Auf den Marktplatz - und darüber hinaus

Auf dem Hitmeister e-Commerce-Day hat Alexander Graf einen strategischen Vortrag gehalten, der über das Tagesgeschäft der teilnehmenden Onlinehändler weit hinaus ging. Auch Nischenanbieter müssen sich heute und spätestens morgen immer mehr als Marktplätze öffnen.

Kundengewinnung ist ohne ausreichende Breite und Tiefe nicht mehr möglich.

Was resultiert, ist ein Hyperwettbewerb auf SEO- und SEA-Basis: Die Zahl der Kunden wächst genau so wenig wie das für den Einzelhandel verfügbare Budget. Stattdessen bieten bei Google und künftig sicher auch immer stärker im Display Markt immer mehr Wettbewerber mit.

  • Retailer mit eigenem Shop, der so schlecht für Suchmaschinen optimiert ist, dass Geld für Traffic sorgen muss.
  • Affiliates und Intermediäre, die reine Arbitrage-Geschäfte machen.
  • Startups, die von den geringen Gestehungskosten angelockt werden: Günstige OS-Shopsysteme, Warensortiment auf Basis von Streckengeschäft als Ergänzung zum kleinen eigenen Sortiment...

Dass jeder Händler selbst Marktplatz werden kann, ist das Konzept von Intershops Tochter "TheBakery", die damit den oben beschriebenen Mechanismus noch verstärkt: Auch Hersteller werden zu Marktplätzen und werfen ihre Daten in den SEO-Ring.

Die Disziplinen, die Interaktive Händler künftig beherrschen müssen, multiplizieren sich. SEO genügt nicht. Kelly Mooney hat die vielen Touchpoints im Internet als "Distributed Web" dargestellt (s.o.). Sie sind auch "Distributed Commerce", denn jeder dieser Punkte ist ein potentieller POS. Nur mit Web-Excellence kann der Händler davon aber profitieren. (Deshalb auch mein Plädoyer für den Fokus auf das Web statt auf Multichannel.)

Die Frage ist aber, was kommt nach den Marktplätzen? Alexander Graf sieht die Haupt-Aufgabe im "Engagement" und damit bei Konzepten, die nicht produktorientierte Verkaufslisten in Standardrastern sind. "Exciting" sind für ihn andere Konzepte.

Für den Moment kann man freilich noch konstatieren, dass der so schlecht beleumundete "Lame Commerce" sehr gut skaliert. fahrrad.de-Gründer René Marius Köhler hat auf dem "New Media Symposium" von Meyle+Müller angedeutet, dass in kürzester Zeit die "uralte" Versandmarke Brügelmann, günstig erworben, fast die Hälfte des fahrrad.de-Umsatzes erreicht hat. Klar: Nische und entsprechend fokussierte Angebote erzeugen diese Kundenbindung. Und das bei günstigeren Search-Kosten.

Dennoch müssen die Onlinehändler, ob alt oder neu, Pureplay oder Multichannel, sich über die Frage Gedanken machen, wie sie sich aus dem produkt-zentrierten Rattenrennen um die hohe Search-Positionierung oder den wettbewerbsfähigen Preis auf Marktplätzen befreien können. Sonst hängen die Händler früher oder später am Tropf der Suchmaschinen und Marktplätze. Die Antwort wird sicher nicht in Schlagworten wie Liveshopping oder Crowd oder Social liegen. Aber wir brauchen den kreativen Aufbruch, der nach neuen Wegen der Kundengewinnung und Kundenbindung forscht - disruptiv oder auf Basis der bestehenden Excellence.

Über den Autor:

Martin Groß-Albenhausen ist Geschäftsführer der BVH Service GmbH in Berlin und betreut im Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh) die Themen e-Marketing und Social Media. Zudem ist er Autor im bvh Blog How2Trade Zuvor war er 13 Jahre Chefredakteur und Herausgeber des Branchendienstes "Versandhausberater".

10.05.12
Martin Groß-Albenhausen

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