Fehlerhafte AGB-Klauseln sind häufig ein Grund für Abmahnungen. Das LG Berlin (Urt. v. 8.11.2022 – 15 O 34/22) stellte nun noch einmal klar, dass eine AGB-Klausel zur Zahlung per Vorkasse nach der Bestellung, aber vor Annahme durch den Unternehmer unwirksam ist. Zudem müssen die für Lebensmittel verpflichtenden Informationen bereits vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers bereitgestellt und Grundpreise auch nach der neuen PAngV weiterhin „in unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises angegeben werden.

Die Beklagte bietet Verbrauchern einen Lieferdienst für Lebensmittel an. Die Bestellungen dafür tätigen die Verbraucher mittels einer App. Die Beklagte verspricht, dass angenommene Bestellungen den Käufern innerhalb von zehn Minuten mittels Kurieren zugestellt werden. Die Beklagte lieferte Waren ohne Nährwertdeklaration, ohne Grundpreisangaben und ohne Angabe des Herkunftslandes aus. Zudem verwendete sie in den AGB mit den folgenden Klauseln. [Auszug:

„5.1. Der Kaufpreis für die bestellte Ware sowie die anfallenden Liefer- und sonstigen Gebühren sind bei Bestellung zu entrichten (Vorkasse).

5.2. Wir akzeptieren die Zahlung mit Mastercard, Visa und American Express. Wir belasten lhre Kredit- oder Debitkarte oder Ihr Konto, wenn Ihre Bestellung aufgegeben wird.

Wenn als Zahlungsoption nur Mastercard, Visa und American Express zur Auswahl stehen, diese mit dem Betrag sofort mit dem Absenden der Bestellung belastet werden und für den Vertragsschluss folgende Regelungen gelten:

3.3. Durch Bestätigung des „ZAHLUNGSPFLICHTIG BESTELLEN“ Buttons gibt der Kunde eine Bestellung und damit ein verbindlich es Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über die in seinem Warenkorb enthaltenen Waren mit […] ab.

3.4. […] schickt dem Kunden eine automatische Eingangsbestätigung der Bestellung über die […]-App. Diese Eingangsbestätigung begründet keinen Kaufvertrag. […] bestätigt vielmehr lediglich den Eingang der Bestellung bzw. einer auf Abschluss eines Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung.

3.6. Ein verbindlicher Kaufvertrag kommt erst mit der Bestellannahme zustande, die dem Kunden von […] über die […]-App und per E-Mail zugesandt wird. Der Kaufvertrag kommt nur für die in der Bestellannahme genannten Waren zustande.“]

Die Klägerin, die Verbraucherzentrale Berlin, sah hierin Verstöße gegen die LMIV, gegen die PAngV und in der genannten Klausel eine unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern, da eine Zahlung bereits vor Vertragsannahme verlangt werde. Das LG Berlin gab ihr Recht.

Verstoß gegen die LMIV und die Pflicht zur Grundpreisangabe

Im Fernabsatz mit Lebensmitteln müssen nach Art. 14 LMIV – mit Ausnahme des MHD und Verbrauchsdatum – dieselben Informationen wie auf der Verpackung angegeben werden. Diesen Anforderungen sei die Beklagte nicht nachgekommen. Zudem habe sie gegen die flicht zur Grundpreisangabe verstoßen. Zwar erfolgte die Beanstandung noch auf Grundlage des § 2 Abs. 1, 3 PAngV aF, wonach die Verpflichtung bestand, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angeben zu müssen. Nach der seit dem 28.5.2022 geltenden PAngV muss der Grundpreis gem. § 4 Abs. 1 unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar angegeben werden. Der BGH hat allerdings bereits in der Zwischenzeit entschieden, dass der Grundpreis nur dann als solcher klar erkennbar sei, wenn er in dem Sinne in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem auf einen Blick wahrgenommen werden könne. Diese Vorgabe bestehe auch nach der neuen PAngV, die seit dem 28.5.2022 gilt.

Durch die angegriffenen Angebote führt die Beklagte in die Irre gem. § 5 a Abs. 2 UWG durch Vorenthalten der Informationen gem. Art. 14 Abs. 1 lit. A) und Art. 9 Abs. 1 lit. I) VO (EU) 1169/2011 Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV), gem. §§ 2, 5 Nr. 19 Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung (LMIDV), Art. 6 VO (EG) Nr. 543/2011, VO (EG) Nr. 1308/2013, Art. 14 LMIV und gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 (vormals § 2 Abs. 1 Satz 1) PAngV. […]

Im Übrigen hat die Beklagte die Verstöße auch nicht in Abrede gestellt. Lediglich mit Blick auf den Antrag zu I.3 hat sie sich auf die Änderung der PAngV zum Mai 2022 berufen, nach deren § 4 Abs. 1 Satz 1 nunmehr neben dem Gesamtpreis auch der Grundpreis „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ anzugeben ist, während § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV zuvor eine Angabe „in unmittelbarer Nähe“ gefordert hatte. Damit hat die Beklagte jedoch keinen Erfolg. Zwar setzt der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch voraus, dass das Verbot, gegen das verstoßen worden ist, noch besteht; Gerichte können daher ein Unterlassungsurteil nur aussprechen oder bestätigen, wenn das zu untersagende Verhalten auch am Tage des Urteils noch verboten ist. (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG/Bornkamm, 40. Aufl. 2022, UWG § 8 Rn. 1.9). So liegt es aber hier: Zum Einen ist unstreitig, dass bei den beanstandeten Angeboten jegliche Grundpreisangabe fehlte, es also auf die Frage einer unmittelbaren Nähe ohnehin nicht ankommt. Und zum Anderen hat der BGH jüngst entschieden, dass der Grundpreis nur dann als solcher klar erkennbar ist, wenn er in dem Sinne in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem auf einen Blick wahrgenommen werden kann (GRUR 2022, 1163), woraus sich ergibt, dass der Grundpreis auch nach Inkrafttreten der neuen Fassung der PAngV, hier § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV, in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben ist (Lettl GRUR 2022, 1169 [1170]), was also ohnehin auch schon zuvor galt.

AGB-Klausel zum Vertragsschluss unwirksam

Zudem stellte das Gericht fest, dass die verwendete Klausel die Vertragspartner unangemessen benachteilige und daher unwirksam sei. Der Besteller müsse bei Bestellung zahlen, jedoch liege zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Vertrag vor. Dieser komme erst mit ihrer Bestellannahme zustande.

Gemäß § 1 UKlaG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen verwendet, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind. Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, was im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Das trifft auf die hier vom Kläger angegriffenen Klauseln zu.

Nach der Klausel Nr. 5.1 hat der jeweilige Besteller insbesondere den Kaufpreis, aber auch die Liefer- und sonstigen Gebühren bei der Bestellung („Vorkasse“) zu entrichten. Zu diesem Zeitpunkt liegt allerdings noch keine Annahmeerklärung seitens des Beklagten vor; vielmehr kommt der Kaufvertrag gem. den Klauseln 3.4 und 3.5 der AGB der Beklagten noch nicht mit ihrer automatischen Bestellbestätigung, sondern erst mit ihrer Bestellannahme zustande. Im Zusammenhang widerspricht diese Regelung bereits § 241 Abs. 1 BGB, demzufolge der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses berechtigt ist, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Denn dies bedeutet im Umkehrschluss, dass mangels Schuldverhältnisses – wie hier im Zeitpunkt der Zahlung der Verbraucher – eben keine Leistung gefordert werden kann.

Keine Zahlung ohne Vertragsschluss

Für eine Zahlungspflicht vor Vertragsschluss kann das Gericht keine schützenswerten Interessen erkennen. Auch die Schnelllebigkeit des Online-Geschäftes mit Lebensmitteln rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Solchen Risiken hätte die Beklagte durch eine Vorleistungspflicht des Kunden nach Vertragsschluss begegnen können.

Dieser Umstand ist für den Verbraucher durchaus erheblich. Geht es nach der Beklagten, so mag es dazu kommen, dass der Verbraucher zahlt, die Beklagte dann aber nicht annimmt. Auch wenn der Verbraucher die Zahlung nach dem Bereicherungsrecht herausverlangen kann, sind ihm jedoch Erfüllungs- und insbesondere Schadensersatzansprüche verwehrt. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass durch die Nichtlieferung von Lebensmitteln oder Drogerieartikeln ein Schaden entsteht. […]

In diesem Zusammenhang kommt es zB darauf an, welche Konsequenzen die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Klausel für die beiden Parteien hätte, ob und wie jede der Parteien die Verwirklichung des in der Klausel behandelten Vertragsrisikos durch eigene Tätigkeit verhindern, ob und wie sich jede Partei gegen die Folgen einer Verwirklichung des Risikos durch eigene Vorsorge schützen kann usw. Ist ermittelt, welches die Interessen der Vertragsparteien sind, so kommt es nunmehr auf eine Abwägung der Interessen an, nach deren Ergebnis sich bestimmt, ob die Klausel als wirksam oder unwirksam anzusehen ist (zu allem etwa MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 307 Rn. 37). Hier sind schützenswerte Interessen der Beklagten nicht einmal erkennbar. Sie mag ein sachliches Interesse daran haben, von den Grundregeln der §§ 320, 433 Abs. 1, Abs. 2 BGB abweichende Regelungen zu vereinbaren, um den Anspruch auf Kaufpreiszahlung abzusichern. Auch mag sie ein schnelllebiges Geschäft betreiben und durch die Verderblichkeit von Lebensmitteln und die Lieferung an Orte auch in der Öffentlichkeit erhöhten Risiken ausgesetzt sein. All dem hätte jedoch durch die Vereinbarung einer Vorleistungspflicht der Verwender nach Vertragsschluss begegnet werden können. Ob dies rechtlich möglich wäre, muss hier nicht untersucht werden, da es sich dabei für den Verbraucher jedenfalls um ein weniger einschneidendes Mittel als die hiesige „Vorkassen“regelung (Zahlung vor Vertragsschluss) handelt.

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