Liebe Shopbetreiber, gerade wieder ein Telefonat mit einem seriösen und erfahrenen Einzelhändler. Er hat nach über 20 erfolgreichen Jahren im stationären Einzelhandel den Schritt ins Netz gewagt und dazu eine Agentur beauftragt. Die Ergebnisse sind traurig aber nicht selten. Ich frage mich, ob sich viele Shopagenturen selbst abschaffen wollen?
Doch zurück zu meinem Shopbetreiber: Das Enterprise Shopsystem, 70.000 Euro Entwicklungsaufwand und Streit mit dem ERP-Dienstleister, weil die Schnittstelle nicht funktioniert. Nach nun 6 Monaten wird klar, dass der Shop nicht läuft und die monatlichen Kosten kaum gedeckt werden können. Empfehlung der Agentur: Preise senken, denn billig geht im Internet immer. Und wieder wird klar: Hier hat nur einer verdient! Telefonat von letzter Woche mit einem anderen Shopbetreiber: „kann mir meine Agentur nicht mehr leisten, kennen Sie einen Freelancer“. Anderes Gespräch: „Einen Bug einbauen kostet Geld und für’s Ausbauen zahl ich auch wieder.“
Warum sägt man auf dem Ast auf dem man sitzt? Andererseits wird immer aggressiver nach Kunden gefischt. Immer mehr Agenturen bieten Beteiligungsmodelle und wollen gleich Anteile am künftigen Kunden als Gegenleistung für völlig überzogene Agenturpreise. Dabei sprechen wir von Unternehmensbeteiligung mit 30 Prozent und mehr.
Sieht man sich die Bilanzen der sogenannten führenden Shopagenturen an, ist das Bild dann doch wieder ernüchternd. So richtig im Geld schwimmen nur weniger. Die Kosten für Mitarbeiter, Marketing und Akquise sind immens. Im Boom steht immer noch ein weiterer in der Schlange der mitverdienen will. Ein Messestand auf der Internet World kostet für zwei Tage deutlich mehr als ein Souvenirstand auf dem Oktoberfest für 2 Wochen. In der eher überschaubaren Menge an Messebesuchern muss dann der Kunde gefunden werden, der alles zahlt.
e-Commerce wird vor allem ein Überlebenskampf für Dienstleister und Agenturen. Eher wenig Online-Shops verfügen über ein immenses Budget, immer mehr etablierte Shops setzen auf eigene Entwickler. Das Heil der Branche liegt derzeit noch in den unerfahrenen Markenartiklern und Industrieunternehmen. Sie spielen mit anderem Geld das große e-Commerce-Spiel mit!
Der typische Shopbetreiber, der Einzelhändler und kleinere Mittelstand muss auf andere Karten setzen. Kreativität, Positionierung, Persönlichkeit und Authentizität sind nicht kaufbar. Shopbetreiber müssen umdenken! Nicht mehr mit technischem Schnickschnack und ständigen Weiterentwicklungen wird man erfolgreich sondern mit erfolgreichen Konzepten und Ideen.
Agenturen müssen vorerst nicht umdenken. Sie planen den Ausstieg. Mittnehmen was geht bis zum bitteren Ende. Das hatten wir schon mal und überleben es vielleicht ein zweites Mal.
Über den Autor
Johannes Altmann ist Gründer und Geschäftsführer der Shoplupe GmbH. Er berät mit seinem Team Online-Shops wie Herrenausstatter.de. Dallmayr, Jako-o oder Strenesse. Johannes Altmann ist Dozent an der Akademie des Deutschen Buchhandels und Initiator der Branchenauszeichnung “Shop Usability Award“. Laut exciting commerce ist Johannes Altmann Deutschlands bester Shopberater.
Typische Agenturen haben nunmal laufende Kosten (Büro, Angestellte, Arbeitsplatz-Einrichtung, Software, Schulungen, Steuerberater, Porsche), die irgendwie durch die Einnahmen finanziert werden müssen.
Von nichts kann man keine stetig verfügbare Manpower und kein Know-How liefern.
Ich sehe es so, dass nicht die Agenturen sich abschaffen, sondern der Preis- und Leistungsdruck die Freelancer und günstigen Homeoffice-Selbständigen abschafft. Übrig bleiben die größeren Agenturen, die aggressiv werben, viel Know-How mit seinen Angestellten versammeln kann und viel Output dank Manpower schaffen kann.
Bis ein einzelner Homeoffice-Freelancer einen 70.000 Euro Enterprise-Shop liefern kann, ist viel Zeit vergangen, geschweige denn ein Kunde traut einem Einzelkämpfer zu, dass er das schafft.
Das ist ja das andere Problem, dass viele Kunden eher zu den Agenturen mit vielen tollen Referenzen laufen, statt einem Kleineren zu vertrauen. Und das kostet dann halt, entweder in hohen Agenturkosten oder im schlimmsten Fall für ein Projekt, das in den Sand gesetzt wurde, falls ein Einzelner sich doch mal überschätzte.
Und man sollte nicht vergessen, dass unsere Regierung und auch die EU alles tun, um Shops richtig teuer zu machen. Das fängt schon an bei den obligatorischen Anwälten, die man braucht, um einen Shop halbwegs abmahnsicher zu gestalten. Wer einen Internet-Shop betreibt, braucht eigentlich ständig einen Anwalt an der Seite.
Ausserdem nicht zu vergessen die Featureitis, die teils von den Kunden gefordert wird. Viele Kunden möchten einen einfachen Shop bezahlen, aber die Möglichkeiten und “Features” der großen Shops haben, inklusive sämtlicher Bezahlsysteme, die “die anderen auch haben”. Von nichts kommt nichts und wenn man erst einmal anfängt, Entwicklungsarbeit zu leisten, ist es vorbei mit Routinearbeit und es kostet Zeit und wird teuer und ist zudem oft nicht vorkalkulierbar.
Ich glaube, es ist eher ein Irrtum zu glauben, dass im Internet alles billig zu haben sein muss, denn wenn man einen Shop mit einer Ladeneinrichtung vergleicht, würde keiner auf die Idee kommen, das für ein paar Euro zu bekommen: Ladenmiete, Ladeneinrichtung, Bestandsware, Verkaufspersonal, usw.
Übrigens sind auch erfolgreiche Konzepte und Ideen nicht kostenlos. Im Gegenteil, das kostet richtig Hirnschmalz und Zeit und Mühe. Nur weil andere scheinbar mühelos ein tolles Konzept haben und der Laden scheinbar läuft, muss das absolut nicht für den eigenen Fall zutreffen.
Und wegen der Bugs: Oft wird Open-Source Software verwendet. Für Open-Source wird keine Agentur und kein Freelancer die klug sind, eine Garantie abgeben, wenn sie die Software nicht gerade selbst entwickelt haben. Wer das als Kunde nicht will, muss auf Anbieter zurückgreifen, die ihre Shop-Software selbst entwickelt haben und eine Garantie darauf abgeben (können). Ob das dann billiger kommt, mag ich ernsthaft bezweifeln.
Aber wozu darüber eigentlich diskutieren? Selbst kommerzielle Software wird mit Bugs ausgeliefert die man dann im nächsten teuren Upgrade gelöst bekommt, nur um dann neue Bugs zu haben.
Ich glaube eher nicht, dass sich die Agenturen willentlich abschaffen, sondern dass eine Vielzahl von Einflüssen dafür sorgen, dass Shops teuer bleiben und Agenturen lediglich den Spagat zwischen Einkommen und Ausgaben zu halten versuchen.
Viele Freelancer können das gar nicht und geben auf, lassen sich von Agenturen anstellen oder eben von Shopbetreibern, die eigene Entwickler haben wollen.
Und tatsächlich, an einem Shop hört die Arbeit nie auf, es gibt immer wieder oder ständig was zu tun. Es braucht also ein ständiges Budget, egal ob für die Agentur, Freelancer oder den eigenen Entwickler.
Das sollte man dem Kunden auch mitteilen, bevor er das Projekt in Auftrag gibt.
Das hört sich alles nach einer hochgelobten Agentur aus Rain am Lech an. 🙂
Ich gehe davon aus, der Markt regelt sich selber.
Als ich 1998 meinen ersten Rechner bekam, und da ich selbstständig bin, auch eine Homepage brauchte, lagen die ersten Angebote von Agenturen seinerzeit, zwischen 10.000,- und 20.000,- D-Mark.
Man wusste zu der Zeit anscheinend nichts über eine solide Vorkalkulation.
Die Summe war, wie man inzwischen auf neudeutsch/irisch sagt, –
vollkommen “aus dem Arsch gezogen”
Habe stattdessen dann einen Freelancer genommen, der 150, – D-Mark pro Monat für Herstellung und Pflege meiner FirmenHomepage berechnete, das war O.K.
In dem Sinne und Gruß bis dann, –
Meister Kaiser Karl Johann
Dekorations & Kirchenmaler
Warum denken viele das man von einem “Freelancer” oder Ein-Mann-Selbstständigen etwas geschenkt erhält?
Auch Ein-Mann-Selbstständige haben laufende Kosten (Büro, Arbeitsplatz-Einrichtung, Software, Schulungen(meist mehr als beim eingleisigen Spezialisten), Steuerberater, Auto ;-)), die irgendwie durch die Einnahmen finanziert werden müssen.
Die stetige Manpower muss ich bei vielen Agenturen in Frage stellen. Oftmals gibt es auch dort nur wenige oder EINEN Spezialisten. Das merke ich an Anfragen von Agenturen im Shop und CMS Bereich bei Notfällen.
Das Agenturen schon für die Erstberatung, die manchmal “Workshop” genannt wird, vierstellige Beträge fordern, um anschließend “nur” ein konkretes Angebot zu erstellen war für mich schon erstaunlich. So schaffen sich viele Agenturen mit Sicherheit ab.
Muss man in den Shop-Bereich immer richtig oder garnicht einsteigen?
Brauch man immer ein supergeniales Layout vom prämierten Designer, Verkaufstexte vom Textredakteur, Produktfotos vom Meisterfotograf und eine Verkaufsstrategie eines Marketinggenies?
Oder tut es nicht auch ein leicht modifiziertes Standarddesign, in dem sich jeder Interessent sofort zurechtfindet?
Das hängt vom Produkt ab und ob B2B oder B2C verkauft werden soll. Und ich behaupte das viele Shopinteressenten hier auch “klein” anfangen und auch Agenturen an “kleinen” Budgets verdienen könnten.
Das größte Problem sind – wie überall – die Verkäufer in den Agenturen, die dem Kunden das Blaue vom Himmel versprechen! Ich glaube, dass es nur wenige Verkäufer gibt, die “Nein, das geht nicht.” sagen können!?
Internette Grüße 😉
Manuel Schmöllerl
Ich kann die Erfahrungen nur bestätigen, muss aber auch dazu sagen: Dahinter steht oftmals nicht mal unbedingt böser Wille oder “Gier”, sondern schlichte Inkompetenz. Ich stehe gerade selbst vor einem Agenturwechsel, weil die Entwickler ihr eigenes System nicht verstehen – wurde an einer Stelle etwas eingebaut, funktionierte etwas anderes nicht mehr. Beratung – für die es durchaus auch rechtliche Verpflichtungen gibt! – hat praktisch nicht stattgefunden, Ignorieren wichtiger SEO-Konzepte u.ä. hat das Unternehmen in den letzten Jahren Millionenbeträge gekostet (was aber vor meinem Einstieg niemandem bewusst war).
Letztlich kann man es auf zwei Punkte zurückführen: Kompetenz in der Agentur, und Kompetenz beim Shop-Betreiber.
Als Verantwortlicher DARF ich mich nicht nur auf die Agentur-Beratung verlassen, ICH trage schließlich die Verantwortung, und muss auch die Empfehlungen der Agentur (sofern überhaupt vorhanden) hinterfragen können. Das ist selbst bei einer eigentlich kompetenten Agentur wichtig, da denen evtl. Einblicke in die eigenen technischen Systeme oder das Markenverständnis fehlen.
Insofern muss ich sagen: Ich habe wenig Mitgefühl mit Unternehmen, die sich auf inkompetente Agenturen einlassen. Dahinter steht in fast allen Fällen der ständige Wunsch nach übertriebenem Kostendrücken (alles haben wollen, aber nix dafür bezahlen), oder das Problem des “Belabern lassens” – oder beides. Und da die Entscheidung für eine Shop-Agentur von Managern getroffen werden, ist es deren Pflicht und Verantwortung, sich eben nicht belabern zu lassen und die Kosten und Anforderungen richtig einschätzen zu können.
Wer daran scheitert, hat es nicht besser verdient.
Ich erinnere mich gerne an die Zeit vor ca. 10 Jahren, als man das Thema “Beteiligungsmodell” aufgrund von Unwissenheit und fehlendem Budgets als Brotkrümel dem armen Webdesigner vorgeschlagen hat. Das Prinzip hat sich scheinbar gegen seine Erfinder gedreht. Aus der Praxis kann ich ebenfalls dutzende Anfragen pro Jahr vorweisen, die bereits im Vorgespräch davon sprechen, das eigentlich kein Geld zur Verfügung steht, weil man sich in den letzten zwei Jahren mit einer großen Agentur verzockt hat und man nun erst noch das “Gerichtsurteil” abwarten muss. Es werden auch zukünftig die Freelancer sein, die den ganzen Müll aufräumen müssen 😉
Ja dieser Bericht ist wie aus unserer Feder geflossen . Eine Agentur ging im Prozess pleite eine andere Hamburger Agentur mit bestem Leumund hat dann aus unsere Sicht an das Projekt die B-Mannschaft auf dem Eis spielen lassen .
Auf das sich der Markt bereinigt , leider auch im Handel .
Was soll ich sagen… wir machen aktuell das Dilemma durch.
Das blaue vom Himmel versprochen, oder wie eine andere Agentur sagte “das Marketing war schneller als die Entwicklung”
Wir waren auf der Suche nach einer vernünftigen WaWi, das einzige was zZ. funktioniert ist der Export der Bestellungen.
Als Endkunde hat man natürlich nicht imer die Möglichkeiten alles zu prüfen, mehr als sich Informationen (bei uns vom Shopsystemhersteller) über den jeweiligen Anbieter einholen kann man nunmal nicht.
Viel wichtiger wäre die Frage, welche rechtlichen Schritte bleiben mir als Endkunde bei Täuschung??
Man muss Glück haben engagierte und kompetente Leute für die Shop Entwicklung zu finden. Oft unterschätzen Auftragnehmer und auch Auftraggeber oftmals den enorm hohen Aufwand ein Shop System erfolgreich bereitzustellen über alle Disziplinen. Vor allem da sich der Online Shop messen soll mit Projekten wo sehr große Budgets von Investoren fließen und damit auch die Besten einkaufen. Egal ob Agentur oder Freelancer (-Team), beide werden sich schwer tun den Anforderungen aus Internettechnologien, Werbung, Recht und Betriebswirtschaft in Einklang zu bekommen. Mittelfristig sehe ich auch hier einen völlig neuen Agenturtyp, der dies zusammenbringt. Aktuell wäre es jedoch sinnvoll Kunden vorab zu beraten, was alles auf Ihn zukommt. Wenn der Kunde z. B. nicht mind. > 500 TSD EUR umgesetzen wird (online), lohnt Arbeit und Risiko kaum. Vor allem in Hinblick auf die Schnelllebigkeit und dem agressiven Verdrängungswettbewerb bestehender Händler, die über all “finetuning” betreiben.
Ich gebe Anonyomous in allen Punkten recht. Als Entscheider darf ich nicht blind vertrauen – und das zieht sich durch alle Unternehmensbereiche -leider!