Bislang versuchte Media-Saturn vergeblich im Online-Handel Fuß zu fassen. Jetzt unternimmt die Metro-Tochter einen erneuten Anlauf und kauft sich Redcoon dazu. Dabei werden gleich mal zu Beginn die Ziele hoch gesteckt: Die Ablösung Amazons als Marktführer.
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Ab sofort ist die Media-Saturn-Holding (MSH) wieder mit einem Geschäftsbereich im Internet vertreten. Dazu hat das Unternehmen, zu der die Elektrofachmärkte Media Markt und Saturn gehören, den Online-Händler redcoon übernommen. Redcoon werde als unabhängige Tochtergesellschaft der Media-Saturn-Unternehmensgruppe weitergeführt und zu Media Markt und Saturn im Wettbewerb stehen.
Über die Übernahme des Online-Shops hatte es in Branchenkreisen bereits vor einigen Wochen einige Gerüchte gegeben. Auch wurde Redcoon für andere Marktteilnehmer als lohnendes Investmentobjekt gehandelt. Über den Kaufpreis schweigen die Beteiligten.
Die Übernahme von Redcoon ist allerdings nur einer von mehreren Bausteinen der neuen Web-Strategie bei MSH. Im Sommer wird Saturn mit einem eigenen Webshop ans Netz gehen. In der ersten Jahreshälfte 2012 wird dann auch Media Markt mit einem Online-Shop nachziehen.
Die Erwartungen der Konzernführung an das neue Geschäftsfeld sind hoch. Amazon soll als europäischer Marktführer abgelöst werden. Dazu müsse MSH über das Internet rund drei Milliarden Euro umsetzen, gab Rolf Hagemann, Finanzchef und stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung von Media Saturn, der Süddeutschen Zeitung zu Protokoll:
"Wir wollen in Europa die Nummer eins im Online-Geschäft werden und dazu wird Redcoon einen wichtigen Beitrag leisten. Das ist in vier, fünf Jahren zu schaffen."
Bereits wenige Tage zuvor hatte MSH-Chef Horst Norberg in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung angekündigt, dass bis 2013/2014 etwa zehn Prozent des Umsatz online erwirtschaftet werden sollen.
Für Branchenkenner ist die Übernahme von Redcoon ein sinnvolles Investment. Jochen Krisch bezeichnet den 30.3.2011 in seinem Blog exciting commerce als "historischen Tag für den deutschen e-Commerce."
Für Martin Groß-Albenhausen, Chefredakteur und Herausgeber des Branchendienstes "Der Versandhausberater" seien angesichts des Sortiments und der Online-Affinität der Elektronik-Besteller sowie der großen Markenbekanntheit von MSH zehn Prozent vom Umsatz "eigentlich kein so ambitioniertes Ziel".
Auch Rene Otto, Geschäftsführer von Rock'n'Shop.de und Leiter des Arbeitskreises e-Commerce im Bundesverband des Deutschen Versandhandels zieht ein positives Fazit:
"Die Übernahme macht aus vielerlei Sicht Sinn für MSH. Dass es intern nicht funktioniert, wurde ja eindrücklich bewiesen. Als eigenständige MSH-Tochter hat redcoon die Möglichkeit, sich ohne den direkten internen Wettbewerb zwischen Retail und Etail seinen Platz im europäischen e-commerce-Markt zu sichern. Zudem wird im größeren Stil erprobtes Know-How in das Unternehmen geholt und das auf einen Schlag, was unmöglich über die bestehenden Retailer in so kurzer Zeit hätte aufgebaut werden können."
Ob sich die hoch gesteckten Ziele erfüllen lassen, sehen Branchenkenner allerdings skeptisch. Jochen Krisch und Rene Otto bringen es auf den Punkt:
"Das Ziel, Amazon in zwei bis drei Jahren abzulösen halte ich für eine PR-Nachricht in den Markt, dass man es ernst meint. Trommeln gehört zum Handwerk", so Rene Otto auf Nachfrage.
"Ich halte das [die Ablösung von Amazon als Marktführer, d. Red.] für wenig realistisch. Amazon hat 10 bis 15 Jahre Vorsprung im Online-Handel", bewertet Krisch das Ziel von Finanzchef Hagemann.
Groß-Albenhausen weist zudem auf eine mögliche Schwachstelle hin. Der Online-Kurs im Metro-Konzern sei von oben verordnet, werde aber im Unternehmen nicht gelebt:
Es ist nach meiner Kenntnis auch so, dass außer auf Vorstandsebene eigentlich keine Sanktionierungsmöglichkeiten bestehen, wenn die Märkte das Thema blockieren. Anders gesagt: Wenn es nicht klappt, verliert niemand sofort den Job - sondern erst, wenn die Kunden in Scharen abwandern."
Die neue Ausrichtung des Konzerns sei aber allem Anschein nach noch nicht in allen Abteilungen verstanden worden, so Groß-Albenhausen weiter.
"Wie zum Teil die Projekte in Holland und Österreich operativ abgewickelt werden, ist abenteuerlich und weniger als Web 1.0. Von daher sehe ich das ganze summa summarum mit gemischten Gefühlen und begrenztem Optimismus. Es gibt für mich noch kein nachhaltiges Konzept. Es geht deshalb nicht um eine, zwei oder drei Milliarden Euro, sondern darum, ob MSH und seine vielen lokalen Stationär-Fürsten im Onlinehandel wirklich an die Spitze wollen, und welchen (strukturellen) Preis sie dafür zu zahlen bereit sind. Bis hin zur völlig anderen Kalkulation des Sortiments."
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