OLG Karlsruhe: Kostenpflichtige Versandoptionen nur mit Opt-in zulässig

Kostenpflichtige Zusatzleistungen, die über die Hauptleistung hinausgehen, dürfen im Online-Shop gem. § 312a Abs. 3 BGB nicht vorangekreuzt sein. Das OLG Karlsruhe (Urt. v. 26.3.2026 – 14 U 134/23) entschied nun, dass die Voreinstellung eines kostenpflichtigen Expressversands im Wege eines Opt-outs unzulässig sei.

Die Beklagte betreibt einen Onlineshop und bot bei der Bestellung neben dem Standardversand auch einen Expressversand an. Für diesen wurde neben den Versandkosten ein Zuschlag von 1 Euro erhoben. Der Standardversand wurde ohne diesen Zuschlag angeboten. Der kostenpflichtige Expressversand war bereits vorausgewählt und musste aktiv abgewählt werden, wenn der Verbraucher ihn nicht wünschte. Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), sah hierin einen Verstoß gegen § 312a Abs. 3 BGB und nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Das LG Freiburg im Breisgau (Urt. v. 16.6.2023 – 12 O 57/22 KfH) entschied, dass es unzulässig sei, einen Expressversand, für den ein Expresszuschlag erhoben wird, mittels Opt-out voreinzustellen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Diese blieb vor dem OLG Karlsruhe nun ohne Erfolg. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Der Opt-out eines kostenpflichtigen Expressversands sei nach § 312a Abs. 3 BGB unzulässig.

Rechtlicher Hintergrund

Mit Umsetzung der VRRL wurde § 312a BGB Abs. 3 ins Gesetz aufgenommen. Vereinbarungen, die eine über die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers vorsehen, müssen nach § 312a Abs. 3 BGB ausdrücklich geschlossen werden. Im E-Commerce dürfen sie nicht durch eine Voreinstellung herbeigeführt werden. Der Verbraucher soll vor untergeschobenen Zusatzleistungen geschützt werden und vertraglich nur verpflichtet werden, wenn er ausdrücklich zustimmt.

(3) Eine Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet ist, kann ein Unternehmer mit einem Verbraucher nur ausdrücklich treffen. Schließen der Unternehmer und der Verbraucher einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, wird eine solche Vereinbarung nur Vertragsbestandteil, wenn der Unternehmer die Vereinbarung nicht durch eine Voreinstellung herbeiführt.

§ 312a BGB ist eine Marktverhaltensregelung

Zunächst stellte das Gericht fest, dass es sich bei § 312a BGB um eine Marktverhaltensregelung handle. Die Vorschrift sei zumindest auch dazu bestimmt, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, insbesondere der Verbraucher, zu regeln.

Eine Regelung bezweckt den Schutz der Interessen der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie deren Informationsinteresse und Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit in Bezug auf die Marktteilnahme schützt oder wenn sie dem Schutz von Interessen, Rechten und Rechtsgütern von Verbrauchern und sonstigen Markteilnehmern dient […].

Sinn und Zweck von § 312a Abs. 3 BGB ist es, den Verbraucher davor zu schützen, sich vertraglich in einem größeren Umfang zu verpflichten, als er es tatsächlich will (vgl. BTDrs. 17/12637, S. 53, 1. Spalte, 2. Absatz). Die Norm dient dem Schutz der Privatautonomie des Verbrauchers und seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit […].

Vertrag muss noch nicht geschlossen sein

Voraussetzung für die Anwendung des § 312a Abs. 3 BGB sei nicht, dass bereits ein Vertrag über die Hauptleistung geschlossen wurde. Erfasst werden auch solche Vereinbarungen, die zeitgleich mit dem eigentlichen Vertrag abgeschlossen werden. Ansonsten liefe der Anwendungsbereich weitgehend leer. Der Wortlaut sei daher etwas missverständlich, so das Gericht.

Die Angebotsgestaltung der Beklagten unterfällt § 312a Abs. 3 BGB. Die Vorschrift setzt entgegen des missverständlichen Wortlauts „vereinbartes Entgelt für die Hauptleistung“ nicht voraus, dass die Parteien bereits einen Vertrag über die Hauptleistung geschlossen haben. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift. § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB setzt Art. 22 der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2011 über die Rechte der Verbraucher – Abl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64 ff. – um. Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Bevor der Verbraucher durch den Vertrag oder das Angebot gebunden ist, hat der Unternehmer die ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers zu jeder Extrazahlung einzuholen, die über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistungspflicht des Unternehmers hinausgeht.“

Bei wortlautgetreuer Auslegung liefe der Anwendungsbereich der Vorschrift andernfalls weitgehend leer. Die Norm würde in diesem Fall nur Zusatzkosten erfassen, die nach Vertragsschluss vereinbart werden sollen. Das stellt aber nicht den Regelfall der Angebots- und Vertragsgestaltung insbesondere im Fernabsatz dar, da solche Vereinbarungen – wie im Falle der Angebotsgestaltung der Beklagten – entweder vor oder zugleich mit dem Abschluss des eigentlichen Vertrags getroffen werden (vgl. BeckOK BGB/Martens, a. a. O., § 312a Rn. 19). Es genügt daher, dass der Preis für die Hauptleistung feststeht, falls sich der Verbraucher für den Vertragsschluss entscheidet (vgl. Schirmbacher, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 312a BGB Rn. 21).

Expressversand ist Zusatzleistung

Von § 312a Abs. 3 BGB würden alle Zusatzleistungen erfasst, die für die Erbringung der Hauptleistung nicht zwingend erforderlich seien, sondern diese ergänzen. Davon erfasst werde auch der Expressversand, der für die Erbringung der vertraglichen Hauptleistung nicht erforderlich sei. Die Beklagte bewerbe den Expressversand als Zusatzleistung und hebe hervor, dass der Expressversand gegenüber dem Standardversand den Vorteil des schnelleren Erhalts der bestellten Ware am nächsten Werktag hat.

§ 312a Abs. 3 BGB greift nur ein, wenn ein zusätzliches Entgelt vorliegt, das über das für die Hauptleistung vereinbarte Entgelt hinausgeht. Im Lichte des bereits zitierten Wortlauts von Art. 22 Abs. 1 der RL 2011/83/EU, der den Begriff der „Extrazahlung“ verwendet, ist der Terminus der „über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehenden Zahlung“ weit auszulegen […]. Erfasst werden alle Zusatzleistungen, die für die Erbringung der Hauptleistung nicht zwingend erforderlich sind, sondern diese ergänzen und das Leistungsspektrum des Unternehmers erweitern (BeckOGK/Busch, a. a. O., § 312a Rn. 15; Münchener Kommentar/Wendehorst, a. a. O., § 312a Rn. 59). Abzugrenzen sind solche Zusatzleistungen von Wahlmöglichkeiten des Verbrauchers, mithilfe derer die vertragliche Hauptleistung überhaupt erst konkretisiert wird (BeckOK BGB/Martens, a. a. O., § 312a Rn. 20; Schirmbacher, in: Spindler/Schuster, a. a. O., BGB, § 312a BGB Rn. 22). […]

Nach diesen Maßstäben stellt der Aufpreis für die Expresslieferung im Streitfall ein zusätzliches Entgelt dar (ebenso für Expressversandkosten im Internethandel: BeckOGK/Busch, a. a. O., § 312a Rn. 15; BeckOK BGB/Martens, a. a. O., § 312a Rn. 21; BeckOK ITRecht/Föhlisch, BGB, 12. Ed., Stand: 01.01.2024, § 312a BGB Rn. 3; Münchener Kommentar/Wendehorst, a. a. O., § 312a Rn. 59; Junker/Seiter, in: jurisPK-BGB, a. a. O., § 312a Rn. 32; Schirmbacher, in: Spindler/Schuster, a. a. O., § 312a BGB Rn. 15; ähnlich Staudinger/Thüsing, a. a. O., § 312a Rn. 46: zusätzliche Lieferkosten).

Der Expressversand ist vorliegend nicht Teil der Hauptleistung. Er ist nicht zwingend für die Erbringung der vertraglichen Hauptleistung – Übergabe und Übereignung der Kaufsache und Lieferung an den Käufer – erforderlich, sondern tritt hinzu. Die Beklagte bewirbt den Expressversand als Zusatzleistung und hebt hervor, dass der Expressversand gegenüber dem Standardversand den Vorteil des schnelleren Erhalts der bestellten Ware am nächsten Werktag hat. Sie erhebt – nur für diesen Vorteil – ein höheres Entgelt von einem Euro gegenüber dem Standardversand und bezeichnet dieses Entgelt als Expresszuschlag. Der von der Beklagten gemäß § 433 Abs. 1 BGB geschuldete Leistungserfolg kann zudem bei den Produkten, welche der Kläger mit seinem Antrag beispielhaft in Bezug nimmt, ebenso ohne Expressversand erfolgen.

Keine Konkretisierung der Hauptleistung

Ebenso wenig stelle der Expressversand eine Konkretisierung der Hauptleistung dar. Er könne hinweggedacht werden, ohne dass die übrigen Leistungen zu unbestimmt werden.

Ebenso wenig stellt der Expressversand eine Konkretisierung der Hauptleistung der Beklagten dar, ohne die der Inhalt des Vertrages unbestimmt wäre und schon nicht von einer Hauptleistung die Rede sein könnte. Der Expressversand kann hinweggedacht werden und das Leistungsspektrum der Beklagten wäre immer noch bestimmt: Übereignung und Übergabe der Kaufsache durch Lieferung an den Käufer mittels üblicher Versandmethoden.

Aus Verbrauchersicht eine Zusatzleistung

Auch aus Verbrauchersicht handle es sich bei dem vorausgewählten Expressversand einschließlich des Expresszuschlags um ein weiteres Entgelt gegenüber dem Standardversand.

Die Beklagte bietet die Expresslieferung bei den als expressfähig bezeichneten Artikeln nicht – wie sie einwendet – als ausschließliche Versandoption an und weist dafür auch kein einheitliches Entgelt aus. Sie bewirbt die Ware in der Angebotsübersicht mit einem vorab festgelegten Preis – beispielhaft für den Kugelgrill – von 111,99 €. Klickt der Kunde auf den Warenkorb, ist der Expressversand nicht die einzige Versandart. Aufgeführt wird auch der Standardversand. Der Expressversand ist lediglich von der Beklagten voreingestellt. Der Kunde muss den Expressversand aktiv zu Gunsten des Standardversandes abwählen. Daneben findet sich der Hinweis „Expresszuschlag“ (Hervorhebung durch Senat). Der Angebotspreis bleibt im Beispielsfall auch bei der Voreinstellung „Expressversand“ trotz eines dafür erhobenen „Zuschlags“ von einem Euro bei 111,99 €. Erst wenn der Kunde im Beispielsfall in der Bestellübersicht angekommen ist, addiert die Beklagte für den voreingestellten Expressversand ein weiteres Entgelt – den „Expresszuschlag“ – von einem Euro hinzu. Zum für den Kugelgrill ausgewiesenen Produktpreis von 111,99 € kommt daher ein Aufpreis hinzu. Diese Angebotsgestaltung versteht der durchschnittlich informierte und aufmerksame Verbraucher als Hinweis auf ein weiteres Entgelt gegenüber dem ebenfalls aufgeführten Standardversand der Ware.

Opt-out über Zusatzentgelt unzulässig

Vorliegend sei der Expressversand im Warenkorb bereits vorausgewählt gewesen. Der Verbraucher musste die Zusatzleistung aktiv abwählen. Ein solcher Opt-out sei nach § 312a Abs. 3 BGB unzulässig.

Gemäß § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB kann eine Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet ist, nur ausdrücklich getroffen werden. Schließen der Unternehmer und der Verbraucher einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, wird eine solche Vereinbarung nur Vertragsbestandteil, wenn der Unternehmer die Vereinbarung nicht durch eine Voreinstellung herbeiführt. Die ausdrückliche Vereinbarung hierüber ist daher unwirksam, wenn der Verbraucher seine Vertragserklärung abgibt, ohne eine solche Voreinstellung des Unternehmers zu ändern (BT-Drs. 17/12637, S. 53, 2. Spalte, 2. Absatz), indem er beispielsweise eine vorausgewählte Nebenleistung durch Anklicken eines zuvor automatisch ausgewählten Häkchens wieder abwählt (vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 53, 2. Spalte, 3. Absatz). Ein solches sogenanntes „opt-out“, das ein aktives Tätigwerden des Verbrauchers verlangt, ist unzulässig […]. Die Vereinbarung über das zusätzliche Entgelt wird in einem solchen Fall nur dann Vertragsbestandteil, wenn der Verbraucher der Regelung auf andere Weise – beispielsweise durch ausdrückliche E-Mail – zustimmt (vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 53, 2. Spalte, 3. Absatz).

Nach dem von dem Kläger monierten Angebot der Beklagten im elektronischen Rechtsverkehr im Sinne von § 312i Abs. 1 BGB ist der Expressversand mit einem Aufpreis von einem Euro in einem Kästchen sowohl im Warenkorb als auch in der anschließenden Bestellübersicht vorausgewählt. Der Verbraucher muss das Häkchen aktiv anklicken und abwählen, damit die Zusatzleistung entfällt. Diese „Opt-Out“-Gestaltung widerspricht § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB.

Sonstige Gestaltung des Angebots unerheblich

Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass ihr Vorgehen transparent sei und dem Verbraucher nicht unbemerkt ein Zusatzentgelt untergeschoben werde. Dieser Argumentation folgte das Gericht ebenso wenig wie die Vorinstanz. Es komme weder auf ein Überraschungsmoment beim Verbraucher noch auf die übrige Angebotsgestaltung an.

Auf ein Überraschungs- oder Überrumpelungsmoment beim Verbraucher kommt es nach dem Wortlaut von § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB gar nicht an. Die (In) Transparenz einer Angebotsgestaltung ist danach unerheblich. Die Gesetzesbegründung zu§ 312a Abs. 3 Satz 2 BGB lässt ebenfalls keinen Raum für die Annahme der Beklagten, erforderlich sei eine Angebotsgestaltung, die objektiv geeignet sei, den Verbraucher zu überraschen oder zu überrumpeln. In der Bundestagsdrucksache heißt es nur: „Kommt es zum Vertragsabschluss, ist der Verbraucher nachträglich dann nicht selten überrascht oder fühlt sich davon überrumpelt, dass er sich über die Bezahlung der Hauptleistung hinaus zu der Bezahlung weiterer Nebenleistungen verpflichtet hat.“ (BT-Drs. 17/1712637, S. 3, 1. Spalte, 2. Absatz). Der Gesetzgeber beschrieb damit lediglich, wie der Verbraucher solch eine Vertragsgestaltung oder ihr Ergebnis empfinden könnte. Eine objektive Überrumpelungs- oder Überraschungssituation des Verbrauchers hat der Gesetzgeber damit aber nicht zum (allenfalls ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmal erhoben. Ebenso wenig sehen Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 der RL 2011/83/EU oder deren Erwägungsgründe eine solche Begrenzung vor. Die Richtlinie bezweckt gemäß Art. 1, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen. § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB kann daher auch im Wege richtlinienkonformer Auslegung keinerlei Beschränkungen in diese Richtung entnommen werden. Eine teleologische Reduktion von § 312a Abs. 3 BGB in diesem Sinne kommt nach dem eben Ausgeführten zum Inhalt und zur Zweckrichtung der RL 2011/83/EU ebenso wenig in Betracht. Denn nach dem Rechtsstandpunkt der Beklagten würde § 312a Abs. 3 Satz 2 BGB so sein Ziel des Verbraucherschutzes verfehlen. Die Vorschrift soll gerade verhindern, dass der Unternehmer das Erklärungsbewusstsein des Verbrauchers durch „opt-out“-Klauseln manipuliert und dem Verbraucher eine Erklärung unterschiebt, die dieser womöglich dann nicht mehr ändert, weil der Bestellvorgang schon weit fortgeschritten ist (vgl. Rodi, EWiR 2023, 722, 723). Die Beachtlichkeit des Einwands der Beklagten liefe ebenso der erklärten Absicht des Gesetzgebers zuwider, die Verwendung von Voreinstellungen für den Unternehmer unattraktiv zu machen (vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 53, 2. Spalte, 2. Absatz) und konterkarierte den Zweck der Richtlinie, ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen.

 

03.07.24