Bereits im November 2010 berichteten wir über einen Regierungsentwurf zur Änderung des Widerrufsrechts. Dieser Entwurf wurde nun nach Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates unverändert als Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht.
Was ändert sich für Shopbetreiber? Lesen Sie mehr.
Mit der Entscheidung “Messner” (U. v. 03.09.2009, C-489/07) stellte der Europäischen Gerichtshof fest, dass ein genereller Wertersatz für Nutzungen im Fernabsatz verkaufter Waren im Rahmen des Widerrufsrechts nicht mit Europäischem Recht vereinbar ist. Dieser Rechtsprechung begegnet die Bundesregierung mit dem jetzigen Gesetzesentwurf vom 23.03.2011 und regelt die Vorschriften zum Wertersatz bei Ausübung des Widerrufsrechts neu.
In den folgenden FAQ erfahren Sie kurz und knapp, was sich für Sie als Shopbetreiber ändert:
1) Wann treten die Änderungen in Kraft?
UPDATE: Die Änderungen treten zum 4.8.2011 in Kraft. Lesen Sie hierzu auch unser Whitepaper mit allen Neuregelungen und Mustern im Überblick.
2) Muss ich meine Widerrufsbelehrung ändern?
Ja, aber erst nach Inkrafttreten des Gesetzes. Der Gesetzentwurf sieht zwei Änderungen vor, die sich auch auf die Widerrufsbelehrung auswirken. Daher wird es auch ein neues gesetzliches Muster der Widerrufsbelehrung geben.
- Änderung: Paragraphenkette zur Widerrufsfrist
- Änderung: Neue Hinweise zum Wertersatz
- Änderung: “regelmäßigen” in 40 Euro Klausel
Neu ist (ACHTUNG: Noch kein geltendes Recht):
„… jedoch nicht vor Erfüllung unserer Pflichten gemäß § 312g Abs. 1 S.1 BGB in Verbindung mit Art. 246 § 3 EGBGB.“
Neu ist (ACHTUNG: Noch kein geltendes Recht):
„Für die Verschlechterung der Sache und für gezogene Nutzungen müssen Sie Wertersatz nur leisten, soweit die Nutzungen oder die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Unter „Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise“ versteht man das Testen und Ausprobieren der jeweiligen Ware, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist.“
Neu ist (ACHTUNG: Noch kein geltendes Recht):
Das Wort “regelmäßigen” wird in der (optionalen) 40 Euro Klausel ergänzt.
“Sie haben die regelmäßigen Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn …”
3) Gibt es eine Übergangsfrist?
Ja und Nein. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt. Es gibt also keine Übergangsfrist.
Allerdings wird in das EGBGB eine Übergangsvorschrift eingeführt, sodass die derzeit gültigen Musterbelehrungen noch drei Monate nach Inkrafttreten dieser Änderungen verwendet werden können, ohne dass die gesetzliche Privilegierung verloren geht.
4) Was ändert sich beim Wertersatz?
Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise
Wertersatz sowohl für gezogene Nutzungen als auch für Verschlechterungen der Ware wegen bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme darf nach dem Gesetzentwurf nur noch verlangt werden, wenn die Nutzung oder Verschlechterung auf einem Umgang mit der Ware beruht, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht.
Wie das Wasserbett-Urteil des BGH (U. v. 03.11.2010, VIII ZR 337/09) gezeigt hat, ist dies aber auch schon jetzt der Fall. Denn die Gerichte müssen die derzeitigen Bestimmungen zum Wertersatz derzeit schon europarechtskonform anwenden.
Positiv ist aber, dass die Bundesregierung nicht über das Ziel hinaus geschossen ist und etwa eine Regelung aufgenommen hat, nach der der Verbraucher generell keinen Wertersatz leisten braucht, wie dies nach dem EuGH-Urteil teilweise gefordert wurde.
Beweislast
Der Unternehmer trägt nach dem Gesetzentwurf die Beweislast für die Frage, ob die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der über ein Prüfen der Sache hinausgeht.
5) Ist der Unternehmer jetzt wieder der Dumme?
Ja und nein. Wenn man das EuGH Entscheidung „Messner“ berücksichtigt, kann man durchaus von einem unternehmerfreundlichen Gesetzentwurf sprechen. Man kann das Urteil auch weitaus verbraucherfreundlicher auslegen und daraus einen völligen Ausschluss der Möglichkeit, Nutzungswertersatz zu verlangen, ableiten.
Andererseits bringt der Gesetzentwurf wieder eine Änderung der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung mit sich, was bei vielen Shopbetreibern nicht zu unerheblichem Aufwand führen wird.
6) Gelten die Änderungen auch für das Rückgaberecht?
Ja.
7) Ist dann erst mal Schluss mit Änderungen an der Widerrufsbelehrung?
Mit der Entscheidung „Heinrich Heine“ (Urteil v. 15.4.2010, C-511/08) hat der EuGH die Frage aufgeworfen, ob der Verbraucher in der Belehrung nicht auch darüber aufgeklärt werden muss, dass ihm im Fall des Widerrufs die Kosten der „Hinsendung“ erstattet werden, wofür Einiges spricht. Auch nach der geplanten Änderung der Muster-Belehrung wird also nicht so schnell Ruhe einkehren im Widerrufsrecht.
Wir werden Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden halten.
Das wird nie enden. Aus einem einfachen Grund: Wenn es möglich wäre eine Widerufsbelehrung so zu gestalten daß sie EXAKT den Gesetzesinhalt wieder gibt UND dazu noch für den Verbraucher leicht verständlich ist, dann hätte man gleich das Gesetz so gemacht und wir würden einfach eine Kopie des Gesetzes als Widerufsbelehrung mitschicken. Insofern kann das gar nicht hinhauen. Die einzige Widerufsbelehrung die funktionieren könnte wäre diese: “Sie haben als Verbraucher ein Widerufsrecht dass im Regelfall 14 Tage beträgt – es gelten die gesetzlichen Regelungen.” Fertig aus Ende. Und dann kann man sich im Streitfall direkt mit dem Gesetz auseinandersetzen. Es ist doch sowieso ein Witz, daß die meisten Gerichtsentscheidungen die mit dem Widerufsrecht zu tun haben gar nicht von Verbrauchern ausgehen.
Da hat die Einzelhandelslobby ja wieder gute Arbeit geleistet… ich möchte mal das Ladengeschäft sehen, wo ich ein Wasserbett befüllen und ein paar Nächte ausprobieren kann. Oder wo ich ein Notebook komplett einrichten kann. Oder eine Kamera mit in den Urlaub nehmen.
Aber es wird laufen wie bisher. Man wird bei rund 90% der verschlechterten Warte Wertersatz geltend machen, 10% werden sich beschweren und nur 1% wird ohne Wertersatz aus der Sache kommen. Gleiches Spiel wie bei den Hin- und Rücksendekosten.
Noch immer hat man die Vorgaben der fairen Regelung der EU Richtlinie nicht umgesetzt. Wenn ich im Laden was zurückgeben will – was rein auf Kulanz geschiet – dann muss ich die Spritkosten doch auch selber tragen… oder das Busticket.
@Michael…
sehe ich genauso. Ich würde noch soweit gehen und sagen: Immer der Absender trägt die Versandkosten. Egal was es ist. Damit wäre dann auch Schluß mit den Spaßbestellungen von Wasserbetten.
Dear all,
Sorry for the english, but otherwise takes too much time.
“ich möchte mal das Ladengeschäft sehen, wo ich ein Wasserbett befüllen und ein paar Nächte ausprobieren kann.”
Well, why don’t we make a case out of that? Let one of us go to a regular shop (Ladengeschäft), ask them to fill a waterbed and if they refuse to do that, sue them.
If that shop can get away with it in front of a court, it would serve as a precedent for webshop owners based on the fact that the law should apply on every case or person equally.
I would not mind to share the cost of the court procedure.
Let us be honest. It is ridiculous what they expect of webshop owners.
Time for action I would think.
Wie sieht es eigentlich mit Artikeln aus, die ich durch Prüfung verbrauche oder die hygenisch dann nicht mehr einwandfrei sind ?
z.B. Weine – die Prüfung eines Weines hat mit der Verkostung zu tun. Aber einen entkorkten Wein zurückgeben oder dann nochmal zu verkaufen ???
Oder Kosmetikartikel – um eine Creme zu Prüfen müßte ich sie anwenden – öffnen, entsiegeln und entnehmen – aber eine geöffnete Creme ist nicht mehr hygenisch kann doch eigentlich keinem anderen mehr verkauft werden ??
Gibt es dazu bereits Urteile?
Zu geöffneten Kosmetikprodukten gibt es ein Urteil des OLG Köln: Benutzte Kosmetika sind nicht vom Widerrufsrecht ausgeschlossen
Ansonsten sind die Ausnahmen in § 312d Abs. 4 BGB abschließend aufgezählt. Bei geöffneten Produkten muss man streng zwischen “Ausschluss vom Widerrufrecht” und Anspruch auf “100% Wertersatz” unterscheiden. Es kann also sein, dass der Händler zwar ein Produkt zurücknehmen muss, aber dem Verbraucher den Kaufpreis nicht erstatten muss.