Bereits mehrfach berichteten wir über ein Abmahnduo, welches vor dem LG Bielefeld bereits eine Niederlage einstecken musste. Die lange erwartete Entscheidung des OLG Hamm über die Berufung liegt nun vor. Und siehe da: selbst das eigentlich sehr abmahnfreundliche Gericht zieht eine klare Grenze.
Lesen Sie hier mehr über das erfreuliche Urteil aus Hamm.
Bereits am 05.11.2008 entschied das LG Bielefeld (Az: 18 O 34/08), dass die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen rechtsmissbräuchlich sei, wenn insbesondere der Umfang der Abmahntätigkeit in keinem Verhältnis mehr zum Umsatz des Klägers steht sowie eine enge verwandtschaftliche Beziehung zwischen Abmahner und Abmahnanwalt besteht.
Am 24.03.2009 fand hierzu die Berufungsverhandlung vor dem OLG Hamm statt. Zwischenzeitlich liegt das Urteil im Volltext vor (Az: 4 U 211/08), sodass wir nicht versäumen wollen, unsere Leser darüber zu informieren.
Das LG Bielefeld hatte die Klage des Abmahners noch als unbegründet abgewiesen. Dies war nicht ganz richtig, wie das OLG Hamm nun entschied. Die Klage war vielmehr bereits unzulässig. An der Abweisung der Klage ändert dies jedoch nichts.
"Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, allerdings zu Unrecht als unbegründet. Die Klage ist vielmehr bereits als unzulässig abzuweisen, weil die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren hier rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG geltend macht."
Insgesamt waren dem OLG 11 weitere Abmahnungen des Duos bekannt geworden. Teilweise wurden die anderen Abmahnopfer sogar als Zeugen gehört. Die weiteren Abmahnungen verliefen alle nach dem selben Muster. In allen Fällen wurde abgemahnt, dass der Fristbeginn nicht korrekt dargestellt wurde, weil die veraltete Musterwiderrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums verwendet wurde.
Eine solche "Spezialisierung" auf einen kleinen Fehler zeigt dem Gericht, dass es nicht wirklich um die Wahrung eines fairen Wettbewerbs geht.
"Es spricht aber nicht für eine ernsthaft gemeinte Überwachung des lauteren Wettbewerbs, wenn sich ein Wettbewerber nur auf die Verfolgung eines bestimmten Wettbewerbsverstoßes gewissermaßen spezialisiert. Dies zeigt, dass es ihm eben nicht insgesamt um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs zu tun ist."
Außerdem überschnitten sich die Geschäftskreise der Parteien nur in Randbereichen. Beide vertrieben auch Geldbörsen und Taschen, wobei dieser Bereich nicht das Hauptgeschäftsfeld war, sondern lediglich ein kleiner Teil.
Sehr deutliche Worte fand das Gericht bei der Bewertung des Verhältnisses zwischen Einnahmen aus Abmahnung und Umsatz aus der sonstigen Geschäftstätigkeit. Bereits im Urteil vom LG Bielefeld wurde das stark kritisiert.
Die Richter aus Hamm beschrieben diesen Umstand so:
"Vor allem steht der eigene Umsatz der Klägerin in keinem Verhältnis zu dieser umfangreichen Abmahntätigkeit in relativ kurzer Zeit. Unwidersprochen hat die Beklagte dargelegt, dass die Klägerin einen monatlichen Umsatz von 200 Euro erzielt. Wenn dann noch der Anwalt der Klägerin der Neffe des Inhabers der Klägerin ist, schließt sich der Kreis, dass die Abmahntätigkeit der Klägerin nicht deshalb erfolgt, um die Wettbewerber zum Schutz ihrer eigenen Tätigkeit zu wettbewerbskonformen Verhalten anzuleiten, sondern dass die Klägerin hier nur eine gewinnbringende Beschäftigung betreiben will."
Das OLG Hamm warf auch noch einmal einen genaueren Blick auf die anderen erfolgten Abmahnungen. Der Abmahner zeigte in diesen Fällen große Verhandlungsbereitschaft. Teilweise verzichtete er sogar auf Unterlassungserklärungen. Hauptsache die Kosten für die Abmahnung wurden gezahlt, auch mit "Rabatt".
Auch diesen Umstand kommentierte das OLG in seinem Urteil mit scharfen Worten:
"Die Klägerin hat sich eher wie ein Wettbewerbspolizist geriert, der im Einzelfall Gnade vor Recht ergehen lässt."
Genau das ist aber nicht Sinn und Zweck der Anspruchsberechtigung. Vielmehr soll diese ermöglichen, dass Wettbewerbsverstöße mit Sicherheit abgestellt werden. Dies ist eben erst durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sicher gestellt.
Außerdem war das Gericht irritiert, dass der Abmahner in einem Fall zwar eine Senkung des Streitwertes von 10.000 Euro auf 5.000 Euro akzeptierte, später jedoch trotzdem nach dem alten Streitwert abrechnen wollte. Dieser Widerspruch konnte auch in der mündlichen Verhandlung in Hamm nicht aufgeklärt werden.
Vermutlich kam man einfach durcheinander mit den ganzen Abmahnungen.
Dass das OLG Hamm hier überhaupt die Chance hatte, ein Urteil zum Thema Rechtsmissbrauch zu fällen, verdanken wir dem Abmahner und seinem Anwalt. Wie uns ein Verfahrensbeobachter mitteilte, machte der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass er das Abmahnvorgehen als rechtsmissbräuchlich einstufe. Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung hätte der Kläger noch die Chance gehabt, die Berufung zurückzuziehen und so das Urteil des LG Bielefeld stehen zu lassen. Dies hätte man dann als "Ausnahmeurteil" darstellen können.
Die Chance verpasste jedoch der Abmahner, sodass das OLG Hamm diese Entscheidung treffen konnte.
Da wir dieses Verfahren von Anfang an beobachten, sind wir hoch erfreut, dass das OLG Hamm in diesem Fall ebenfalls den Rechtsmissbrauch bejaht hat und damit dem Treiben eines weiteren Abmahn-Duos Einhalt geboten hat.
Besonders erfreulich ist, dass hier ein als besonders abmahnfreundlich bekanntes Gericht einen Schlussstrich unter das dubiose Treiben des Duos gezogen hat.
Das Urteil des OLG Hamm v. 24.03.2009, Az: 4 U 211/08 können Sie hier im Volltext lesen. (mr)