OLG Brandenburg: Kein Ausschluss des Widerrufsrecht wegen Personalisierung bei vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers greift nicht, wenn er Ware kauft, die speziell nach seinen individuellen Wünschen hergestellt wurde. Das OLG Brandenburg (Urt. v. 16.7.2024 – 7 U 133/23) entschied nun, dass es sich nicht um eine Personalisierung handle, wenn die Ware aus vorgefertigten Serienbauteilen zusammengesetzt werde und die Auswahl des Kunden begrenzt sei.

Der Kläger erwarb ein Apple Macbook zum Preis von 7.049 € am 30.12.2020 über eBay von der Beklagten. Auf der Angebotsseite hatte er eine persönliche Konfiguration vorgenommen. Hierzu konnte hinsichtlich des Prozessors, des Arbeitsspeichers, der Festplatte und der Grafikkarte in einem Menü ausgewählt werden. Die Auswahl war jeweils mittels eines Drop-Down-Menüs möglich. Die Konstruktion der Macbooks durch den Hersteller Apple ist so gestaltet, dass die einzelnen Komponenten mit der Hauptplatine fest verlötet und nicht ohne Beschädigung wieder voneinander getrennt werden können. Der Kläger wählte von allen wählbaren Komponenten die leistungsstärkste Variante. Nach Erhalt des Gerätes am 23.1.2021 sandte der Kläger es an die Beklagte zurück. Dort ging es Ende Januar 2021 wieder ein. Per E-Mail vom 8.2.2021 teilte er der Beklagten zudem mit, dass er den Kauf des Gerätes widerrufe. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung des Vertrags.

Das LG Potsdam (Urt. v. 1.9.2023 – 8 O 58/21) hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage der Beklagten festgestellt, dass der Kläger sich mit der Rücknahme des Gerätes seit dem 9.3.2021 in Annahmeverzug befinde. Dem Kläger stehe kein Widerrufsrecht zu, da es sich bei dem bestellten Notebook um eine Ware handele, die nicht vorgefertigt und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich sei. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung könne das Widerrufsrecht dennoch gegeben sein, wenn die Anfertigung aus verschiedenen Komponenten rückgängig gemacht werden und die Komponenten sodann problemlos veräußert werden könnten. Dies sei aber nicht der Fall.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers.

Das OLG Brandenburg verurteilte die Beklagte nun zur Rückzahlung und entschied, dass die Ausnahme vom Widerrufsrecht für personalisierte Waren nicht gelte, wenn die Ware aus vorgefertigten Serienbauteilen zusammengesetzt werde und die Auswahl des Kunden begrenzt sei.

Ausübung des Widerrufs nur durch Rücksendung?

Seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 2014 muss der Verbraucher nach § 355 Abs. 1 S. 2, 3 BGG den Widerruf ausdrücklich erklären. Eine kommentarlose Rücksendung genügt nicht. Der Kläger hatte hier das noch versiegelte Notebook zurückgesendet, ein von der Beklagten zur Verfügung gestelltes elektronisches Widerrufsformular jedoch erst später ausgefüllt. Das Gericht ließ allerdings bereits die kommentarlose Rücksendung genügen. Der Kläger habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er das Notebook nicht behalten möchte. Die reine Rücksendung könne als Widerruf angesehen werden, wenn sich keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung ergeben.

Das Widerrufsrecht des Klägers ist rechtzeitig ausgeübt worden. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, § 312g Abs. 1, § 355 Abs. 2 BGB. Sie beginnt nach § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit a) BGB bei Fernabsatzverträgen mit dem Zugang der Ware. Der Widerruf wurde vom Kläger durch die Rücksendung der Ware Ende Januar 2021 erklärt. Der Kläger sandte das noch originalverpackte Gerät versichert (vgl. Bl. 64) an die Beklagte zurück. Auch die Rücksendung des Gerätes kann als Widerruf angesehen werden, wenn sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Rücksendung auf anderen Umständen beruht, etwa einer Geltendmachung von Mängeln unter Aufrechterhaltung des Vertrages. Mit der Rücksendung bringt der Kunde zum Ausdruck, dass er die bestellte Ware nicht behalten möchte. Der Kläger hat hier das Notebook in der noch versiegelten Originalverpackung versichert zurückgesandt, wie sich aus der von den Parteien nicht angegriffenen Feststellung des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen … ausweislich S. 3 des Gutachtens vom 25.06.2022 ergibt. Diese Rücksendung ist für den Empfänger erkennbar als Ausübung des Widerrufsrechts anzusehen. Zusätzlich erklärte der Kläger am 08.02.2021 den Widerruf per E-Mail über ein von der Beklagten zu diesem Zweck zur Verfügung gestelltes elektronisches Widerrufsformular (Anl B8, Bl 64 LG).

Kein Ausschluss des Widerrufsrechts

Das Widerrufsrecht des Klägers sei vorliegend nicht nach § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen gewesen. Danach besteht das Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Durch diese Ausnahme solle der Unternehmer davor geschützt werden, die Ware nach Widerruf nicht mehr anderweitig absetzen zu können. Ausnahmen vom Widerrufsrecht seien jedoch eng auszulegen.

Das Widerrufsrecht des Klägers ist nicht gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Das Widerrufsrecht besteht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.

Die Regelung setzt Art. 16 lit c der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher (ABl. L 2011/304, S. 64) um. Nach Nr. 49 der einleitenden Erwägungen zur Richtlinie sollen unter anderem für Fernabsatzverträge bestimmte Ausnahmen vom Widerrufsrecht gelten, die nach Kundenspezifikationen angefertigt oder auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind, beispielsweise nach Maß gefertigte Vorhänge. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers begründet ein erhöhtes Absatzrisiko des Verkäufers. Der Verbraucher kann den geschlossenen Vertrag ohne Begründung widerrufen, unabhängig davon, ob der Verkäufer die vertraglichen Pflichten erfüllt. Der Verkäufer muss also beim Fernabsatzgeschäft damit rechnen, dass der Kunde seinen Kaufentschluss ändert oder die Ware zurückgibt, weil er sie bei einem anderen Anbieter günstiger gesehen hat. Er ist dann darauf angewiesen, die zurückgegebene Ware anderweitig zu veräußern. Dieses Risiko ist dem Verkäufer nicht mehr zuzumuten, wenn die Ware infolge etwa einer Maßfertigung nach Angaben des Käufers nicht ohne weiteres erneut verkauft werden kann (BGH, Urteil vom 19.03.2003 – VIII ZR 295/01, BGHZ 154, 239, juris Rn. 13; Staudinger/Thüsing (2019) BGB § 312g Rn. 22). Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht sind eng auszulegen. Der Schutzzweck der Vorschrift erfasst nur die Fälle, in denen das Absatzrisiko wegen der Fertigung nach Angaben des Käufers erhöht ist.

Vorgegebene Auswahlmöglichkeiten

Die vom Verkäufer vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten stellen keine Individualisierung durch den Käufer dar, so das Gericht. Vielmehr werde das Notebook vom Hersteller bereits in verschiedenen Ausstattungen produziert und angeboten. Ob das Notebook erst auf die konkrete Bestellung hin produziert worden ist, sei nicht entscheidend. Das OLG Brandenburg verwies hierbei auch auf die Rspr. des BGH aus dem Jahr 2003, die damit auch nach der aktuellen Rechtslage Anwendung finde. Vielmehr komme es darauf an, dass es aus vorgefertigten Serienbauteilen zusammengesetzt werde und die Auswahl des Kunden begrenzt sei.

Das vom Kläger bestellte Notebook unterliegt nicht dem Ausschluss des Widerrufsrechts. Es stellt ein Produkt dar, das nicht nach individueller Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher hergestellt wird. Vielmehr wird es vom Hersteller in verschiedenen Ausstattungen produziert und Angeboten, die vom Käufer bei der Bestellung aus den vom Verkäufer vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten gewählt werden können. Ob das Notebook, wie die Beklagte vorträgt, tatsächlich von Apple auf die konkrete Bestellung des Klägers bzw. der Zwischenhändlerin, von der die Beklagte es bezogen hat, gefertigt wurde, kann dabei dahinstehen. Denn es ist nicht maßgeblich, ob die Produktion der bestellten Ware im Voraus erfolgt oder ob sie zur Vermeidung von Lagerkosten erst entsprechend der Nachfrage vorgenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 19.03.2003 – VIII ZR 295/01, BGHZ 153, 239, juris Rn. 13). Anderenfalls könnte mit einer nachfrageorientierten Produktion das Widerrufsrecht in bestimmten Fällen eingeschränkt werden.

Entscheidens ist vielmehr, dass das Notebook wird nicht nach individueller Auswahl durch den Verbraucher, sondern serienmäßig in bestimmter Bauart hergestellt und hinsichtlich der vier Komponenten Prozessor, Arbeitsspeicher, Grafikkarte und Festplatte gefertigt wird. Die Auswahl des Kunden aus den vom Verkäufer vorgegebenen Möglichkeiten stellt keine vom Kunden für die Produktion vorgenommene Bestimmung im Sinn der Vorschrift dar, weil es an einer individuellen, vom Verkäufer erst mit der Bestellung zu berücksichtigenden Vorgabe fehlt (vgl. OLG München, Urteil vom 18.06.2020 – 31 U 7119/19, NJW-RR 2020, 1248, juris Rn. 67; LG Düsseldorf, Urteil vom 14.09.2016 – 12 O 357/15, juris; MüKOBGB/Wendehorst, § 312g Rn. 17). Vielmehr stellt der Verkäufer verschiedene Varianten des angebotenen Notebooks zur Verfügung, von denen der Käufer gerade nicht abweichen kann. Der Verkäufer kann sich mithin – anders als bei einer Bestellung etwa nach konkreten Maßen – von vornherein die zu liefernde Sache beschaffen und auf Bestellung ausliefern. Da die Auswahlmöglichkeiten für die Käufer vorgegeben und begrenzt sind, ist auch das Absatzrisiko grundsätzlich geringer, als dies bei maßgefertigten Textilien oder Möbelstücken der Fall ist. Jeder Kunde ist in die Lage versetzt, aus den vorgegebenen Varianten auszuwählen, so dass aus der Zahl von Auswahlmöglichkeiten grundsätzlich auch wiederholt dieselbe Bestellung aufgegeben werden wird.

Weder Spezifikation noch Personalisierung

Dass es sich bei dem zusammengestellten Notebook um eine wenig nachgefragte Kombination handle, sei nicht entscheidend, da die entsprechende Konfiguration ermöglicht werde. Ebenso liege die vom Gericht vertretene Rechtsauffassung auf einer Linie mit der Auslegung der Europäischen Kommission. Danach würden keine Waren erfasst, die Verbraucher einfach nur aus angebotenen Standardoptionen zusammenstellen. Dabei handle es sich weder um eine Personalisierung noch um eine Spezifikation. Auf die Frage der Zerlegbarkeit und der Rückbaukosten wie in dem vom BGH 2003 entschiedenen Fall komme es hier gar nicht an, da das Notebook schon nicht nach individuellen Vorgaben des Verbrauchers gefertigt wurde.

Der Umstand, dass das hier bestellte Notebook von der Beklagten nur einmal verkauft wurde und dass es nach der vom Landgericht vorgenommenen Beweisaufnahme insgesamt selten nachgefragt ist, weil die Kombination der jeweils leistungsstärksten Komponenten aus Sicht der Konsumenten selten benötigt wird und angesichts des hohen Preises für das Notebook eher konstengünstigere Alternativen mit gleicher Leistung gesucht würden, steht dem nicht entgegen. Aus Sicht des Senats ist es die vom Verkäufer und vom Hersteller vorgegebene Auswahl, die auch die Möglichkeit der Konfiguration des bestellten Notebooks ermöglicht. Handelt es sich bei bestimmten Konfigurationen tatsächlich um „Ladenhüter“, so ist dies das Risiko, dass der Verkäufer bei Geräten, die in Serie hergestellt werden, regelmäßig trägt und dass sich hier aus den von ihm eröffneten Kombinationsmöglichkeiten ergibt.

Die vom Senat vertretene Rechtsauffassung steht in Einklang zu den von der Europäischen Kommission veröffentlichten Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte der Verbraucher (ABl C 2021/525, 1), veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union C vom 29.12.2021 zu Art. 16 der RL 2011/83/EU. Nach Ziffer 5.11.2 der Leitlinien ist Art. 16 der Richtlinie, da sie eine Ausnahme von der allgemeineren Bestimmung ist, die den Verbrauchern ein Widerrufsrecht einräumt, eng auszulegen. Erfasst sein sollen nach den Leitlinien Waren nach Spezifikationen des Verbrauchers, wie Maße für Möbel oder Abmessungen eines Stoffes, ferner Waren, für die der Verbraucher besondere, auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Eigenschaften erbeten hat, wie beispielsweise die spezielle Bauart eines Pkw, die auf Bestellung angefertigt wird oder eine besondere Komponente für einen Computer, die für den speziellen Auftrag eigens beschafft werden muss und die nicht Bestandteil des allgemeinen Angebots war, das vom Unternehmer öffentlich unterbreitet wurde“(ABl. C 2021/525, 66). Die Leitlinien führen zusammenfassend aus, dass eine Spezifikation oder Personalisierung vorliege, wenn die Waren im Prinzip einmalig sind und nach individuellen Wünschen und Anforderungen gefertigt wurden, die vom Verbraucher angegeben und mit dem Unternehmer abgestimmt wurden. Stelle der Verbraucher dagegen Waren einfach nur zusammen, indem er dies aus den vom Unternehmer angebotenen (vorgegebenen) Standardoptionen auswähle, solle weder von „Spezifikation“ noch von „Personalisierung“ im engeren Sinn dieser Bestimmung die Rede sein. Daher gelte die Ausnahme nicht bei einer Auswahl von Möbeln in einer bestimmten Farbe oder Textur nach Herstellerkatalog oder bei einer Zusatzausstattung eines Pkw, die im Herstellerkatalog aufgeführt ist, sowie bei einer Möbelgarnitur aus Standardelementen.

Schließlich steht die von der Beklagten zitierte höchstrichterliche Entscheidung (BGH, Urteil vom 19.03.2003 – VIII ZR 295/01, BGHZ 154, 239) den vorstehenden Ausführungen nicht entgegen. Zu entscheiden war dort über ein aus Standardbauteilen nach einem „Baukastensystem“ zusammengestelltes Notebook, das nach der tatrichterlichen Annahme mit seiner konkreten Ausstattung nur zufällig einen anderen Käufer finden würde. Im Tatbestand des dort überprüften Berufungsurteils (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2001 – 9 U 148/01, juris) ist – anders als im hier zu entscheidenden Fall – nicht die Feststellung getroffen, dass der Kläger dort aus einer Bandbreite von vorgegebenen Ausstattungsmöglichkeiten eines Gerätes wählte. Vielmehr wurde ihm aufgrund einer telefonischen Anfrage vom Verkäufer ein Angebot unterbreitet, das er mit bestimmten Komponenten annahm und zu dem er weitere Komponenten später nachbestellte. Auf die dort maßgebliche Frage, inwieweit die Möglichkeit besteht, die einzelnen Bestandteile zu trennen, kommt es hier demgegenüber nicht an, weil die Bestellung schon nicht nach den individuellen Vorgaben des Verbrauchers vorgenommen worden ist, sondern aus der Angebotsauswahl des Verkäufers bestimmt wurde.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, das Gericht hat ausdrücklich die Revision zugelassen.

12.08.24

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