Reklamationen gehören zum Online-Handel, wie der Abstieg des FC Köln aus der 1. Bundesliga. Doch eine Beschwerde bedeutet nicht immer automatisch, dass der Kunde verloren ist. Es gibt erprobte Strategien, wie Shopbetreiber den Kunden trotz einer Reklamation weiterhin für seinen Shop begeistern können.

Nehmen Sie Platz auf dem dreibeinigen Stuhl.

Ich habe gar nicht erst damit gerechnet, dass der Telefonanschluss in meinem neuen Berliner Domizil problemlos geschaltet werden könnte. Die Bestellung  ließ sich dabei eigentlich sehr gut an:

  • Auftrag Anfang Juni zur Schaltung Anfang Juli – kein Problem
  • Bestätigung der Termine per e-Mail und SMS
  • Telefonische Klärung der Installation am Hausanschluss und der verfügbaren Steckdosen.
  • Lieferung aller nötigen Einwahlunterlagen für DSL etc. pünktlich im Vorfeld nach Hause.

Eine sehr positive Erfahrung. Die Probleme fingen ab dem “Fulfillment” an:

Das Zeitfenster für den technischen Anschluss erforderte einen vollen Urlaubstag – dumm, dass niemand vorbeikam und abends kein Netz verfügbar war. Diverse Rückfragen weiter die Information: Der bunte Bonner Konzern habe die Leitung von extern schalten können – dass es nicht funktioniere, könne ohne Techniker vor Ort behoben werden. Nach weiteren 24 Stunden die Erkenntnis: Geht doch nicht, ein weiterer Techniker-Termin “zwischen 8 und 12 Uhr” sei zwei Werktage später nötig. Wobei wiederum kein Techniker erschien. Am Abend kam allerdings per E-Mail die Berechnung für die Kosten des erfolgreichen Netzanschlusses.

Also die ganz üblichen Probleme eines Telefon-Neuanschlusses.

Bemerkenswert war die Qualität des Kundenservice. Tatsächlich wurden diverse externe Telefonnummern mit meiner Auftragsnummer verheiratet, so dass ich ohne weitere Mühen direkt stets Informationen zu meinem (bis heute nicht erfüllten) Auftrag erhielt. Die Reklamation wurde stets höflich aufgenommen und vor allem in der Buchhaltung setzten die Mitarbeiter des Telekommunikationsunternehmens alle Hebel in Bewegung, um die Abbuchung der Rechnung zu stoppen und Gutschriften zu erzeugen.

Was besonders ins Auge fällt: Der SMS-Service. Vom Tag der ersten Enttäuschung an hielt mich der Telco-Anbieter täglich per Kurznachricht auf dem Laufenden:

10. Juli: “… haben Ihre Störungsmeldung erhalten. Bitte haben Sie noch etwas Geduld, wir arbeiten an einer Lösung…”

10. Juli: “… um Ihren DSL-Anschluss zu entstören, ist ein Technikereinsatz notwendig. Bitte vereinbaren Sie einen Termin. …”

11. Juli: “… aktuell bearbeiten unsere Service-Techniker Ihre Störungsmeldung… Selbstverständlich informieren wir Sie umgehend, sobald wir neue Informationen für Sie haben …”

12. Juli: “… unsere Service-Techniker arbeiten weiterhin mit Hochdruck an der Entstörung Ihres DSL-Anschlusses. Sie können Ihren DSL-Anschluss in Kürze wieder in vollem Umfang nutzen …”

13. Juli: “… unsere Service-Techniker arbeiten weiterhin vorrangig an der Entstörung Ihres DSL-Anschlusses. Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung. Wir informieren Sie erneut, sobald wir Neuigkeiten für Sie haben….”

14. Juli: “… wir bedauern sehr, dass Sie Ihren DSL-Anschluss noch nicht nutzen können. Die technischen Bedingungen verzögern die Instandsetzung. Bitte haben Sie noch etwas Geduld.

15. Juli: “… bitte entschuldigen Sie die verlängerte Bearbeitungsdauer. Die technischen Voraussetzungen verzögern die Instandsetzung Ihres DSL-Anschlusses. Selbstverständlich kontaktieren wir Sie umgehen, sobald uns neue Informationen vorliegen…”

Beachten Sie die Steigerung der Wortwahl: “bearbeiten” – “mit Hochdruck” – “vorrangig”.

Dennoch fehlte es in der Kommunikation an drei Basics eines “Qualitäts-Anrufs”, der Kunden-Begeisterung auslösen kann. Diese Basics kosten kein Geld, sondern lediglich Organisation.

Erklären Sie dem Kunden, was genau getan wird, um sein Problem zu lösen.

Setzen Sie klare Termine, zu denen ein Rückruf oder eine Information erfolgen wird, und halten Sie sich daran. Wenn dann noch keine Lösung möglich ist, erläutern Sie den Status und bieten Sie dem Kunden ggf. Besserung an.

Informieren Sie pro-aktiv zu allen Aspekten. Die Aussage “Das ist eine andere Abteilung, das kann ich hier nicht sehen.” zeigt dem Kunden nur, dass er in die Mühlen eines Konzerns geraten ist.

Im klassischen Direktmarketing gibt es für die Teaser-Formulierung den sogenannten “dreibeinigen Stuhl”. Ein starkes Werbe-Versprechen ist einzigartig im Wettbewerb, ultraspezifisch und zeitlich begrenzt. Diesen dreibeinigen Stuhl gibt es auch im Service. Detaillierte Auskunft, zeitlich präzise Aussagen und die integrierte Sicht auf den Kunden – verbunden mit einem Instrumentarium an Incentives – macht den Unterschied. Nicht die Technik.

Über den Autor:

Martin Groß-Albenhausen ist Geschäftsführer der BVH Service GmbH in Berlin und betreut im Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) die Themen e-Commerce, Social Media und Marketing. Zuvor war er 13 Jahre Chefredakteur und Herausgeber des Branchendienstes “Versandhausberater”.

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