Ein neuer Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht vor, die derzeit herrschende Ungleichbehandlung bei der Widerrufsfrist von Online-Shops und eBay-Verkäufern aufzuheben. Auch dürfen eBay-Händler dann Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme verlangen. "Endlich!", werden die eBay-Händler erleichtert aufatmen.
Aber ist dafür überhaupt ein neues Gesetz nötig?
Dieser Frage sind der Richter am OLG Stuttgart, Dr. Helmut Hoffmann, und Trusted Shops Justiziar, Carsten Föhlisch, in einem neu erschienen Aufsatz (NJW 2009, S. 1175 - 1779) nachgegangen.
Bei Verträgen im Internet müssen zahllose Informationspflichten erfüllt werden. Die meisten dieser Informationen müssen dem Verbraucher auch noch einmal in Textform erteilt werden. Von dieser Mitteilung in Textform hängen viele Folgen ab. So z.B. die Dauer der Widerrufsfrist oder die Möglichkeit, Wertersatz für eine Bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme zu verlangen.
Die Textform setzt nach der Legaldefinition des § 126b BGB u.a. voraus, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben worden ist. Die obergerichtliche Rechtsprechung verneint die Frage, ob eine Internetseite diese Voraussetzungen erfüllt. Ein Internetauftritt erfülle die von § 126b BGB geforderte Perpetuierungsfunktion BGB nicht.
Einzelne Stimmen in Rechtsprechung und Literatur lassen es jedoch genügen, wenn der Verbraucher die Internetseite herunterladen und abspeichern oder ausdrucken kann.
Aber auch die Verfasser des Aufsatzes sehen das Textformerfordernis im Internet noch nicht erfüllt.
"Vergleicht man die Situation im Online-Handel mit derjenigen im klassischen Katalog-Versandhandel, so wird eine dem eingesetzten Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail) entsprechende Belehrung nicht durch die bloße Abrufbarkeit erreicht. So kann es auch nicht genügen, wenn ein Versandhändler dem Verbraucher eine Möglichkeit anbietet, die Belehrung anzufordern, oder eine Faxabrufnummer hierfür zur Verfügung stellt. Beim Online-Geschäft muss zum Erreichen einer vergleichbaren Situation der Eingang des Belehrungstextes im E-Mail Postfach (Mailbox) des Verbrauchers feststellbar sein, entsprechend dem Einwurf in den privaten Briefkasten bei postalischer Übersendung."
Bei eBay kommt der Vertrag im Vergleich zu Online-Shops anders zustande. Im Online-Shop handelt es sich beim Warenangebot regelmäßig noch nicht um ein Angebot im rechtlichen Sinne, sondern um eine sog. invitatio ad offerendum. Der Kunde gibt also mit seiner Bestellung das verbindliche Angebot ab, was der Händler dann annehmen kann oder nicht.
Bei eBay dagegen stellt das Produktangebot bereits das Angebot im Rechtssinne dar, was der Kunde direkt annehmen kann, wodurch ein Vertrag geschlossen wird. Da der Händler seinen Vertragspartner nicht kennt, kann er ihm auch erst eine "juristische Sekunde" nach Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung in Textform mitteilen.
Gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB verlängert sich die Widerrufsfrist auf einen Monat, wenn die Belehrung über das Widerrufsrecht erst nach Vertragsschluss mitgeteilt wird.
Teilweise wird vertreten, dass die Mitteilung in Textform bereits vor Vertragsschluss erfolgen muss. Allerdings findet diese Auffassung im Gesetz keine Unterstürzung.
Das Gesetz lässt es zu, dass der Unternehmer den Verbraucher auch bei Vertragsschluss in Textform informieren kann. Dies ist aber auch bei eBay nicht möglich, da der Unternehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Vertragspartner noch nicht kennt.
Verkäufer bei eBay werden derzeit massiv schlechter gestellt als andere Online-Händler, da sie eine Widerrufsfrist von einem Monat einräumen müssen, die Belehrung in Textform erst nach Vertragsschluss erfolgen kann.
Allerdings gibt es auch eine Gegenmeinung, die sagt, dass bereits jetzt bei eBay nur eine 2-Wochen-Frist gilt, da die Worte "nach Vertragsschluss" vielmehr als "nicht alsbald nach Vertragsschluss" zu verstehen sind. Der Gesetzgeber selbst hat auch bestätigt, dass er die Monatsfrist bei eBay niemals einführen wollte.
Die Autoren des Aufsatzes sind der Meinung, dass die Monatsfrist nicht auf solche Geschäfte angewendet werden kann, bei denen die Widerrufbelehrung unmittelbar nach dem "final click" via E-Mail mitgeteilt wird. Dies schließen Sie aus drei wesentlichen Punkten.
Im Gesetz steht eindeutig, dass die Belehrung bei Vertragsschluss erfolgen muss. Eine Verpflichtung zur Belehrung vor Vertragsschluss findet sich bei Warenverkäufen nicht im Gesetz. Die Fernabsatzrichtlinie konkretisiert sogar noch weiter, dass die Mitteilung in Textform "spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung" erfüllt werden muss.
Auch aus der Entstehungsgeschichte des Widerrufsrechtes lässt sich auch nicht entnehmen, dass eBay-Händler einen Nachteil erleiden sollten. Die Monatsfrist war außerdem nicht zur Sanktionierung bestimmter Distributionskanäle gedacht, sondern vielmehr als Entlastung der Unternehmer, nachdem die unendliche Widerrufsfrist eingeführt worden war.
Die Monatsfrist war also vielmehr als Erleichterung gedacht, wenn der Händler vor Vertragsschluss gar nicht informiert, sondern die Information lediglich nach Vertragsschluss nachholt. Gemäß § 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV muss der Verbraucher aber bereits vor Vertragsschluss über alle Einzelheiten und Rechtsfolgen des Widerrufsrechtes in flüchtiger Form informiert werden. Die Anwendung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn zwischen Vertragsschluss und Textform-Information ein so langer Zeitraum liegt, dass sich der Verbraucher kaum noch an den Inhalt des geschlossenen Vertrages erinnert.
Auch für die Geltendmachung eines Wertersatzanspruches für eine Verschlechterung durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Ware ist eine Belehrung "spätestens bei Vertragsschluss" von Nöten.
Für diesen Anspruch gilt also das gleiche wie das oben stehende für die Widerrufsfrist.
Derzeit sind Änderungen am BGB geplant. Durch diese Änderungen soll die Ungleichbehandlung von eBay- und anderen Online-Händlern abgeschafft werden. Eine Belehrung in Textform soll dann auch "unverzüglich nach Vertragsschluss" möglich sein, ohne dass hier Sanktionen in Form von verlängerten Fristen zu befürchten sind.
Es gibt keinen sachlichen Grund, den eBay-Händler bei der Widerrufsfrist schlechter zu stellen als andere Online-Händler. Ein solcher lässt sich im Gesetz nicht finden. Die geplante Änderung im BGB wird eine verfehlte herrschende Meinung korrigieren. Endlich. (mr)
Dr. Helmut Hoffmann
Autor Dr. Helmut Hoffmann ist Richter am Oberlandesgericht Stuttgart. Zuvor Richter in Ulm. Seit vielen Jahren befasst mit Fragen des IT-Rechts und insbesondere des Internetrechts, wobei der Schwerpunkt auf dem Zivilrecht liegt. Zu diesem Themenbereich seit den 1980-er Jahren Verfasser und Mitverfasser einer Reihe von Büchern, zahlreicher Aufsätze, insbesondere in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) und der Multimedia und Recht (MMR) im Verlag C.H. Beck. http://www.jura-seminare.de/index.php
RA Carsten Föhlisch
Autor Carsten Föhlisch ist Rechtsanwalt und Justiziar bei Trusted Shops und seit über neun Jahren ausschließlich mit Themen rund um den rechtssicheren Online-Shop befasst. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Lüneburg und regelmäßig als Referent für Verbraucherschutzrecht im E-Commerce tätig, u.a. für Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Wettbewerbszentrale e.V. (WBZ) und Universität Münster (ITM). Zahlreiche Veröffentlichungen zu rechtlichen Problemen des Onlinehandels.
Abmahnradar November 2024
Abmahnradar Juni & Juli 2024
Bundesrat will DSGVO-Abmahnungen komplett verbieten