Kurz vor Weihnachten ist es soweit – ab dem 3. Dezember 2018 gilt die neue Geoblocking-Verordnung. Online-Händler müssen sich auf zahlreiche Änderungen einstellen. Auf welche genau, erfahren Sie in unserem Beitrag.
Die Geoblocking-VO (VO [EU] Nr. 2018/302) verfolgt das Ziel, das Potenzial des (digitalen) Binnenmarktes voll auszuschöpfen, indem ein möglichst unbeschränkter Verkehr von Waren und Dienstleistungen gewährleistet ist. Insgesamt 36 % der europäischen Online-Händler verkaufen nach einer Untersuchung der EU-Kommission nicht grenzüberschreitend. Eine Untersuchung der EU-Kommission ergab, dass 27 % aller Händler, die Geoblocking einsetzen, dies tun, um eine Lieferung auszuschließen, 22 % um eine Zahlungsart auszuschließen, 10 % für eine Weiterleitung der Kunden auf eine andere Seite und 5 %, um den Zugang komplett auszuschließen.
Beim Geoblocking wird der Zugriff eines Internetnutzers auf eine bestimmte Website oder andere Inhalte aufgrund seines Aufenthaltsortes beschränkt. Diese Beschränkungen erfolgen zumeist aufgrund der Zugriffsanfrage von IP-Adressen mit einer bestimmten Länderkennung, aber auch auf andere Weise – häufig werden Versandadressen beschränkt, ausländische Zahlungsmittel nicht akzeptiert oder es sind keine Rechnungsadressen im Ausland möglich.
Die Geoblocking-VO findet gegenüber Kunden Anwendung (Art. 1 Nr. 13). Von diesem Begriff werden sowohl Verbraucher als auch Unternehmen erfasst. Unternehmen sind jedoch nur in ihrer Eigenschaft als Kunde geschützt, das heißt nur soweit, wie sie die Waren oder Dienstleistungen erwerben, ohne sie wirtschaftlich weiterzuverwerten. Unklar ist allerdings noch, wie diese Endnutzer-Eigenschaft überprüft werden soll.
Zudem richtet sich die Verordnung an „Anbieter“(Art. 1 Nr. 18). Von diesem Begriff werden nicht nur klassische Online-Shops erfasst, sondern die Pflichten gelten ausdrücklich auch gegenüber Online-Marktplätzen.
Viele Online-Shops betreiben verschiedene Länderseiten, auf welche die Nutzer aus den unterschiedlichen Ländern automatisch weitergeleitet werden und hinsichtlich Sprache, Zahlungsarten und Lieferbedingungen entsprechend angepasst sind. Eine solche Weiterleitung ist künftig grundsätzlich verboten. Der in einem Mitgliedstaat tätige Anbieter muss grds. Kunden aus anderen Mitgliedstaaten den Zugang zu diesem Shop ermöglichen (Art. 3 Abs. 1). Von diesem Grundsatz gibt es jedoch zwei Ausnahmen.
Wenn verschiedene Versionen des Shops für verschiedene Mitgliedstaaten bestehen, darf z.B. der deutsche Kunde, der einen französischen Shop aufruft, grds. nur mit ausdrücklicher Zustimmung –etwa durch Abhaken in einem Pop-up – auf eine deutsche Version des Shops weitergeleitet werden.
Um eine Einwilligung zur Weiterleitung nicht jedes Mal neu einholen zu müssen, soll es an dieser Stelle möglich sein, diese Angabe als Präferenz im Nutzerkonto zu speichern. In diesem Fall muss jedoch der jederzeitige Widerruf dieser Zustimmung möglich sein. Außerdem muss die Shopversion, auf die der Nutzer ursprünglich zugreifen wollte, für ihn weiterhin leicht zugänglich bleiben.
Zudem gilt dieses Verbot der Weiterleitung dann nicht, wenn sie erforderlich ist, um unionsrechtliche Anforderungen oder entsprechende nationale Anforderungen, die auf Unionsrecht basieren und denen der Anbieter unterliegt, zu erfüllen.
In diesem Fall muss der Anbieter die Gründe für eine Sperrung, Beschränkung oder Weiterleitung klar und deutlich erklären und in der Sprache der ursprünglich aufgerufenen Shopversion angeben. Diese kann z.B. ein Werbe- oder Vertriebsverbot für bestimmte Produkte (E-Zigaretten, Heilmittel, Nahrungsergänzungsmittel etc.) sein oder aus Gründen des Jugendschutzes erfolgen. Zumindest bei Misch-Sortimenten wird es hier technisch schnell kompliziert, wenn nicht alle angebotenen Produkte von einem solchen Verbot erfasst werden.
Ebenfalls untersagt die Geoblocking-VO eine unterschiedliche Behandlung der Kunden im Hinblick auf den Zugang zu Waren oder Dienstleistungen in AGB, wenn diese auf der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz oder dem Ort der Niederlassung basiert. Die Kunden sollen in der Lage sein, Waren genau zu den gleichen Bedingungen erwerben zu können, wie es für vergleichbare Kunden mit Wohnsitz in dem betreffenden Staat möglich ist. So muss ein deutscher Kunde auch den französischen Shop aufrufen und dort kaufen können, um etwa vom lokalen Sale oder lokalen Produkten zu profitieren.
Das Verbot gilt grundsätzlich auch für rein elektronisch erbrachte Dienstleistungen wie z.B. Cloud-Dienste oder Webhosting mit Ausnahme audiovisueller Dienste, Dienstleistungen, deren Hauptmerkmal die Bereitstellung des Zugangs zu immaterialgüterrechtlich geschützten Werken ist und Kleinunternehmer, die von der MwSt. befreit sind. Ebenso werden andere als elektronisch erbrachte Dienstleistungen, die am lokalen Standort des Unternehmers erbracht werden (z.B. Hotelunterbringung, Autovermietung), von diesem Verbot erfasst.
Hieraus folgt jedoch keine allgemeine Lieferpflicht – bietet der Händler seinen inländischen Kunden eine Abholung an, muss diese Möglichkeit auch für Kunden aus anderen Mitgliedstaaten bestehen ebenso wie die Möglichkeit der Lieferung an eine Adresse in einem Mitgliedstaat, den der Anbieter beliefert.
Liefert ein deutscher Shop-Betreiber etwa nicht nach Luxemburg, aber nach Frankreich, könnte der luxemburgische Kunde sich die Ware in Deutschland abholen oder etwa an eine französische Adresse liefern lassen.
Auch hier besteht für Online-Händler Anpassungsbedarf: Sie sollten darauf achten, dass es im Bestellprozess möglich ist, eine von der Rechnungsadresse abweichende Lieferadresse in den Mitgliedstaaten anzugeben, in die Sie liefern.
Das Verbot, unterschiedliche AGB zu verweden, bedeutet auch nicht, dass der Händler dazu verpflichtet ist, außervertragliche gesetzliche Anforderungen des jeweiligen Mitgliedstaates für die jeweiligen Waren zu erfüllen (Art. 4 Abs. 3). Hierzu zählen z.B. Kennzeichnungsvorschriften oder branchenspezifische Anforderungen. Eine unterschiedliche Behandlung ist nach wie vor möglich, solange sie in nicht diskriminierender Weise erfolgt (Art. 4 Abs. 2).
Hierzu zählen z.B. unterschiedliche Brutto-Preise aufgrund anderer MwSt.-Sätze. Insbesondere gilt das Verbot nicht, wenn es dem Anbieter untersagt ist, bestimmten Kunden oder Kunden in einem bestimmten Mitgliedstaat Waren zu verkaufen, z.B. wegen Bestimmungen des Jugendschutzes. Eine weitere Ausnahme betrifft Fälle der Buchpreisbindung.
Bereits jetzt müssen Zahlungen von Konten aus anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden (Art. 9 VO 260/2012). Das entschied bereits das OLG Karlsruhe, wobei die Revision beim BGH unter dem Aktenzeichen I ZR 93/18 noch läuft. Die Geoblocking-VO geht jedoch noch einen Schritt weiter.
Anbietern ist es untersagt, aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden, des Standortes des Zahlungskontos, des Ortes der Niederlassung des Zahlungsdienstleisters oder des Ausstellungsortes des Zahlungsinstruments innerhalb der EU unterschiedliche Zahlungsbedingungen anzuwenden (Art. 5 Abs. 1).
Dieses Verbot gilt allerdings nur für solche Zahlungen, die über eine elektronische Transaktion durch Überweisung, Lastschrift oder eine Zahlungskarte innerhalb derselben Zahlungsmarke und Zahlungskategorie erfolgen, die Zahlungsdiensteanbieter eine sog. starke Kundenauthentifizierung sicherstellen und die Zahlung auch in einer Währung erfolgt, die der Anbieter akzeptiert.
Damit bleibt es nach wie vor den Händlern überlassen, welche Zahlungsmittel sie akzeptieren und welche Marke. So können etwa Kreditkartenzahlungen abgelehnt oder nur Zahlungen mit Mastercard akzeptiert werden. Bieten Sie jedoch z.B. deutschen Kunden eine Zahlung per Visa an, muss diese Zahlungsart auch österreichischen Kunden zur Verfügung stehen. Innerhalb der Zahlungsmarke dürfen jedoch auch Unterschiede gemacht werden – wenn Sie Verbraucherkreditkarten einer bestimmten Marke akzeptieren, können Sie jedoch Firmenkreditkarten der gleichen Marke ablehnen.
Zudem besteht nach der Geoblocking-VO die Möglichkeit, die Ware bei Vorliegen objektiver Gründe zurückzuhalten, bis der Händler eine Bestätigung erhalten hat, dass der Zahlungsvorgangs eingeleitet wurde (Art. 5 Abs. 2). Hauptanwendungsfall dürften Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit sein. Im Falle des Lastschriftverfahrens soll daher auch erlaubt sein, eine Vorauszahlung mittels Überweisung zu verlangen, bevor die Leistung erbracht wird.
Unter bestimmten Umständen dürfen Händler dürfen Händler auch weiterhin Entgelte für die Nutzung kartengebundener Zahlungsmittel und anderer Zahlungsdienste erheben. Allerdings dürfen diese Entgelte nicht höher ausfallen als die unmittelbaren Kosten, die dem Händler für die Nutzung dieses Zahlungsmittels entstehen (Art. 5 Abs. 3). Allerdings besteht in Deutschland mit § 270a BGB ein weitreichendes Verbot gegen Zahlartgebühren.
Die Mitgliedstaaten müssen Vorschriften erlassen, die Maßnahmen gegen bei Verstößen gegen diese Verordnung enthalten und ihre Umsetzung gewährleisten. Diese Maßnahmen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Jeder Mitgliedstaat muss eine oder mehrere zuständige Stelle bzw. Stellen für eine angemessene und wirksame Durchsetzung der Verordnung benennen.
In Deutschland soll das Telekommunikationsgesetz entsprechend geändert werden. Bei Verstößen gegen die Geoblocking-VO wird es sich um Ordnungswidrigkeiten handeln. Zuständig wird die Bundesnetzagentur sein. Bei Verstößen kann eine Geldbuße bis zu 300.000 Euro verhängt werden.
In der Theorie hört es sich einfach an, der Teufel steckt jedoch im praktischen Detail. Herausforderungen sehen wir hier vor allem bei dem Verbot, unterschiedliche AGB zu verwenden und bei der Ausrichtung an sich:
Es gibt vertragsrechtliche Unterschiede, die nicht auf Unionsrecht basieren und somit nicht unter die Ausnahme des Verbots unterschiedlicher AGB fallen. Aktuell müssen AGB sogar unterschiedlich sein, weil das Privatrecht noch nicht vollharmonisiert ist und es zB ganz verschiedene Regeln zum Vertragsschluss, zu Zalungsbedingungen und zur Gewährleistung gibt, um nur einige Beispiele zu nennen.
Wie soll also der deutsche Händler, der sich aktiv an französische Kunden richtet, dort die gleichen AGB einsetzen wie in DE, wenn ihn der französische code de la consommation zwingt, andere AGB zu verwenden und nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO französisches Verbrauchervertragsrecht gilt?
Möglich ist eine solche Ungleichbehandlung nur, wenn sie "nicht diskriminierend" ist, aber dieser Begriff ist stark auslegungsbedürftig und führt zu Rechtsunsicherheiten:
Der EU-Gesetzgeber hat das Vertragsrecht bislang nicht harmonisieren können, weil dies politisch nicht durchsetzbar war. Nun sollen die Händler diese noch vorhandene Rechtszersplitterung durch die (unmögliche) Vorgabe ausbaden, keine unterschiedlichen AGB verwenden zu dürfen, obwohl (zumindest nach EuGH-Rechtsprechung) künftig häufig eine aktive Ausrichtung mit Differenzierungszwang vorliegen dürfte.
Häufig wird auch kritisiert, es bestehe ein faktischer Kontrahierungszwang. Dieser besteht zwar ausdrücklich nicht (EG 18). Auch soll das Einhalten der Geoblocking-VO nicht als Ausrichtung i.S.d. Rom-I- und Brüssel-Ia-VO zu verstehen sein. Fraglich ist jedoch, ob die neue VO die bisherige EuGH-Rechtsprechung zur Rom-I-VO einfach aushebeln kann.
Denn der EuGH nimmt eine aktive Ausrichtung sehr schnell an, etwa wenn spezielle Lieferkosten genannt werden oder eine Rechnungsanschrift in einem anderen EU-Staat aktiv auswählbar ist. Zumindest letzteres muss im Rahmen des Diskriminierungsverbotes nun so sein.
Sie sollten Ihren Shop im Hinblick auf die folgenden Aspekte prüfen und überarbeiten:
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