Eigentlich sollten ARD und ZDF zufrieden sein: Sie haben zwar den Ruf des Kukident-Fernsehens, aber schließlich weiß der Soziodemograph, wo das Geld sitzt: Bei den Best-Agern. Auf die zielt jetzt Sat 1 Gold, ein Zielgruppen-Sender für die 49-64jährigen. Und was machen ARD und ZDF?
Sie planen einen Jugendsender.
Kohorten zu bilden macht Sinn. Auch für unsere Branche ist es ja richtig, dass man den Kunden im Lebenszyklus nicht aufgeben will. Deshalb hat beispielsweise das Versandhaus Walz zwischen das Junge-Familien-Konzept "Baby-Walz" und die "Moderne Hausfrau" später "Walz-Kidzz" und "Crea-Walzz" geklemmt (heute sind die Titel zusammengelegt) und am Ende mit "Sunny-Walz", heute Walzvital, abgerundet.
Inzwischen ist der Markt offenbar reif für Internet-Konzepte, die stark auf Senioren setzen. Bislang mag man auf die "Alten" als sichere Bank des Multichannel-Versandhandels geblickt haben: Im Katalog-gebundenen Versandhandel sozialisiert, bleiben sie diesem Bestellumfeld überwiegend treu.
Oder doch nicht? Ich habe mir die Feindaten unserer seit Jahren durchgeführten Verbraucher-Studien angesehen, die wir jedes Jahr aktualisiert vorstellen. Und da zeigt sich ein durchaus differenziertes Bild.
Die Universalversender haben ihre Durchdringung in der Senioren-Zielgruppe in den letzten fünf Jahren halbiert. Das mag auch darauf zurückzuführen sein, dass sich die Zahl der Universalversender deutlich verringert hat und einige bestehende ihren Fokus auf jüngere Zielgruppen legen (ARD und ZDF lassen grüßen).
Im Vergleich noch einigermaßen stabil zeigen sich die Spezialversender, die allerdings inzwischen von den großen "Gewinnern" in der Senioren-Zielgruppe attackiert werden:
Die Internet-Pureplayer haben als Kaufort in der Nennung die Universalversender im Jahr 2011 überrundet. Und die Trendlinie in der Grafik oben weist deutlich nach oben.
Natürlich darf man diese Daten nicht überstrapazieren. Eine Verbraucher-Befragung verzerrt zuweilen Trends. Es braucht dennoch nicht viel Phantasie, um für die nächsten Jahre einen noch deutlicheren Zuwachs für die Pureplayer zu erwarten. Denn einerseits wächst das Internet in dieser Zielgruppe allein durch die Erhöhung der Nutzerzahlen. Zum anderen rücken jedes Jahr mehr Menschen in die Kategorie der "Senioren" nach, die das Internet selbstverständlich bedienen.
Wer in diesem Ökosystem vollständig zuhause ist, kann - Multichannel-Effekte hin oder her - auf Kosten der anderen wachsen. Denn auch bei den Senioren steigt das frei verfügbare Einkommen nicht, weil trotz der versprochenen Renten-Anhebungen bestenfalls die Inflation ausgeglichen wird.
Wenn ProSieben Sat1, die das Konzept "Media for Equity" in Deutschland massiv durchgesetzt haben, es richtig macht, können im "Gold"-Umfeld schnell skalierende Online-Konzepte für Senioren gelingen.
Die bisher mit einer noch eher traditionellen Kundschaft gesegneten Anbieter haben jetzt die Chance, ihre Systeme auf diese neue Zeit hin auszurichten. Die Zeit läuft.
Martin Groß-Albenhausen ist Geschäftsführer der BVH Service GmbH in Berlin und betreut im Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) die Themen e-Commerce, Social Media und Marketing. Zuvor war er 13 Jahre Chefredakteur und Herausgeber des Branchendienstes "Versandhausberater".