Standortdaten - und wieder überlassen wir alles G...

Ich liebe Standortdaten. Vor allem auf der Autobahn will man ja eigentlich nicht stehen, aber wenn man steht, dann richtig. Deshalb war der Ansatz des ADAC richtig, seine Mitglieder zu animieren, die Positionweitergabe durch Smartphone-Tracking zu erlauben und daraus Stauprognosen abzuleiten.

Doch auch Google nutzt solche Daten. Nicht nur für die Stauprognose.

Die Standortdaten fließen dann wiederum in die Stauprognosen des ADAC ein und ermöglichen live das Umfahren von Staus. Für Android-Smartphones gibt es die App "Stau mobil".

"Basierend auf den verlässlichen Daten des ADAC zeigt die App stets die aktuellsten Verkehrsinformationen auf Autobahnen und Bundestraßen an und bietet einfachen Zugriff auf die Staus in Ihrer Nähe."

Das ist keineswegs eine App des ADAC, denn für ADAC-Mitglieder wiederum gibt es eine noch übersichtlichere Darstellung der Verkehrslage auf einer eigenen App. Diese greift auf die Bewegungsdaten von Teilnehmern des oben beschriebenen ADAC-StauScanners zurück. Die Daten werden anonym und verschlüsselt übermittelt.

Warum reite ich darauf herum? Weil ich die ADAC-App inzwischen nicht mehr nutze. Google hat ebensolche Bewegungsdaten, vermutlich deutlich mehr, und warnt von sich aus durch rote, gelbe oder grüne Markierungen, wenn sich auf der vorgesehenen Strecke ein Stau entwickelt. Die Daten fließen live in Googles Navigationssystem ein. Im Herbsturlaub hat mir das mehr als eine Stunde Lebenszeit im Wagen gespart.

Um solche Bewegungsdaten hat eine Diskussion entfaltet, vom Bundesministerium schließlich mit der Aussage beendet, dass "der Handel mit Standortdaten grundsätzlich verboten" sei. Und in anonymisierter Form nur dann, wenn die Informationen an "Dienste mit Zusatznutzen" weitergegeben werden. Hintergrund war die inzwischen kassierte Absicht des O2-Eigners Telefónica, die "Standortdaten" der Nutzer mit Hilfe der GfK so zu verarbeiten, dass dadurch "actionable insights" werden.

  • Telefónica wollte mit der GfK zusammen ein Geschäftsmodell entwickeln.
  • Google braucht keine GfK.
  • Telefónica hätte die Informationen vielleicht an Außenwerber weiterverkauft, die auf dieser Basis gezielter Werbeflächen verkaufen könnten.
  • Google kann mit den Daten den Zukunftsmarkt der mobilen Werbung entwickeln.
  • Telefonica würde vielleicht im Rahmen der GfK-Kooperation dem Einzelhandel wertvolle Informationen über den tatsächlichen "Lauf" anbieten.
  • Google kann mit den Daten ein Bid-Management für digitale Displays entwickeln.

Google muss keine Daten weitergeben und kann dennoch alle diese Zukunftsdienstleistungen erbringen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat es offensichtlich nicht so mit dieser Art der Wirtschaftsförderung. Ob mit der oben zitierten lapidaren Aussage am Ende wiederum etwas mehr Macht und Kontrolle amerikanischen Konzernen überlassen wird, statt hierzulande einen vernünftigen Rahmen zu setzen - das werden wir in den nächsten 18 (oder eher zwölf) Monaten sehen.

Auch hier geht es um die Frage, ab wo Daten personenbezogen und nicht mehr anonym sind. Wenn Bewegungsdaten und andere Daten aus der Smartphone-Nutzung aggregiert werden, so dass am Ende die Schaufenster eher auf die Profile der Passanten zugeschnitten werden, kann das anonymisiert erfolgen. Wer die Hollister-Schaufenster sieht, die nur noch aus Screens bestehen, braucht wenig Phantasie: Natürlich kann zu jeder Tageszeit ein anderes Publikum mit anderen emotionalen Welten angesprochen werden.

Ich halte das für gut und sinnvoll und effizienzsteigernd, und Performance-Marketing in der Außenwerbung würde sicherlich der Optimierung der "Customer Journey" (Weg des Kunden vom ersten bis letzten Kontakt mit einer Marke, einem Produkt etc.) dienen (und: ja, man kann diese so interaktiv aufladen, dass sie messbar wird).

Vor allem aber ist es wichtig, dass es alternative Quellen für solche wichtigen Daten gibt. Wenn wir "Social" und "Mobile" den Facebook, Google, Apple und Amazon überlassen, dann wird auch "Local" bald nicht mehr in Miesbach und Chemnitz, sondern in Mountain View und Cupertino optimiert.

Über den Autor:

Martin Groß-Albenhausen ist Geschäftsführer der BVH Service GmbH in Berlin und betreut im Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) die Themen e-Commerce, Social Media und Marketing. Zuvor war er 13 Jahre Chefredakteur und Herausgeber des Branchendienstes "Versandhausberater".

05.11.12
Martin Groß-Albenhausen

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