Die Zeit der Massenabmahnungen scheint zwar vorbei zu sein, aber dennoch spielt das Thema Rechtsmissbrauch im Wettbewerbsrecht noch immer eine Rolle. Für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens spreche unter anderem, dass der Abmahner seinen geltend gemachten Anspruch nicht gerichtlich weiter verfolgt, entschied das LG Bochum.
Lesen Sie mehr in einem Gastbeitrag von Dr. Walter Felling.
In einem Verfahren vor dem LG Bochum (Urteil v. 12.1.2012, I-14 O 189/11) ging es eigentlich um die Frage einer irreführenden Angabe von Lieferzeiten.
Verfügbarkeit vs. Lieferzeit
Abgemahnt wurde der Umstand, dass bei einem gewerblichen Angebot eines Autohauses unterschiedliche Termine für Verfügbarkeit und Lieferzeit genannt wurden. So hatte das von mir vertretene Autohaus beim Internetangebot zur Verfügbarkeit aufgeführt: „sofort“, während bei der Lieferzeit hieß: „Für die Anfrage des genauen Liefertermins kontaktieren Sie uns bitte“.
Dies sah der Abmahnende als eine unlautere Handlung gem. §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG an, weil der Verbraucher durch die unterschiedlichen Angaben getäuscht werde.
Die Abmahnung wurde zurückgewiesen. Nachdem der Abmahner trotz Aufforderung nicht erklärte, die in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche nicht weiter zu verfolgen, wurde negative Feststellungsklage beim LG Bochum erhoben.
In dem Verfahren sollte also gerichtlich festgestellt werden, dass dem Abmahner die in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen.
Kein Unterlassungsanspruch
Das Gericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass für die Kunden des Autohauses die Unterschiedlichkeit der Begriffe “Verfügbarkeit” und “Lieferzeit” ohne Weiteres verständlich seien.
Während die Verfügbarkeit besage, dass das Fahrzeug vorrätig sei, könne die Lieferzeit auch auf Wunsch des Kunden bestimmt werden, z. B. weil das Fahrzeug noch zugelassen werden oder Sonderwünsche des Kunden (Zubehör) berücksichtigt werden müsse.
Damit sind unterschiedliche Angaben zur Verfügbarkeit und Lieferzeit durchaus zulässig und ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch bestand nicht.
Möglicher Rechtsmissbrauch
Darüber hinaus äußerte aber das Gericht auch Zweifel an der Aktivlegitimation des Abmahners, da einige Umstände für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs sprachen.
In der vorbereiteten Unterwerfungserklärung sei der Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs gefordert worden, was sich als sehr belastend (für den Abgemahnten) herausstelle.
Weiter wurde eine Vertragsstrafe von 5.001 Euro gewählt, die im Verhältnis zum gerügten Verstoß als ausgesprochen hoch anzusehen sei.
Keine gerichtliche Verfolgung
Schließlich führt das Gericht aber weiter aus, dass der Rechtsmissbrauch auch daraus abgeleitet werden könne, dass der Abmahnende seinen Anspruch nicht weiter verfolgt habe, noch nicht einmal, nachdem die (negative Feststellungs-)Klage anhängig gemacht wurde.
Dies spreche nach Auffassung der Kammer erheblich dafür, dass es der Beklagten nicht um die Wahrung des ordnungsgemäßen Wettbewerbs ging, sondern dass sachfremde Ziele vorrangig waren. Denn nur durch Einlegen einer eigenen Leistungsklage hätte der Abmahner das Eintreten der Verjährung des Anspruches verhindern können.
Fazit
Zwar ließ das Gericht letztlich offen, ob in diesem Verhalten tatsächlich ein Rechtsmissbrauch zu erkennen sei, da der Unterlassungsanspruch ohnehin nicht bestand, aber es gab Abgemahnten ein weiteres Argument an die Hand, um dazulegen, dass ein Abmahner rechtsmissbräuchlich handelt. Es müssen in solchen Fällen aber immer die genauen Umstände des Einzelfalls betrachtet werden.
Über den Autor
RA Dr. Felling
Dr. Walter Felling ist Dipl. Betriebswirt und seit 1991 selbstständiger Rechtsanwalt. Zuvor war er als Prokurist der VB Soest e.G. und als Sozius einer größeren Kanzlei in Soest tätig. Herr Dr. Felling betreut Mandanten unter anderem auf dem Gebiet des Wirtschafts- und Bankrechts. Außerdem beschäftigt er sich intensiv mit dem Modellflugrecht, in welchem er 2008 promovierte. Seine Dissertation ist 2008 unter dem Titel “Chancen und Grenzen des Rechts auf freie Nutzung des Luftraumes durch Flugmodelle” bei der Neckar-Verlag GmbH, Villingen Schwenningen, erschienen.
Geht bei solchen Kommentierungen zum Rechtsmißbrauch der Schuss nicht nach hinten los?
Da ist also ein Gericht, welches in einem speziellen Fall 2 Indizien für einen Rechtsmißbrauch herausgearbeitet hat:
– Formulierung des Fortsetzungszusammenhanges
– Vertragsstrafe mit 5001 als zu hoch.
Die ach so gebeutelte Netzgemeinde feiert so ein Urteil, dann als Durchbruch im Abmahnunwesen, weil wahrscheinlich in gefühlt 90 % aller vorformulierten Abmahnungen solche Textbausteine und Vertragsstrafen enthalten waren.
Für alle Anwälte die auf diesem Gebiet tätig sind, bedeutet doch so ein Urteil nichts anderes, als dass die ihre Praxis überdenken müssen und zukünftig ihre vorformulierten UE ohne den Fortsetzungszusammenhang schreiben und die Vertragsstrafe zurück schrauben werden, damit hier keine Angriffspunkte vorliegen. Das ist relativ einfach umzusetzen und hat keine praktische Auswirkungen.
Die Karawane zieht weiter…
Niemand feiert hier ein Urteil. Wir berichten einfach darüber. Und gerade über die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs sind bereits mehrere bekannte Abmahnanwälte gestürzt.