Neckermann: Ohne Katalog geht es nicht

neckermann_laptopDas Experiment ist gescheitert. Der Traditionsversender Neckermann wird auch in der Schweiz wieder einen Katalog an die Kunden verschicken. Damit ist die Zeit als reiner Online-Händler nach nur zwei Jahren in der Eidgenossenschaft Geschichte. Dennoch gilt weiterhin "online first".

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Künftig werden auch in der Schweiz wieder gedruckte Kataloge an die Kunden von Neckermann verschickt. Denn es kam, wie Branchenkenner es vorausgesagt hatten: Die Umsätze brachen ein und konnten durch das Internet alleine nicht kompensiert werden.

Der große Schnitt

Neckermann vollzog 2008 in der Schweiz einen Schritt, vor dem sich viele Katalogversender fürchten. Sie gaben das Big Book, also den Universalkatalog, auf und wollten Neckermann zu einem reinen Online-Versender ausbauen. Das hat augenscheinlich nicht funktioniert. Damals ließ das Unternehmen verlauten:

"Wir sind der Überzeugung, dass die Zukunft des Schweizer Versandhandels im Internet liegt. Mit unserer Entscheidung für 100 Prozent Internet wollen wir zum führenden Universalversender in der Schweiz werden."

Doch für Neckermann kann der Katalog sogar eine Chance auf dem Schweizer Markt sein. Denn im Zuge der Quelle-Insolvenz musste auch der Traditionsversender Ackermann seine Pforten schließen. Die damit freigewordenen Kundengruppen könnte nun Neckermann bedienen, bewertet Thomas Lang von der e-Business-Beratung carparthia im Gespräch mit dem shopbetreiber-blog die Situation.

"Damit dürfte es ein Katalog-Vakuum in der Schweiz geben, dass man bei Neckermann mit dem Katalog-Revival wohl zu füllen gedenkt."

Weiterhin gilt "online-first"

Als ein Scheitern der konzernweiten Online-Strategie will Ulf Cronenberg, Geschäftsführer Marketing bei Neckermann, die Wiedereinführung des Kataloges aber nicht verstanden wissen.

"neckermann.de befindet sich auf gutem Weg, ein echter Online-Händler zu werden. Gleichzeitig spielen gedruckte Werbemittel auch künftig eine wichtige Rolle, denn sie haben eine zentrale Impulsgeber-Funktion für den Online-Shop."

Das sieht auch Thomas Lang so und verweist auf die so genannten 'umgeleiteten Katalogumsätze':

"Vor allem bei den klassischen Versandhändlern ist der Katalog ein wichtiger Impulsgeber der einen substantiellen Anteil am Umsatz generiert. Die Bestellungen erfolgen zwar online, die Impulse kommen bei diesen in der Bevölkerung klar als Katalog-Versandhändler verankerte Anbieter aus dem Print."

Verhaltender bewertet allerdings Jochen Krisch die Entwicklung des Online-Geschäfts bei Neckermann. So gewährt er dem Frankfurter Versandunternehmen großzügig Respekt für seinen Schritt weg vom Katalog.

Krisch bemängelt, dass Neckermann speziell in der Schweiz es versäumt habe, das Online-Geschäft zu erlernen. Zudem - und dass scheint der Hauptpunkt der Kritik zu sein - verfolge Neckermann seine Online-first-Strategie nicht wirklich konsequent.

"Wenn man von derlei 'Strategien' hört, fragt man sich ja immer, wie Amazon & Co. so über die Runden kommen. Natürlich kann man als Katalogversender den Spagat schaffen und mit einer sog. Multi-Channel-Strategie glücklich werden, aber man kann damit eben schwerlich ein nachhaltig erfolgreicher Online-Händler werden."

Erfreuliches 1. Quartal

Im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als alleine in den ersten zehn Monaten Neckermann mit einem Umsatzrückgang von 15 Prozent rechnete, läuft 2010 allem Anschein nach gut an.

Neckermann-Chef Henning Koopmann hofft sogar schon im laufenden Jahr beim Ebitda auf  eine schwarze Null. Der Turn-around sei geschafft, berichtet das Handelsblatt. Im ersten Quartal habe das Geschäft gegenüber dem Vorjahreszeitraum im zweistelligen Prozentbereich angezogen.

29.06.10
Olaf Groß

Olaf Groß