Popup-Stores in der Retail-Strategie des Interaktiven Handels

Im Video-Interview kündigte Frontlineshop-Geschäftsführer Stefan Sommer nicht nur an, dass die Hamburger Streetwear-Spezialisten nach einer Pause jetzt wieder in Printwerbung mit Katalogen einsteigen. Er erklärte auch, dass Frontlineshop auch künftig immer wieder mit Popup-Stores arbeiten wird.

Auf kassenzone.de hat sich daran eine kleine Diskussion angeschlossen, in der unter aanderem über die Perspektive einer „Barkasse“ Frontlineshop neben einem „Supertanker“ Zalando philosophiert wurde. Das sei hier nicht das Thema. In einem Nebensatz hat Alexander Graf dort kontrastiert, dass im Onlinehandel „Entdecken“ nicht funktioniert wie im stationären Geschäft, und dass dort eine höhere Bindung bestehe als dies im Onlinehandel möglich sei.

Hinsichtlich der Bindung bin ich nicht sicher – immerhin hat eine Studie der ECE ja genau das Gegenteil festgestellt: Onlineshops haben loyalere Kunden als Läden, zumindest unter den Besuchern von Shopping-Centern. Aber es ist schon ein spannender Gedanke, dass ein Onlineshop die stationären Geschäfte doppelt nutzen kann: Zur gezielten Aktivierung und Bindung seiner Kunden vor Ort, aber auch, um „entdeckt“ zu werden. Dafür eignen sich Popup-Stores sicherlich, weil sie nach Opportunitätskriterien gerechnet werden können:

  • Die kurzfristige Miete füllt die temporären Leerstände in besseren Lagen.
  • Saisonal gibt es spannende Möglichkeiten, dort aufzutreten, wo die Quadratmeter für die normalen Mieter zu unproduktiv werden.
  • Das „Neue“ im Straßenbild erzielt automatisch höhere Aufmerksamkeit, und die Einladung an den Kundenstamm bekommt automatisch Event-Charakter.
  • Wenn Alexander Graf Recht hat, kann die Bindung stationär aufgebaut und online weitergeführt werden.

Allerdings hakt es dafür an einer auf neue Onlinekonzepte schlecht vorbereiteten Stelle: Bei den Immobiliengesellschaften und stationären Anbietern. Als Verband stehen wir hierzu sowohl mit verschiedenen IHKs als auch direkt mit Immobiliengesellschaften im Kontakt. Denn diese machen sich inzwischen Gedanken darüber, dass die üblichen Bindungsfristen und Flächenteilungen nicht mit der Veränderung übereinstimmt. Das geht bis hin zu den Fragen der tagesgleichen Lieferung oder der Click- bzw. Reserve-to-Collect Angebote, die z.T. andere Zuwegungen benötigen.

Anfang der Woche ist im Berliner Tagesspiegel ein Artikel über Saison-Berufe erschienen. Saison-Berufe werden in vielen Fällen in „Saison-Betrieben“ und in „Saison-Arbeitsstätten“ ausgeübt. Das sind natürlich Eisdielen, aber auch Fahrrad-Verleihe, Bootsverleihe und Reedereien, Freibäder, Gartenbau-Betriebe…

Es gibt viele solcher Flächen, die in einer der Hochzeiten des Versandhandels – dem Weihnachtsgeschäft – geringere Auslastung haben. Oder übers Jahr verteilt von Untermietern aus dem Handel profitieren könnten, wie z.B. kleine private Galerien (am Hamburger Dammtor-Bahnhof werden Galerie-Räume schließlich regelmäßig für Live-Jazz genutzt…). Und diese gibt es in fast jeder Stadt, zum Teil auch in guten Lagen. Man kennt sie ja auch: Nippes-Anbieter, die von November bis März im Eiscafé ihre Waren feilbieten.

Normalerweise sollte ein disparates (Flächen-)angebot über das Internet ideal mit einer genau so disparaten Flächen-Nachfrage verknüpft werden können. Sozusagen eine Mischung von AirBnB und Immobilienscout für Popup-Stores. Nach meiner Recherche gibt es das noch nicht – Immoscout nimmt zwar Nachfragen an, allerdings gibt er diese an die etablierten Makler weiter, die im Moment eifersüchtig über ihre exklusiven oder teil-exklusiven Flächen wachen.

Transparenz gibt es also nicht, und speziell die hier gefragte „Untervermietung“ hat zwar eigene Tücken, läuft aber auch völlig neben den normalen Vermittlungswegen. Dabei könnten so Magneten für die Innenstadt geschaffen werden, die sowohl dem Onlinehandel als auch dem stationären Umfeld nützen.

Über den Autor:

Martin Groß-Albenhausen ist Geschäftsführer der BVH Service GmbH in Berlin und betreut im Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) die Themen e-Commerce, Social Media und Marketing. Zuvor war er 13 Jahre Chefredakteur und Herausgeber des Branchendienstes "Versandhausberater".

28.10.13
Martin Groß-Albenhausen

Martin Groß-Albenhausen