Unser Kommentar zu Abmahnungen und Klagen des Media Markts

carsten_foehlisch2.jpgVon Carsten Föhlisch. Man mag darüber streiten, ob die Methoden von Media-Markt „bösartig“ sind. Herr Meck von der FAZ fand es jedenfalls ein „besonders perfides Vorgehen“, als ich ihm von dem Händler erzählte, dessen Internet-Angebot gleich Samstag Morgen abgemahnt wurde, nachdem am Abend zuvor ein PC-Spiel auf den Index gesetzt wurde. Oder von den zahlreichen Abmahnungen, wenn sich eine UVP ändert, der Großhändler aber noch das veraltete Datenblatt bereit hält - manchmal sogar der gleiche Großhändler, bei dem auch Media-Markt Waren bezieht. Und dass Preisspaltungen bei Versandkosten in Shop und Preissuchmaschine ausgerechnet in den Stunden aufgespürt werden, in denen diese Daten aktualisiert werden, ist schon ein merkwürdiger Zufall.

Kleingewerbetreibende werden dreimal hintereinander mit astronomischen Streitwerten wegen Bagatellen oder höchstrichterlich nicht geklärter Verstöße durch alle Instanzen abgemahnt, bis ihnen die Puste ausgeht. Und dabei geht es nicht um die Nennung von € 6,90 Versandkosten statt € 80 für Waschmaschinen, sondern um den Hinweis auf enthaltene MWSt und den Link auf die Versandkostentabelle, die nur in der Kopfzeile und nicht neben jedem Preis stehen. Hierzu ist das letzte Wort vom BGH noch nicht gesprochen. Ein solches Vorgehen hat nichts mit Verbraucher- oder Wettbewerberschutz zu tun und legt auch nicht den Schluss nahe, man wolle seine Energien auf andere Dinge konzentrieren. Andersrum: die abgemahnten Händler wollen ihre Energie auf das Verkaufen und die Verbesserung Ihres Shops konzentrieren, nicht auf teure Wettbewerbsprozesse.

Natürlich ist es legitim, die Konkurrenz zu zwingen, alle Spielregeln einzuhalten. Aber das können auch Verbraucher- und Wettbewerbszentralen für rund 200 € tun, woanders und hier. Warum können Anwälte in Deutschland nur von Abmahnungen leben und Konkurrenten im Handumdrehen wirtschaftlich ruinieren? Und das in Zeiten, wo der Online-Handel gefördert werden soll, aber nicht einmal das Bundesjustizministerium eine gesetzeskonforme Muster-Widerrufsbelehrung erstellen kann. Unter Anwälten kursiert der Spruch „Wer nichts findet, zahlt die nächste Runde.“ Es gibt kaum eine Website, die nicht irgendwie angreifbar ist. Das liegt aber meist daran, dass die Vorschriften unklar und verworren sind und zwei verschiedene Gerichte die gleichen Sachverhalte völlig unterschiedlich urteilen. Im Internet ist man auf dem Präsentierteller, und der Konkurrent kann sich das passende Gericht aussuchen. Anders als wenn im Elektronikmarkt das indizierte Spiel noch am nächsten Tag hinten in irgendeinem Regal liegt, bei Espressobohnen der Grundpreis auf dem Etikett fehlt oder das Schild mit der Energieeffizienzklasse hinter den Kühlschrank gefallen ist.

Die Abmahnwellen zeigen doch eigentlich, dass der Online-Handel mittlerweile so gut läuft, dass der stationäre Handel kalte Füße bekommt und zu rabiaten Methoden greifen muss. Es wird Zeit, dass die Politik dem florierenden Wirtschaftszweig Online-Handel die nötige Aufmerksamkeit widmet, die er verdient. Wir brauchen bessere und vor allem klarere Spielregeln. Der Gesetzgeber sollte einen Gang zurückschalten und das Normendickicht entrümpeln. Und wenn das nicht geht, muss er wenigstens brauchbare amtliche Muster zur Einhaltung der Gesetze zur Verfügung stellen. Das wäre der beste Schutz vor dem latent drohenden Ruin durch die nächste Abmahnwelle. Und auch vor einer Marktbereinigung durch die Finanzstärksten zulasten des Wettbewerbs und der Verbraucher. (cf)

08.11.06