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Anti-Abzock-Gesetz: Was bringen die neuen Abmahn-Regelungen?

Im vergangenen Jahr trat das Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken in Kraft. Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, dass Abmahnungen eingedämmt werden. Hierzu schaffte er unter anderen neue Regelungen zur Bemessung der Streitwerte in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten. Unter bestimmten Umständen soll ein Streitwert von nur noch 1.000 Euro gelten. Das OLG Stuttgart hat sich nun mit dieser neuen Regelung beschäftigt.

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Das OLG Stuttgart (Beschl. v. 2.1.2014, 2 W 77/13) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, welcher Streitwert im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens angemessen ist.

Diesem Rechtsstreit vorausgegangen war eine Abmahnung wegen fehlender Angabe der Identität und Anschrift des der Beklagten im Rahmen einer Zeitungsanzeige. Der Fall lässt sich in dieser Problematik durchaus mit einem Online-Shop ohne Impressum übertragen.

Das Landgericht folgte in seiner Entscheidung den Streitwertangaben des Klägers. Dieser bezifferte den Streitwert auf 10.000 Euro. Hiergegen legte die Beklagte Beschwerde ein, woraufhin das Landgericht den Streitwert auf 7.500 Euro absenkte.

Es ging bei dieser Herabsetzung von einem Hauptsachestreitwert von 15.000 Euro aus und senkte diesen aufgrund der Verfahrensart entsprechend herab. Danach legte das Landgericht diese Entscheidung dem OLG vor. Gegen diese Herabsetzung legte außerdem der Kläger Beschwerde ein.

Angemessener Streitwert

Das OLG Stuttgart stufte den Streitwert als angemessen ein. An dieser Einschätzung ändere auch das neue Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken nichts.

“Durch das Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken vom 1.10.2013 hat sich vorliegend keine Änderung zu Gunsten der Beklagten ergeben.”

Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken

Mit dem Gesetz gegen unlautere Geschäftspraktiken (sog. “Anti-Abzock-Gesetz”) sollten die Streitwerte in Wettbewerbssachen unter bestimmten Umständen fallen. Es wurde auch eine Art Regelstreitwert in Höhe von 1.000 Euro eingeführt. Hierzu heißt es in § 51 GKG:

“(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1.000 Euro anzunehmen, auch wenn diese Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden.”

Die Gesetzesbegründung führt zu dieser Regelung erklärend aus:

“Ein Streitwert von 1 000 Euro ist anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Streitwerts bietet. Dieser Auffangwert ist als starre Größe einer Differenzierung nach oben oder nach unten je nach Lage des Falles nicht zugänglich.

Er wird insbesondere in den Fällen zur Anwendung kommen, in denen ein Verstoß gegen Marktverhaltensregeln im Sinn des § 4 Nummer 11 UWG außerhalb des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vorliegt, die Verzerrung des Wettbewerbs aber eher unwahrscheinlich ist, da sich ein vernünftiger Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch den Verstoß in seiner Entscheidung über den Kauf einer Ware oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung nicht beeinflussen lassen wird.”

Der Gesetzgeber meinte also, dass in sog. Bagatellfällen der Regelstreitwert von 1.000 Euro Anwendung finden soll. In derartigen Bagatellfällen ist aber schon kein abmahnfähiger Wettbewerbsverstoß gegeben. Die Neuregelung läuft in diesen Fällen also ins Leere. Ausführlich haben wir die Neuregelungen bereits hier im Shopbetreiber-Blog dargestellt.

Diese Argumentation führt nun auch das OLG Stuttgart in seiner Begründung an:

“Diese Begründung soll allerdings zu kurz greifen, weil in solchen Fällen mangels geschäftlicher Relevanz bereits der Verbotstatbestand des § 1 UWG (gemeint ist wohl § 3 Abs. 2 UWG – Anm. d. Red.) nicht erfüllt ist.

Richtigerweise sollte es darauf ankommen, ob es sich vom Unrechtsgehalt der Handlung her um einen geringfügigen Wettbewerbsverstoß durch einen Kleinunternehmer handelt.”

Die Beklagte war allerdings keine Kleinunternehmerin. Die Anzeige, die sie in der Zeitung schaltete, kostete 11.900 Euro und war auf das Erreichen einer sehr großen und relativ finanzstarken Zielgruppe gerichtet.

Spürbarkeit des Verstoßes

Der Wettbewerbsverstoß war außerdem spürbar, wie alle Verstöße gegen § 5a Abs. 3 UWG. Daher stellte das OLG den ursprünglichen Streitwert des Landgerichtes wieder her.

“Da ein Verstoß gegen § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG als unionsrechtlich vorgegebene Informationspflicht auch die Spürbarkeitsschwelle des § 5 Abs. 2 S. 1 UWG überschreitet, gibt es auch genügend Anhaltspunkte zur wettbewerbsrechtlichen Wertbemessung.

Dies führt zur Wiederherstellung der ursprünglichen landgerichtlichen Wertfestsetzung.”

Fazit

Es war vorauszusehen, dass der “Regelstreitwert” von 1.000 Euro nur sehr selten zur Anwendung kommen kann. Die in der Gesetzesbegründung aufgeführten Argumente sind zumindest unpassend, wie nun auch das OLG Stuttgart entschieden hat. Abgemahnte sollten sich also nicht zu viel Hoffnung aufgrund des noch relativ neuen Gesetzes machen. Der Gesetzgeber hat den Plan, die Kosten für Abmahnungen zu senken, leider nicht konsequent verfolgt und damit auch nicht im Gesetz umgesetzt. (mr)

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