Umfangreiche rechtliche Pflichten, komplexe Vorgaben für SEO, neue Wettbewerber uvm. Der Online-Handel ist ein hoch-komplexes Gebilde und kann den Shopbetreiber zum Teil vor große Herausforderungen stellt. Shopexperte Johannes Altmann zeigt, wie Sie der Komplexitätsfalle entkommen.
Lieber Shopbetreiber,
E-Commerce ist komplex und besteht aus unzähligen von Baustellen und Themen. Allein die Gesetzeslage nach Fernabsatzgesetz macht Juristen zu den Top Speakern auf E-Commerce Veranstaltungen. Auch die Komplexität von Google bringt einige Shopbetreiber in die Not, dass man auf Agenturen vertraut, die nur einen Tick mehr wissen als der Shopbetreiber selbst. Hinzu kommen unsinnige Herstellervereinbarungen, täglich neue Wettbewerber, die den Preis oder gleich die ganze Nische nach unten ziehen.
Der Komplexitätsirrsinn endet mit der Technologie, denn E-Commerce ist vor allem auch Technik. Shopsoftware, Warenwirtschaft, PIM-Systeme, Payment-Dienste, Services und diverse Schnittstellen, die sich gegenseitig verstehen sollen.
Komplexität kostet Zeit und die Fehlerquote steigt. Komplexität kostet auch die Zeit, die Shopbetreiber bräuchten, um den Shop konzeptionell und strategisch weiterzubringen. Viele Shops sind zwar technisch hochwertig aufgestellt, versinken aber trotzdem in der Belanglosigkeit von tausenden ähnlich strukturierten Online-Shops.
Die Reduzierung von Komplexität könnte ein Ziel sein, das ganz außerhalb der typischen E-Commerce-Themen läuft. Dabei haben kleine Shops deutliche Vorteile gegenüber großen Shops und können schnell einen Vorsprung erreichen.
Klein ist schnell und flexibel
Dass Sie ein kleines Unternehmen betreiben und Ihre Umsätze nicht Millionen betragen ist nicht so schlimm. Dass Sie kein Venture Capital bekommen haben ist ebenfalls nicht schlimm. Schwierig wird es erst, wenn Ihr kleines Unternehmen ebenso komplex wird wie ein großes Unternehmen. Wenn Sie durch Dienstleister, Verträge und technische Strukturen unflexibel und träge werden – dann haben Sie wirklich ein Problem. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass Größe und Bekanntheit nicht mehr das Rezept ist, sondern Flexibilität zählt. Diese bringt letztendlich Handlungsfähigkeit und Geschwindigkeit mit.
Das Ende der eierlegenden Wollmilchsau
Trotz ständiger, technischer Weiterentwicklungen ist inzwischen auch klar, dass es das perfekte Universalsystem offenbar nicht gibt. An manchen Stellen hat jedes System seine Schwachstellen und nicht jeder Prozess kann perfekt automatisiert werden. Nach einem Gespräch mit einem ehemaligen Amazon Mitarbeiter war ich dann doch überrascht, dass Amazon sehr lange ziemlich manuell unterwegs war. Dass Preise exportiert wurden, in Excel kalkuliert und anschließend wieder in die Onlinesysteme importiert wurden. Dass Rankings in Access verglichen wurden und die Planung relativ offline stattfand. Ein gutes Beispiel, dass nicht alles online und automatisch sein muss.
Standard statt Individualität
In aktuellen Projekten sehe ich, dass viel zu viel Geld in die Individualisierung und Entwicklung der Shops gesteckt wird. Häufig wäre das aber überhaupt nicht notwendig, denn die meisten Standard Shopsysteme bringen alles an Features mit, die man braucht. In Grafik und Design wird dann aber häufig wieder gespart, dabei kann ein Standard Shop mit einem guten Designer extrem ansprechend aussehen. Bestes Beispiel ist dmaxshop.de
Setzen Sie auf Standard-Plugins aber verwenden Sie nur Plugins, die Sie auch wirklich benötigen. Je weniger im Shop verbaut ist, desto weniger kann veralten. Achten Sie in Zusammenarbeit mit Ihrer Agentur immer darauf, dass der Shop updatefähig bleibt, damit Sie schnell und günstig das nächste Level erreichen.
Der Longtail-Wahnsinn
Longtail wurde schnell zum super Erfolgsrezept für den Onlinehandel. Je mehr Produkte desto besser. Longtail bringt aber eine unglaubliche Komplexität mit. Zu viele Produkte und Schnittstellen zu Lieferanten, zu viele unterschiedliche Produkte und zu viele unterschiedliche Informationsformate machen Ihr Sortiment kaum noch handhabbar. Das Sortiment sollte manuell und mit Wissen eines Fachhändlers aufgebaut werden: Was braucht mein Kunde wirklich, was passt in unseren Shop?
Die E-Commerce Welt dreht sich schnell und ständig gibt es Neuigkeiten. Wenn Sie alles mitnehmen, verzetteln Sie sich in vielen kleinen Themen und Ihr Shop wird komplex. Komplexität ist Killer der Effizienz und damit das größte Problem für E-Commerce Player.
Viel Erfolg
Johannes Altmann
Über den Autor
Johannes Altmann ist Gründer und Geschäftsführer der Shoplupe GmbH. Er berät mit seinem Team Online-Shops wie Herrenausstatter.de. Dallmayr, Jako-o oder Strenesse. Johannes Altmann ist Dozent an der Akademie des Deutschen Buchhandels und Initiator der Branchenauszeichnung “Shop Usability Award“. Laut exciting commerce ist Johannes Altmann Deutschlands bester Shopberater.
Guten gesprochen, Herr Altmann! Kann mich den Empfehlungen nur anschließen. Bei unseren Kunden, die wir mit Magento betreuen, entwickeln sich diejenigen am besten, die sich sehr gezielt um Marktpositionierung, gute Produkte und guten Service kümmern und bei denen die Shoptechnik – so wichtig sie sein mag – Mittel zum Zweck ist.
Beste Grüße
Was sollen den die vielen Arbeitsgruppen, Projektgruppen machen? Sie könnten doch keine Sitzungen mehr abhalten, an denen jeder etwas sagen darf. Was soll man mit all den tollen Fachbegriffen die man sich mühsam angeeignet hat anfangen?
Erfolg kann doch nicht so einfach sein. Also ich höre es öfters, dass es nicht so ist.
Freue mich auf den Workshop an der OXID Commons.
Viel zu pauschal… gerade die Individualisierung bringt wesentliche Wettbewerbsvorteile. Standardshops sind schon lange nicht mehr überlebensfähig. Auch Automatisierung ist kein Problem. All diese kleinen Tücken kann man mit Technik so schnell umsetzen und damit unzählige Arbeitsstunden einsparen.
Die Eierlegende Wollmilchsau existiert. Nur eben nicht mit Magento und Co.
Optimierte Shoptechnik ist das A und O. Standardshops mit Magento und Co sterben weg wie die Fliegen weil die Händler ihre Abläufe und ihren Alltag einem Shopsystem unterwerfen das alles andere als optimal arbeitet.
Produkte, Service und Technik sind die drei Säulen auf die es ankommt und jede ist genauso wichtig wie die andere.
Auch als Nischen-Anbieter muss man mittlerweile komplexes System erhalten und diese laufend anpassen um Konkurrenzfähig zu bleiben.
Ich sehe es daher als Kernaufgabe des Shop /Geschäftsinhabers in allen Bereichen des Onlinehandels am aktuellen Stand zu sein. Wer Shopbetreiber ist muss Onlinehandel leben und lieben und kann sich nicht leisten alle Kompetenzen auszulagern.
Ich arbeite mittlerweile nur noch mit einem Team aus freien Entwicklern und Designer die nach Bedarf Projektbezogen eingesetzt werden. Das ist nicht immer einfach, aber wir schaffen es so mit minimalem Kapitalaufwand für externe Dienstleistungen Standards in unserer Nische zu setzen, stetig Marktanteile zu gewinnen und profitabel zu operieren.
Als Anbieter eines Shop-Systems kann ich nur sehr zustimmen. Fast täglich spreche ich mit Kunden, die sich in der Startphase bereits mit Anpassungen beschäftigen, die (wenn überhaupt) vielleicht in 1-2 Jahren relevant für sie sein werden. Nach wie vor ist der Ansatz “schnell und einfach starten und aus der Praxis lernen” (speziell für uns Deutsche?) mit dem Verdacht der Unseriösität behaftet. Beim Autobau bringt uns diese “Gründlichkeit” offensichtlich richtig weit nach vorne. Beim Web-Business jedoch maximal ins Mittelfeld …