Als im Jahr 1997 die europäische Fernabsatzrichtlinie verabschiedet wurde, die dem deutschen Fernabsatzrecht zu Grunde liegt, wurde eine wichtige Ausnahme vom Widerrufsrecht vergessen. Unklar ist bis heute, ob angebrochenen Kosmetika vom Widerrufsrecht ausgenommen sind. Zwar gibt es Auffassungen, nach denen solche Waren „nicht für eine Rücksendung geeignet“ im Sinne des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB sein sollen. Das Gebot der engen Auslegung von Ausnahmetatbeständen von Verbraucherschutzbestimmungen verbietet es jedoch, solche Waren dieser Ausnahme zu unterstellen. Viele Händler fragen sich daher, ob Kunden tatsächlich angebrochene Cremedosen o.ä. gegen volle Kaufpreisrückerstattung zurückgeben können.

Das Landgericht Wuppertal (Urteil v. 22.8.2006, 14 O 87/06) hatte sich nun mit der Frage zu befassen, inwieweit der Händler für angebrochene Kosmetika Wertersatz verlangen kann.

Im entschiedenen Fall ging es um eine Abmahnung eines Kosmetikhändlers durch einen Wettbewerber. Beide handelten mit Kosmetik- und Hautpflegeartikeln unter anderem auf der Plattform eBay. Der Streit entbrannte an der Widerrufsbelehrung des abgemahnten Händlers. In dieser Belehrung hieß es unter anderem:

„Im Falle eines wirksamen Widerruf sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (zum Beispiel Zinsen) herauszugeben. Kann der Verbraucher die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, muss er insoweit gegebenenfalls Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist …“

Der abmahnende Händler hielt diese Belehrung für unzureichend und wettbewerbswidrig, weil der Verbraucher für den Fall der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme nicht ausreichend darauf hingewiesen werde, wie er die negativen Folgen einer aus Ingebrauchnahme entstehenden Ersatzpflicht vermeiden kann. Daher müsse in die Belehrung der Hinweis aufgenommen werden:

„Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt.“

Im Gerichtsverfahren ging es dann darum, ob die Widerrufsbelehrung ohne diesen Passus wettbewerbswidrig ist oder nicht. Das Landgericht Wuppertal gab dem abgemahnten Händler Recht und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Interessant ist die Begründung, warum dieser Passus nicht Bestandteil der Widerrufsbelehrung sein muss. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei nicht begründet, weil nach dem Warenangebot (Kosmetik-und Hautpflegeartikel) eine Belehrung über die Folgen der Ingebrauchnahme und Möglichkeiten, diese Folge zu vermeiden, überhaupt nicht erforderlich sei. Ein solcher Hinweis sei nicht erforderlich, wenn für das Warenangebot schon von der Begrifflichkeit her eine Ingebrauchnahme gar nicht in Frage komme.

„So liegt der Fall hier. Denn Kosmetik- und Hautpflegeartikel werden nicht wie eine Sache in Gebrauch genommen, sondern sie sind nach ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung überhaupt nicht mehr vorhanden. Das ist aber die typische Folge eines Verbrauchs. Einer Belehrung über die Folgen eines Verbrauchs bedarf es aber nach den genannten Vorschriften nicht, denn der gänzliche oder teilweise Verbrauch des empfangenen Gegenstandes hat immer zur Folge, dass Wertersatz zu leisten ist. Dies ist in § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausdrücklich so bestimmt. Dabei hat der Gesetzgeber, wie die weitere Regelung in § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB zeigt, zwischen Verbrauch einerseits und Ingebrauchnahme andererseits unterschieden. …

Im Übrigen beginnt mit dem Öffnen jedes Behältnisses, in dem sich Kosmetika oder Pflegemittel befinden, deren Verbrauch; im geschäftlichen Verkehr sind sie nach einer solchen Öffnung vor nicht mehr marktfähig und wie nicht mehr vorhanden (untergegangen) anzusehen.“

Das Landgericht Wuppertal hat damit entschieden, dass der Wertersatz bei Kosmetika mit deren Anbrechen stets 100% beträgt, so dass dem Kunden der Kaufpreis nicht zurückzuerstatten ist. Ob sich diese Auffassung durchsetzt, ist fraglich, da z.B. durch das zwei- bis dreimalige Testen eines Parfums durchaus noch einen Marktwert dieser Ware verbleibt, der zumindest anteilig zurückerstattet werden müsste. Man muss also jeweils pro Ware untersuchen, ob diese nach dem Öffnen völlig wertlos ist oder eben noch einen Restwert hat. Ein Restwert ist vorhanden, wenn die Ware noch gebraucht weiterveräußert oder als Vorführprodukt im Laden genutzt werden kann. In vielen Fällen wird der Wertersatz jedoch 100% betragen, z.B. bei aufgeschraubten Cremes, die weder verkauft noch sonstwie im Betrieb weiter genutzt werden können.

Im Ergebnis bedeutet der 100%ige Wertersatz, dass der Kunde den Vertrag widerruft, die Ware zurückschickt, aber trotzdem keine Kaufpreisrückerstattung erhält. Hier wird nun argumentiert, dann könne man die Ware ja auch gleich vom Widerrufsrecht ausnehmen. Dann hätte der Kunde von Anfang an Klarheit und könnte zumindest noch die angebrochene Ware behalten. Wie gesagt verbietet jedoch der Grundsatz der restriktiven Auslegung von Ausnahmevorschriften zum Verbraucherschutzrecht diese Sichtweise. Es dürfen keine neuen Ausnahmen eigenständig kreiert werden. Wird dies gemacht, sind die Ausnahmen im Verhältnis zum Verbraucher unwirksam, und es liegt ein Verstoß gegen Marktverhaltensregelungen vor (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG). … (cf)

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Bildnachweis: Michal Kalasek/shutterstock.com

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