Das Widerrufsrecht im Fernabsatz ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Dabei entbrannte auch die Diskussion, ob die Verteilung der Hin- und Rücksendekosten nach erfolgtem Widerruf durch den Verbraucher gerecht verteilt sei. RA Dr. Felix Buchmann beschäftigt sich in einem Aufsatz mit dieser Problematik und zeigt außerdem Lösungsmöglichkeiten auf.
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Der Aufsatz “Hinsendekosten, Rücksendekosten und 40-Euro-Klausel bei Fernabsatzgeschäften” von RA Dr. Felix Buchmann ist erschienen in der Zeitschrift Kommunikation und Recht (K&R), Ausgabe Juli/August 2010, Seite 458 bis 462.
Hinsendekosten
Zunächst beschäftigt sich der Autor der Problematik der Hinsendekosten und fasst den Meinungsstand in der juristischen Literatur zusammen. Der BGH stellte schließlich in seiner Vorlagefrage an den EuGH fest, dass es zur Frage der Erstattung der Hinsendekosten nach erfolgtem Widerruf im deutschen Recht keine explizite Antwort gäbe.
Auf diese Frage des BGH antwortete der EuGH (Urteil v. 15.04.2010, C-511/08), dass dem Verbraucher bei Ausübung des Widerrufsrechtes die Hinsendekosten zu erstatten sind. Diesem Urteil folgte der BGH am 07.07.2010, Az: VIII ZR 268/07.
Ist ein Hinweis in der Belehrung erforderlich?
Das EuGH-Urteil hatte für die Praxis nicht nur die Folge der Kostenerstattung. Vielmehr ergaben sich Schwierigkeiten bei der Frage, ob der Verbraucher auch über diese Rechtsfolge zu belehren sei.
Hintergrund dieser Fragestellung ist eine ältere BGH Entscheidung (Urteil v. 04.07.2002, Az: I ZR 55/00), welche besagte, dass ein Händler den Verbraucher sowohl über die Pflichten als auch über die Rechte klar und verständlich aufzuklären hat.
Wo soll belehrt werden?
Der Autor stellt sich dann die Frage, an welcher Stelle der Verbraucher über dieses Recht aufzuklären sei. Denn eine Modifikation der – mittlerweile gesetzlichen – Musterbelehrung ist mit dem Verlust der Privilegierung verbunden. Allerdings hält der Autor die derzeitige Musterbelehrung für unbrauchbar, da sie nicht über alle Widerrufsfolgen informiert, wodurch der Verbraucher davon abgehalten werden könnte, von diesem Recht Gebrauch zu machen.
Andererseits muss über diese Rechtsfolge an der Stelle belehrt werden, an der der Verbraucher auch damit rechnet, sodass eine entsprechende Information in den AGB unter dem Punkt “Versand” geeignet wäre. Oder aber der Verbraucher wird direkt auf der Versandkostenseite über diese Folge der Ausübung des Widerrufsrechtes informiert. Richtigerweise sollte der Hinweis aber unmittelbar nach der Widerrufsbelehrung erfolgen, empfiehlt der Autor.
Wird dieser Hinweis der Widerrufsbelehrung nachgestellt, sollte diese drucktechnisch hervorgehoben werden, damit das Gebot der Klarheit aus Art. 246 § 1 Abs. 1 EGBGB eingehalten wird.
Wie soll belehrt werden?
Nachdem der beste Ort für die Belehrung über die Hinsendekosten gefunden worden ist, stellt sich direkt die Frage, wie – also mit welchem Wortlaut – der Verbraucher belehrt werden soll. Unproblematisch – so der Autor – wäre ein Hinweis bei Verträgen, welche nur als Ganzes widerrufen werden können, also ein Teilwiderruf nicht möglich wäre. Dann könnte der Hinweis so aussehen:
“Wenn Sie von Ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch machen, erstatten wir Ihnen die Kosten der Zusendung der Ware von uns zu Ihnen (‘Hinsendekosten’).”
Bei Verträgen, bei welchen ein Teilwiderruf möglich wäre, unterscheidet der Autor zwei Varianten:
- Die vom Verbraucher bestellten Waren hätten unterschiedliche Versandkosten ausgelöst, wenn er sie einzeln bestellt hätte.
- Die vom Verbraucher bestellten Waren hätten die gleichen Versandkosten ausgelöst wie die Sammelbestellung.
Bei der ersten Variante bekommt der Verbraucher keine Versandkosten erstattet, wenn er wegen der Ware widerruft, die (alleine verschickt) geringere Versandkosten ausgelöst hätte. Widerruft er dagegen wegen der Ware, die die höheren Versandkosten ausgelöst hat, so ist ihm die Differenz zwischen höheren und niedrigeren Versandkosten zu erstatten.
In der zweiten Variante erhält der Verbraucher gar keine Hinsendekosten erstattet, wenn er einen Teilwiderruf erklärt. Gleiches gilt auch, wenn der Unternehmer eine Versandkostenpauschale verlangt.
Anschließend gibt der Autor einen Formulierungsvorschlag für eine entsprechende Information:
“Wenn Sie von Ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch machen, erstatten wir Ihnen die Kosten der Zusendung der Ware von uns zu Ihnen (‘Hinsendekosten’). Machen Sie bei mehreren bestellten Waren nur bezüglich eines Teils der Waren von Ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch, so erstatten wir Ihnen die Kosten der Zusendung dieser Waren, sofern diese Kosten die Kosten für die Zusendung der bei Ihnen verbleibenden Waren übersteigen würden.”
Versandkostenfreigrenze
Viele Händler bieten ihren Kunden an, ab einem bestimmten Bestellwert keine Versandkosten mehr zu verlangen. Oftmals besteht dann das Problem, ob nach einem erfolgten Widerruf eines Teils der Bestellung die Versandkosten “nachberechnet” werden dürfen, wenn der beim Verbraucher verbliebene Teil der Bestellung die Versandkostengrenze nicht erreicht.
Der Autor schlägt für diese Fälle vor, einen entsprechenden Passus direkt bei den Versandkosten mit aufzunehmen.
“Sollte der Versand der bestellten Ware von uns zu Ihnen aufgrund des Bestellwertes Ihrer Bestellung für Sie kostenfrei sein und machen Sie bei mehreren bestellten Waren nur bezüglich eines Teils der Waren von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, so dass der Teil der bei Ihnen verbleibenden Waren den Betrag der Versandkostenfreiheit nicht erreicht, so haben Sie die Hinsendekosten in der Höhe zu tragen, wie sie angefallen wären, wenn Sie nur die bei Ihnen verbliebenen Waren bestellt hätten.”
Eine solche Klausel ist nach der Auffassung des Autors “auch ohne Weiteres zulässig”, denn Versandkostenfreigrenzen müssen dem Verbraucher nicht angeboten werden, sodass der Händler die Bedingungen auch selbst festlegen darf.
Rücksendekosten
Nachdem der Autor die Hinsendekosten-Problematik abgeschlossen hat, beschäftigt er sich anschließend mit den Kosten der Rücksendung. Die Fernabsatzrichtlinie ermöglicht es, diese Kosten dem Verbraucher aufzuerlegen.
Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit aber leider nur im Rahmen der sog. 40-Euro-Klausel Gebrauch gemacht, nach der dem Verbraucher die Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden können, wenn der Wert der zurückzusendenden Ware einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn bei einem höheren Preis der Sache der Verbraucher die Gegenleistung oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht hat, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht (§ 357 Abs. 2 Satz 3 BGB).
Der Autor fasst die jüngste Problematik zusammen, die diese Vorschrift gebracht hat. Er gibt dabei der mittlerweile herrschenden Rechtsprechung Recht und erkennt ebenfalls eine Notwendigkeit, die 40-Euro-Klausel sowohl in der Widerrufsbelehrung als auch separat in den AGB zu verwenden. Der Autor hat zu einem Urteil des LG Frankfurt am Main hier bei uns im Blog auch einen Gastbeitrag zur 40-Euro-Klausel geschrieben.
Gleichzeitig plädiert er für eine Überarbeitung des aktuellen Musters, da der Verbraucher aus der dort gewählten Formulierung auf die Idee kommen könnte, er müsse jegliche Kosten der Rücksendung zahlen. Allerdings können ihm nur die “regelmäßigen” Kosten auferlegt werden. Leider lässt der Autor offen, was unter “regelmäßigen Kosten” zu verstehen ist, denn dieser Begriff ist im Gesetz nicht definiert.
Folgen für die Praxis
Der Autor nennt als Folgen zum einen die ungerechte Lastenverteilung, da der Unternehmer sowohl die Hinsendekosten wie auch in den meisten Fällen die Rücksendekosten zu tragen hat, wenn der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht.
Des Weiteren sieht er eine Gefahr durch Abmahnungen, wenn der Händler nicht über die Erstattung der Hinsendekosten informiert.
Ergebnis
Im Ergebnis stellt der Autor fest, dass die deutsche Gesetzgebung der Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet des Fernabsatzrechtes glücklos hinterher hinkt, obwohl alle praxisrelevanten Themen bereits sein langer Zeit bekannt sind und ausführlich in der juristischen Literatur beschrieben und diskutiert wurden. Bereits eine Internetsuche würde dem Gesetzgeber dabei helfen, sich der Probleme im Bereich des Fernabsatzrechts bewusst zu werden.
Er sieht eine Anpassung der Regelungen im BGB in Bezug auf die Hin- und Rücksendekosten für dringend erforderlich, da die derzeitige Lastenvertreilung zwischen Verbrauchern und Unternehmern nicht mehr vermittelbar sei.
Über den Autor
RA Dr. Felix Buchmann, Fachanwalt für Informationstechnologierecht
Dr. Felix Buchmann ist Partner der Kanzlei SGT Rechtsanwälte in Stuttgart. Er ist Lehrbeauftragter der Hochschule Heilbronn für Medienrecht und der Hochschule Pforzheim für IT-Recht/E-Commerce und beschäftigt sich vertieft mit den Themen E-Commerce und Wettbewerb. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen dazu und ständiger Mitarbeiter der Fachzeitschrift „Kommunikation & Recht“. In der Kanzlei SGT Rechtsanwälte mit Büros in Stuttgart und Frankfurt leitet er das Referat Handel/E-Commerce, Wettbewerb und Neue Medien.
Würde der Gesetzgeber die Problematik der Versandkosten für die Hin- und Rücksendungen im Falle eines Widerrufes endlich erkennen, sie wirksam und gerecht verteilt regeln, dann wären wir im Onlinehandel schon ein ganzes Stück weiter.
Dem ist kaum noch etwas hinzuzufügen.
Aber dem Gesetzgeber ist scheinbar weder Abmahnproblematik,
noch Kostenverteilung ein Begriff.
Der Kunde ist König.
Wie der Handel gegen Missbrauch oder Spaßbestellungen
vorgehen soll bleibt ein Rätsel.
@Udo
Zumindest von der Problematik des Abmahnmissbrauchs weiß die Bundesregierung nichts, wie sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion zugegeben hat. Der Regierung lägen dazu keine Untersuchungen vor, steht in dieser Antwort. Den vollständigen Bericht dazu finden Sie hier.
Die Politik beweist einfach nur, dass Gesetze nur dort kommen wo Gelder fliessen oder Wählerstimmen gewonnen werden.
Deswegen tut sich in diesem Bereich nichts, deswegen tut sich nichts im Bereich des Datenschutzes ausgehend vom Staat und deswegen tut sich auch nichts bei Fällen wo man den Kunden und damit den Wähler verärgern könnte.
Man stelle sich den armen Politiker vor der dem Wähler klar machen muss, dass ein neues Gesetz kommt, dass vom Kunden immer die Zahlung der Rücksendekosten verlangen würde.
Die Lösung ist denkbar einfach, funktioniert im Ausland grandios aber in Deutschland blamiert man sich wieder… den unfairen Teiler der Kunden freut es… kaum ein Widerruf von Kunden kommt noch ohne Halbwissen oder Unwahrheiten über neue Gesetze daher. Sind zwar nur 5 – 10% (in einer Branche die 10 – 15 Prozent hat) dennoch tut es weh.
Hallo Herr Rätze,
mich plagen Zweifel, ob die Ratschläge Ihres Kollegen passend sind.
Zum einem scheint mir sein Formulierungsvorschlag mathematisch falsch zu sein:
“Machen Sie bei mehreren bestellten Waren nur bezüglich eines Teils der Waren von Ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch, so erstatten wir Ihnen die Kosten der Zusendung dieser Waren, sofern diese Kosten die Kosten für die Zusendung der bei Ihnen verbleibenden Waren übersteigen würden.”
Gehen wir mal ein Beispiel durch: Ein Händler fordert 4,- Euro Versandkosten als Basisbetrag für den ersten Artikel und 1,- für jeden weiteren Artikel. Bei ebay durchaus üblich. Der Kunde kauft 5 Artikel, zahlt also 8,- Euro Versandkosten. Nun widerruft der Kunde für zwei Artikel. Auf diese zwei Artikel entfallen 2 Euro Versandkosten. Nach der vorgeschlagenen Formulierung erhält der Kunde Hinsendekosten nicht ersetzt, da die Versandkosten für die zurückgesendete Ware (2 Euro) die Versandkosten für die behaltenen (6 Euro) nicht übersteigt. Logisch finde ich das nicht. Hätte der Kunde nicht 2 Euro fordern können? Mit welcher Begründung erhält der Kunde in diesem Beispiel erst bei vollständigem Widerruf die Kosten ersetzt?
Dann wird oben noch behauptet, der Händler könnte bei einer Versandkostenfreigrenze Versandkosten nachberechnen, wenn der Kunde durch einen Teilwiderruf unter diese Grenze kommen würde. Hatten Sie nicht vor einiger Zeit auf ein Urteil eines europäischen Gerichts hingewiesen, in dem klargestellt worden ist, dass in Folge des Widerrufs nur die Kosten der Rücksendung, jedoch absolut keinerlei weitere Kosten auferlegt werden dürfen? Wenn man dem Vorschlag Ihres Kollegen folgt, würde der Händler doch als Folge des Widerrufs nachträglich Hinsendekosten berrechnen. Sind Sie wirklich sicher, dass ein solcher AGB-Passus vor Gericht verteidigt werden könnte?
Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass eine Verwendung der von Dr. Buchmann vorgeschlagenen Formulierungen das Abmahn-Risiko erhöhen würde.
Ich kann auch noch nicht nachvollziehen, dass vor dem Hintergrund einer Widerrufsbelehrung mit Gesetzesrang nun schon wieder die Idee im Raum steht, diese Belehrung sei nicht ausreichend. Im Justizministerium sitzen doch Juristen, die bewertet haben, über welche Sachverhalte der Verbraucher in der Belehrung zu unterrichten ist. Bei dieser Bewertung wurde entschieden (ja, ich muss doch als Händler davon ausgehen können, dass es eine Entscheidung und kein Versehen ist), dass eine Belehrung über die Hinsendekosten nicht notwendig ist. Auch im oben erwähnten Urteil steht doch “..nicht jedoch auf wesentliche Rechte des Verbrauchers hingewiesen…”. Es stellt sich somit doch noch die Frage, ob diese Hinsendekosten-Thematik überhaupt wesentlich oder nur existent ist. Wesentlich nach Ansicht des BmJ ist offenbar, dass der Verbraucher widerrufen kann und dabei in den meisten Fällen die Versandkosten nicht tragen muss.