Abwehrkosten bei unberechtigter Abmahnung sind erstattungsfähig

gegenstandswertNicht selten kommt es vor, dass eine erhaltene Abmahnung unberechtigt ist. Auch wenn diese vor Gericht keinen Erfolg hätte, verursacht sie hohe Abwehrkosten, insbesondere wenn ein Anwalt eingeschaltet wird. Nach dem AG Bonn hat nunmehr das OLG München entschieden, dass eine Erstattung der Abwehrkosten möglich ist. Außerdem äußerte sich das Gericht zur Eigenschaft des "geschäftlichen Verkehrs" im Markenrecht.

Lesen Sie mehr über die Ansicht des OLG München zu Erstattungsfähigkeit der Abwehrkosten.


Im vom OLG München entschiedenen Fall (Beschluss v. 08.01.2008, Az: 29 W 2738/07) begehrte der Antragssteller Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er den Ersatz von Rechtsanwaltskosten verfolgen wollte, die ihm aus einer unberechtigten markenrechtlichen Abmahnung erwachsen sind.

„Er wickelte in einem Zeitraum von ungefähr vier Jahren über die Internetplattform eBay insgesamt 25 Verkäufe ab. Im Sommer 2007 bot er mehrere gebrauchte Bekleidungsstücke, darunter zwei T-Shirts der Größe S mit dem Aufdruck X & Y, über eBay an. Die Ag., die Inhaberin mehrerer deutscher Wortmarken X. & Y. und X & Y unter anderem für Bekleidung ist, sah darin eine Verletzung ihrer Markenrechte, weil diese T-Shirts nicht von ihr stammten. Sie mahnte den Ast. mit Rechtsanwaltsschreiben vom 19. 7. 2007 ab, forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Übernahme der Abmahnkosten aus einem Gegenstandswert von 50000 Euro auf.“

Das OLG München hat seinem Antrag stattgegeben, da die beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Der Anspruch des Antragsstellers ergebe sich aus § 678 BGB. Danach ist derjenige, der ein Geschäft ohne Auftrag durchführt (hier war dies die Bamhnung), verpflichtet, dem Geschäftsherrn den aus der Geschäftsführung entstehenden Schaden zu ersetzen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht und der Geschäftsführer dies erkennen musste.

Geschäftsführung ohne Auftrag

Zunächst hat das OLG München klar gestellt, dass eine kennzeichenrechtliche Abmahnung, wie im vorliegenden Fall, eine Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) i.S.d. §§ 677 ff. BGB darstelle. Da ein berechtigt Abmahnender den Ersatz seiner Aufwendungen nach §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB beanspruchen könne, sei es folgerichtig, zu Gunsten des unberechtigt Abgemahnten die Regelung des § 678 BGB anzuwenden. Hiergegen könne nicht eingewendet werden, dass der zu Unrecht Abmahnende gar kein Geschäft des Abgemahnten führe:

„Ob eine Geschäftsführung aus der Sicht des Geschäftsherrn nützlich, überflüssig oder sogar schädlich war, ist ohne Einfluss auf ihre Eigenschaft als Geschäftsführung. Stellt sich eine Abmahnung als Führung eines fremden Geschäftes dar, weil der Abmahnende - zumindest auch - mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt, so ändert der Umstand, dass er sich in der rechtlichen Beurteilung des abgemahnten Verhaltens irrt und deshalb eine objektiv und aus der Sicht des Geschäftsherrn nicht sinnvolle Maßnahme ergriffen hat, daran nichts.“

Unerheblichkeit für den Kostenerstattungsanspruch

Für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten ist es unerheblich,

  • ob die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abwehr der unberechtigten Abmahnung ihrerseits eine GoA durch den Abgemahnten für den Abmahnenden darstellt, da § 678 BGB eine Anspruchsgrundlage für den Abgemahnten als Geschäftsherrn und nicht als Geschäftsführer darstellt;
  • dass die Kosten aus der Beauftragung eines Rechtsanwalts auf einem eigenen Entschluss des Abgemahnten beruhe:

„Vielmehr ist es eine im Rahmen des in der Folge des § 678 BGB anwendbaren Schadensersatzrechts zu entscheidende Frage, ob ein eigener Entschluss des Geschädigten der Liquidierung der darauf beruhenden Kosten entgegensteht. Grundsätzlich wird die Haftung des Schädigers durch Reaktionen des Geschädigten nicht ausgeschlossen; …
Der adäquate Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden ist nur dann nicht gegeben, wenn der Geschädigte in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache auslöst, die den Schaden erst endgültig herbeiführt; davon ist auszugehen, wenn für die Handlung des Geschädigten kein rechtfertigender Anlass bestand, jene durch das haftungsbegründende Ereignis nicht herausgefordert wurde und eine ungewöhnliche Reaktion auf das Ereignis darstellt …. Danach sind Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, wenn der Geschädigte die Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte…“

  • und ob entsprechende Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB bestehen:

„Zwar kann ein Fehlen des Verschuldens, das Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Geschäftsherrn ausschließt, auch dazu führen, dass kein Übernahmeverschulden des Geschäftsführers i.S. des § 678 BGB vorliegt ... Das rechtfertigt es jedoch nicht, andere Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1  BGB, die in § 678 BGB nicht vorgesehen sind, gleichwohl zu fordern und auf diese Weise den Geltungsbereich dieser vom Deliktsrecht unabhängigen Vorschrift in einer Weise zu reduzieren, dass ihr im Bereich der Abmahnungen kein eigenständiger Regelungsgehalt mehr zukäme.“

Abmahner hatte keinen Anspruch

Weiterhin hat das OLG München entschieden, dass die in Frage stehende Abmahnung unberechtigt war und deshalb mit dem Willen des Antragsstellers als Geschäftsherrn in Widerspruch stand. Voraussetzung für Ansprüche wegen Markenverletzung ist gem. § 14 Abs. 2 MarkenG, dass die Zeichenbenutzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt. Eine derartige Benutzung liegt vor, wenn sie im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich erfolgt:

„Bei der deshalb erforderlichen Abgrenzung ist einerseits zu berücksichtigen, dass im Interesse des Markenschutzes an das Merkmal des geschäftlichen Verkehrs keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Auf der anderen Seite wird der private Bereich nicht schon immer dann verlassen, wenn eine Ware einer Vielzahl von Personen zum Kauf angeboten wird. ... Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr liegt dagegen jedenfalls bei solchen Fallgestaltungen nahe, bei denen ein Anbieter wiederholt mit gleichartigen, insbesondere auch neuen Gegenständen handelt. Auch wenn ein Anbieter von ihm zum Kauf angebotene Gegenstände erst kurz zuvor erworben hat, spricht dies für eine entsprechende Gewinnerzielungsabsicht und damit für ein Handeln im geschäftlichen Verkehr. Schließlich deutet auch die Tatsache, dass der Anbieter ansonsten gewerblich tätig ist, auf eine geschäftliche Tätigkeit hin...“

Abgemahnter handelte nicht geschäftsmäßig

Danach könne vorliegend nicht von einer geschäftsmäßigen Tätigkeit des Antragstellers ausgegangen werden, so dass OLG München. Er verkaufte eines der T-Shirts mit der Aufschrift X & Y zum Preis von 2,55 Euro und das zweite zum Preis von 1 Euro. Die anderen in gleicher Zeit von ihm über eBay verkauften Gegenstände waren ein gebrauchter Wildledermantel der Größe 46 (erzielter Preis: 4,51 Euro), ein gebrauchter Jeans-Mantel gleicher Größe (8 Euro), ein Paar gebrauchte Turnschuhe der Größe 43 (10,50 Euro) und ein Paar gebrauchte Motorradstiefel gleicher Größe (21,50 Euro).

„Der Verkauf von verschiedenartigen und gebrauchten Gegenständen zu vergleichsweise geringen Preisen steht der Annahme des Handelns im geschäftlichen Verkehr entgegen. Der Umstand, dass die angebotenen T-Shirts, Schuhe und Mäntel jeweils von gleicher Größe waren, spricht ebenfalls für die Annahme eines privaten Gelegenheitsverkaufs eigener Bekleidungsgegenstände.“

Des Weiteren hätte die Antragsgegnerin den entgegenstehenden Willen des Antragsstellers erkennen müssen. Kennen müssen bedeutet entweder Kenntnis oder Unkenntnis in Folge von Fahrlässigkeit (vgl. § 122 Abs. 2 BGB). Gem. § 276 Abs. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

„Im Streitfall kann dahinstehen, welche Sorgfaltsmaßstäbe im Einzelnen auf Abmahnungen anzuwenden sind. Selbst wenn an die Annahme eines Übernahmeverschuldens hohe Anforderungen zu stellen sein sollten und eine Abmahnung trotz Zweifel an ihrer Berechtigung noch keine Sorgfaltsverletzung darstellen mag .., ist im Streitfall Fahrlässigkeit gegeben.“

Sorgfaltspflichtverletzung des Abmahnenden

Schließlich hat sich das Gericht mit einer vom Antragsgegner selbst angeführten Entscheidung des LG Frankfurt a.M. auseinandergesetzt und entschieden, dass, da die Antragsgegnerin den von ihr selbst als relevant angesehenen Maßstab nicht angewandt hat, ihr Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen sei.

In der in Frage stehenden Entscheidung des LG Frankfurt a.M. sei ausgeführt, dass für die Annahme eines Handelns im geschäftlichen Verkehr entscheidend sei, ob die Zeichenbenutzung im Rahmen einer planmäßigen, auf eine gewisse Dauer angelegten Verkaufstätigkeit erfolge, die unter Berücksichtigung der Gesamtumstände mit der Vornahme lediglich privater Gelegenheitsverkäufe nicht mehr zu erklären sei. Hierbei sei stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, insbesondere die Dauer der Verkaufstätigkeit, die Zahl der Verkaufs- bzw. Angebotshandlungen im fraglichen Zeitraum, Art und Herkunft der Waren sowie Anlass des Verkaufs und Präsentation der Waren.

„In dem von ihm zu entscheidenden Fall sah das LG Frankfurt a.M. bei 68 Verkäufen in einem Zeitraum von acht bis neun Monaten einen Grenzbereich eröffnet, in dem je nach den weiteren Begleitumständen sowohl noch eine private als auch schon eine geschäftliche Betätigung denkbar sei. Da die Bekl. jenes Verfahrens in einem Zeitraum von weniger als einer Woche sieben Kleidungsstücke in verschiedenen Größen - davon sechs als neu - angeboten habe, ging das LG Frankfurt a.M. von Handeln im geschäftlichen Verkehr aus.“

Auch bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergebe sich keine Geschäftstätigkeit des Antragsstellers. Er liegt mit 25 Verkäufen in vier Jahren unter der Schwelle, bei der das LG Frankfurt a.M. einen Grenzbereich eröffnet gesehen hat; er hat auch nur gebrauchte Gegenstände einheitlicher Größen angeboten.

Für den Fall, dass eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist, wurde im Jahr 2013 eine Erweiterung des § 8 Abs. 4 UWG vorgenommen. In diesen Fällen hat der rechtsmissbräuchlich Abgemahnte jetzt einen gesetzlich festgeschriebenen Anspruch auf Erstattung seiner eigenen Anwaltskosten. (mr)

Lesen Sie hier mehr zu Kosten von Abmahnungen

19.02.09