Schon fast ein Jahr leben wir nun mit dem neuen Verbraucherrecht. Da wird es einmal Zeit, zurückzublicken: Welche Abmahnfallen sind durch das neue Recht entstanden? Welche Fragen hat die Rechtsprechung bereits geklärt und welche Fragen sind noch offen?
Das Widerrufsrecht ist auch nach der Rechtsänderung zum 13. Juni 2014 eines der abmahnanfälligsten Themen. Erst kürzlich hat das OLG Hamm entschieden, dass nach neuem Recht die Angabe einer Telefonnummer innerhalb der Widerrufsbelehrung Pflicht sei, sofern der Unternehmer zu erkennen gibt, dass er einen geschäftlich genutzten Telefonanschluss besitze (z.B. durch Aufnahme der Nummer ins Impressum).
Begründet wird die Entscheidung damit, dass der Verbraucher seinen Widerruf auch telefonisch erklären könne - und der Unternehmer nicht die Freiheit besitze, zu entscheiden, ob er auch eine Telefonnummer für den Widerruf bereithalte.
Denkt man die Begründung des Gerichts weiter, stellt sich die Frage: Muss auch der geschäftlich genutzte Twitter-Account mit in die Widerrufsbelehrung, wenn der Unternehmer auf seiner Website zu erkennen gibt, dass er einen solchen geschäftlich genutzten Twitter-Account besitzt? Da der Widerruf jetzt formfrei möglich ist, ist er theoretisch auch per Twitter oder Facebook möglich.
Übrigens: Geben Sie eine Faxnummer im Impressum an? Dann muss diese auch innerhalb der Widerrufsbelehrung zu finden sein. Zwar haben die wenigsten Verbraucher ein Faxgerät zu Hause, aber die Argumentation des OLG Hamm lässt sich auch ohne Weiteres von der Telefonnummer auf die Faxnummer übertragen.
Schon seit der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie aus dem Jahr 1997 müssen Online-Händler die wesentlichen Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, die sie online verkaufen, nennen. Gemeint ist damit natürlich eine aussagekräftige Produktbeschreibung. Bis zum 1. August 2012 gab es mit dieser Vorschrift auch nie wirklich Probleme.
Dann trat jedoch die Button-Lösung in Kraft und seitdem werden die wesentlichen Merkmale nicht nur auf der eigentlichen Produktseite verlangt, sondern noch einmal auf der letzten Bestellseite. Insbesondere die Sonnenschirm-Branche wird hier mit Abmahnungen überzogen, nachdem das OLG Hamburg entschieden hat, dass zu den wesentlichen Merkmalen eines Sonnenschirmes mindestens die Maße, die Form und die Farbe des Sonnenschirms sowie das Material des Gestells, den Stoffes und das Gewicht.
Das OLG Frankfurt (Urt. v. 2.10.2014, 6 U 219/13) hat im vergangenen Jahr entschieden, dass im Impressum eines Online-Shops keine Mehrwertnummer genannt werden darf, wenn die Telefonnummer neben der E-Mail-Adresse der einzige Weg ist, mit dem Unternehmer schnell und unmittelbar Kontakt aufzunehmen. Hintergrund der Entscheidung war, dass die E-Commerce-Richtlinie vorschreibt, dass die aufgezeigten Wege zur Kontaktaufnahme effizient sein müssten.
Dies sei bei einer Mehrwertnummer aus dem Premium-Bereich (also eine 0900-Nummer) nicht der Fall.
Diese Entscheidung lässt ein wenig erahnen, was in einem derzeit geführten Muster-Prozess wohl herauskommen wird: Die Frage, die die Wettbewerbszentrale gerne klären lassen möchte, lautet: Darf eine 0180-Nummer als Kundenhotline angegeben werden?
Hintergrund dieses Verfahrens ist eine seit 13. Juni 2014 geltende Regelung: Stellt der Unternehmer eine Telefonnummer zur Verfügung, die der Verbraucher für Fragen oder Erklärungen zu einem bestehenden Vertrag anrufen kann, darf ein Anruf bei dieser Nummer nicht mehr kosten als die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes an Kosten verursacht.
Diese Formulierung ist relativ unklar und eröffnet einen weiten Interpretationsspielraum.
Außerdem soll die Frage geklärt werden, ob eine 0180-Nummer innerhalb der Widerrufsbelehrung zum Einsatz kommen darf.
Es werden auch erste Stimmen laut, die meinen, dass eine Mobilfunknummer nicht genannt werden darf, weil Anrufe bei diesen Nummern zu teuer seien und damit ebenfalls unter die neue Regelung fallen. Hier wird man aber abwarten müssen, ob sich die Gerichte dieser Meinung anschließen. Da bei Anrufen auf einer Mobilfunknummer keine über die Kosten der Nutzung des Telekommunikationsdienstes hinausgehenden Gebühren anfallen, müssten Mobilfunknummern nach den Worten des Gesetzes zulässig sein.
Auch nach dem 13. Juni 2014 werden die Abmahnthemen leider nicht weniger. Online-Händler müssen weiter notgedrungen die Entwicklungen der Rechtsprechung beobachten und schnell reagieren, wenn es Neuerungen geben sollte, damit sie nicht selbst das Ziel von Abmahnungen werden. Dieser Beitrag soll nur die bereits öffentlich bekannten Fallen noch einmal deutlich machen. Es gibt sicher noch mehr Themen, die zu Abmahnungen führen können, die wir hier aber nicht ansprechen wollen, da wir natürlich niemanden auf neue Abmahn-Ideen bringen wollen.
Die aktuelle Studie von Trusted Shops "Abmahnungen im Online-Handel 2015" hat gezeigt: Knapp die Hälfte der Online-Händler empfindet Abmahnungen als eine akute Existenzbedrohung. (mr)
Abmahnradar Juni & Juli 2024
Bundesrat will DSGVO-Abmahnungen komplett verbieten
Abmahnradar April 2024