Derzeit herrscht erhebliche Unsicherheit, wie über das Widerrufsrecht im Internethandel korrekt zu belehren ist. Selbst das Bundesjustizministerium scheint nicht in der Lage zu sein, die deutschen Gesetze richtig umzusetzen. Das Ministerium hat 2002 ein Muster für die Widerrufsbelehrung eingeführt, das auch bei Internetgeschäften gilt. Schon frühzeitig haben Rechtswissenschaftler derart viele Fehler in dem Muster gefunden, dass es für rechtwidrig und unwirksam erklärt wurde, was nun auch durch ein Urteil des LG Halle bestätigt wurde.
Hingegen meinen das LG Münster, das LG Flensburg und das LG Berlin, dass dieses Muster Gesetzesrang habe und wirksam eingesetzt werden kann. Leidtragende sind Online-Händler, die sich auf das Ministerium verlassen haben. Es ist einem Online-Händler schlichtweg nicht vermittelbar, dass er für die Verwendung eines amtlichen Musters des Bundesjustizministeriums abgemahnt werden kann. Obwohl die Fehler des Musters seit langem bekannt sind, blieb der Gesetzgeber bislang untätig.
Eine weitere Abmahnwelle wurde durch zwei Entscheidungen von Oberlandesgerichten ausgelöst, die bei eBay-Verkäufen generell von einem einmonatigen Widerrufsrecht ausgehen. Diese Frage ist jedoch alles andere als geklärt. Es gibt viele Gegenstimmen, die mit guter Begründung ein zweiwöchiges Widerrufsrecht auch bei eBay annehmen. Gleichwohl mahnen nun zahlreiche Trittbrettfahrer Händler ab, die mit vermeintlich falschen Fristen arbeiten. Um diesen Abmahnwellen eine Ende zu bereiten, wäre eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wünschenswert.
Die FDP-Fraktion hat nun in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung (BT-Drucks. 16/3387 v. 8. November 2006) Salz in die Wunden gestreut und fordert die Bundesregierung auf, der Verwirrung ein Ende zu bereiten. Dabei wird bemerkenswert detailliert auf die Schwächen der Muster-Belehrung, die Fragwürdigkeit der Monatsfrist bei eBay, die unerträglichen Abmahnrisiken und die Untätigkeit der Regierung eingegangen. Damit hat sich die Politik nach vielen Appellen, u.a. von Trusted Shops, nun endlich diesem Thema gewidmet. Bezeichnend ist etwa die Fragen: „Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die ggf. seit längerem bekannten Mängel der Musterwiderrufsbelehrung zu beseitigen?“ oder „Sieht die Bundesregierung einen sachlichen Grund dafür, dass … der Fernabsatz über Versteigerungsplattformen hinsichtlich der Widerrufsfrist mit einem Monat schlechter gestellt wird als der sonstige Internethandel, für den eine Widerrufsfrist von zwei Wochen gilt?“ Wir begrüßen diese Initiative der FDP ausdrücklich und hoffen, dass der Gesetzgeber endlich aktiv wird, damit wieder rechtssicherer Internethandel betrieben werden kann.
Nachstehend erhalten Sie die lesenswerte Bundestagsdrucksache im Volltext (Original abrufbar unter http://dip.bundestag.de/btd/16/033/1603387.pdf) Eine Antwort der Bundesregierung steht noch aus. Wir halten Sie hierzu auf dem Laufenden. (CF)
"Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/3387, 08.11.2006
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP
Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen
Gegenwärtig herrscht erhebliche Unsicherheit bei der Gestaltung des Widerrufs- rechts im Fernabsatz. Das Landgericht Halle hält die Musterwiderrufsbelehrung im Anhang der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV) für unwirksam (Urteil vom 13. Mai 2005, Az. 1 S 28/05). Auf Grund von Abweichungen zum Wortlaut der gesetzlichen Vorgaben in § 355 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) werde der Verbraucher im Unklaren gelassen, wann die Widerrufsfrist tatsächlich zu laufen beginne. Der Unternehmer könne sich daher nicht wirksam auf das Muster berufen. Zur Verunsicherung gewerblicher Anbieter von Waren auf Internet-Versteigerungsplattformen haben die Entscheidungen des Berliner Kammergerichts (KG, Beschluss vom 18. Juli 2006, Az. 5 W 156/06) und des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG Hamburg, Urteil vom 24. August 2006, Az. 3 U 103/06) geführt. Die Gerichte haben in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten die Auffassung vertreten, dass eine Widerrufsbelehrung, nach der bei einer Auktion über eine Internet-Versteigerungsplattform ein zweiwöchiges Widerrufsrecht eingeräumt wird, inhaltlich unrichtig sei, da der Verbraucher allenfalls nach Vertragsabschluss über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt werde. Die Widerrufsfrist verlängere sich daher regelmäßig auf einen Monat. Die zitierten Entscheidungen sorgen für erhebliche Verwirrung. Sie stellen für die betroffenen Unternehmer ein hohes Risiko dar, weil Abmahnungen drohen und, sollten sich die Entscheidungen als richtig erweisen, die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wird mit der Folge, dass ein Widerruf auch noch nach Monaten oder Jahren möglich wäre, wenn die entsprechende Belehrung nicht nachgeholt wird. In Anbetracht dieser Umstände erscheint eine Klärung der Frage, in welcher Form Unternehmen ihre Kunden vom bestehenden Widerrufsrecht unterrichten müssen und welche Konsequenzen eine verspätete oder unterlassene Widerrufsbelehrung nach sich zieht, geboten. Wir fragen die Bundesregierung:
Berlin, den 8. November 2006
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion"
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