesem Moment erhält er die Confirmation-Mail. Irgendwann bricht er (aus welchen Gründen auch immer) den Bestellvorgang ab. Nur, wenn dieser Besucher dann auch noch in seinem Postfach den Link in der Confirmation-Mail bestätigt, darf er anschließend auch eine Bestellabbrecher-Mail erhalten. Andernfalls kann der Unternehmer das Vorliegen der Einwilligung nicht vor Gericht beweisen.
In der Theorie ist es also durchaus möglich, die Einwilligung für Bestellabbrecher-Mails einzuholen. Dass ein Besucher, der gerade den Bestellvorgang abgebrochen hat, aber tatsächlich auf den Link in der Confirmation-Mail klickt, dürfte nicht zu häufig vorkommen. Das ist zumindest meine Vermutung.
Einfacher wird das Einholen der Einwilligung bei Besuchern, die ein Kundenkonto eröffnen und im Rahmen dieser Kundenkontoeröffnung ihre Einwilligung abgeben. Diesen kann man anschließend (bis zum Widerruf der Einwilligung) bei jeder abgebrochenen Bestellung Erinnerungs-Mails schicken.
Ob Bestellabbrecher-Mails verschickt werden dürfen, wenn sich der Besucher zum Newsletter angemeldet hat, ist bisher noch ungeklärt. Hier kommt es aber auf die genaue Formulierung der Einwilligung an. Ist in dieser z.B. nur von einem "Newsletter" die Rede, dürften davon Bestellabbrecher-Mails nicht erfasst sein, weil diese gerade kein Newsletter darstellen.
Online-Händler, die Bestellabbrecher-Mails versenden wollen, müssen entweder die ausdrückliche Einwilligung des Empfängers beweissicher einholen oder mit dem Risiko kalkulieren, dass einmal "der falsche Empfänger" eine solche Mail erhält und dieser dann Unterlassungsansprüche geltend macht. Das ist eine wirtschaftliche Entscheidung, die jeder Händler für sich treffen muss, die Rechtslage ist hier allerdings klar. (mr)
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