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EuGH: Keine Pflicht zur Nennung der Telefonnummer

Der EuGH hat in einem Verfahren des Verbraucherzentrale Bundesverbandes gegen Amazon entschieden, dass Online-Händler nicht zwangsläufig eine Telefonnummer angeben müssen. Das deutsche Recht verstößt in diesem Punkt gegen EU-Recht. Ausreichend sind auch Call-Back-Funktionen oder andere effiziente Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme.

Der vzbv hatte Amazon auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil vermeintlich unzureichend über die Telefonnummer informiert werde. Damit habe Amazon gegen die Informationspflichten nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) VRRL verstoßen.

Vorinstanzen wiesen Klage ab

Nachdem die beiden vorinstanzlichen Gerichte die Klage abgewiesen hatten, setzte der BGH das Verfahren aus und rief den EuGH an. Auch Generalanwalt Giovanni Pitruzzella hat dem EuGH eine Entscheidungsempfehlung vorgelegt, nach der die Nennung einer Telefonnummer im Fernabsatz nicht zwingend sei.

Deutsches Recht strenger als EU-Recht

In dem Verfahren ging es um die Auslegung der Formulierung “gegebenenfalls” in Bezug auf das Vorhandensein einer Telefonnummer sowie die Zulässigkeit der deutschen Regelung, die Unternehmer dazu verpflichtet, dem Verbraucher im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen stets seine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen.

Im deutschen Recht (Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB) heißt es aktuell noch:

Der Unternehmer ist … verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: … seine Telefonnummer und gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse …

Hingegen bezieht sich das Wort “gegebenenfalls” in der zugrunde liegenden EU-Richtlinie (Art. 6 Abs. 1 lit. c) VRRL) auch auf die Telefonnummer:

informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes: … gegebenenfalls seine Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse, damit der Verbraucher schnell Kontakt zu ihm aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann …

Schon die Vorinstanzen hatten bemängelt, dass der deutsche Gesetzgeber das EU-Recht nicht korrekt umgesetzt hat, da hierbei wegen des Vollharmonisierungs-Grundsatzes der VRRL kein Spielraum besteht.

Der EuGH (Urt. v. 10.7.2019 – C-649/17) bestätigte nun die Ansicht der deutschen Gerichte. Der deutsche Gesetzgeber hat seine Kompetenz überschritten und im EGBGB eine Pflicht geschaffen, die es nach EU-Recht nicht geben darf.

Kein grenzenloser Verbraucherschutz

Zwar seien – so der EuGH – zwei Auslegungen des Wortlauts von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 denkbar: Einerseits könne diese Bestimmung so verstanden werden, dass sie den Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über seine Telefonnummer und seine Telefaxnummer zu informieren, wenn der Unternehmer über solche Nummern verfügt. Andererseits könnte der Unternehmer hierzu nur verpflichtet sein, wenn er Telefon und Telefax im Kontakt mit den Verbrauchern benutzt.

Auch sei die Möglichkeit für den Verbraucher, mit dem Unternehmer schnell Kontakt aufzunehmen und effizient mit ihm zu kommunizieren, wie dies in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 vorgesehen ist, von grundlegender Bedeutung für die Wahrung und wirksame Durchsetzung der Verbraucherrechte. Aus diesem Grund sehe die „Muster-Widerrufsbelehrung“ u.a. – soweit verfügbar – die Angabe der der Telefonnummer, Faxnummer und E‑Mail-Adresse vor.

Gleichwohl ist bei der Auslegung dieser Bestimmung ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen, wie aus dem vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, und dabei die unternehmerische Freiheit des Unternehmers, wie sie in Art. 16 der Charta gewährleistet wird, zu wahren (vgl. entsprechend Urteil vom 23. Januar 2019, Walbusch Walter Busch, C‑430/17, EU:C:2019:47, Rn. 41 und 42).

Entscheidend sei, dass jedem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung gestellt wird, über das dieser schnell mit dem Händler in Kontakt treten und effizient mit ihm kommunizieren kann. Ob das bei Amazon der Fall war, muss nun das vorlegende Gericht beurteilen, insbesondere in Anbetracht der Aufmachung und Funktionalität der Website.

Telefonnummer für Online-Händler unverhältnismäßig

Der EuGH betont, dass eine generelle Verpflichtung, nur per Telefon zu kommunizieren, für Online-Händler unzumutbar ist. Es müsse auch nicht extra ein Telefonanschluss eingerichtet werden:

Zudem erscheint eine unbedingte Verpflichtung, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit dem Unternehmer in Kontakt treten können, unverhältnismäßig, insbesondere im wirtschaftlichen Kontext des Betriebs bestimmter, vor allem kleinerer, Unternehmen, die ihre Betriebskosten möglicherweise dadurch zu reduzieren suchen, dass sie den Vertrieb oder die Dienstleistungserbringung im Fernabsatz oder außerhalb ihrer Geschäftsräume organisieren.

Deutsche Regelung verstößt gegen EU-Recht

Vor diesem Hintergrund hat der deutsche Gesetzgeber das EU-Recht falsch umgesetzt, wie wir an anderer Stelle schon mehrfach angemerkt hatten. Die vollharmonisierende EU-Richtlinie aus 2014 verbietet eine deutsche Regelung, die stets eine Pflicht zur Angabe der Telefonnummer vorsieht.

Fazit des EuGH:

Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 ist zum einen dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der ein Unternehmer verpflichtet ist, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von Art. 2 Nrn. 7 und 8 dieser Richtlinie stets seine Telefonnummer anzugeben. Zum anderen impliziert diese Bestimmung keine Verpflichtung des Unternehmers, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können. Sie verpflichtet den Unternehmer nur dann zur Übermittlung der Telefon- oder Telefaxnummer bzw. seiner E‑Mail-Adresse, wenn er über diese Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern bereits verfügt.

Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung zwar den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, das geeignet ist, die Kriterien einer direkten und effizienten Kommunikation zu erfüllen, doch steht diese Bestimmung dem nicht entgegen, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel als die in ihr genannten bereitstellt, um diese Kriterien zu erfüllen.

Sollten Händler Telefonnummern nun löschen?

Zwar ist nun rechtlich der Weg frei, statt der Telefonnummer auch vergleichbare Tools wie eine Call-Back-Funktion oder Live-Chats einzusetzen. Für viele Verbraucher wirkt die Möglichkeit, bei einem physisch nicht bekannten Händler anzurufen und sich so ein Bild zu machen, jedoch vertrauenswürdig. So sehen auch die Trusted Shops Qualitätskriterien vor, dass (über das Gesetz hinaus) eine Telefonnummer genannt werden muss.

Wer jedoch aus Effizienzgründen lieber ein strukturiertes Feedback über ein verzweigtes Kontaktformular einsammeln und dann gleich die richtige Abteilung zurückrufen lassen möchte, kann wegen Nicht-Nennung einer Telefonnummer nun nicht mehr abgemahnt werden. Auch für Start-Up-Händler, die nicht permanent telefonisch erreichbar sind und lieber zurückrufen oder mailen, bringt das Urteil eine Erleichterung.

Schließlich ist es eine Ohrfeige für den deutschen Gesetzgeber, der sich über die Vorgaben der EU – vermeintlich im Namen des Verbraucherschutzes – hinweggesetzt hat. Der EuGH hat nun den Weg frei gemacht für innovative Kommunikationskanäle jenseits des klassischen Telefonats.