Referentenentwurf: Das Ende des fliegenden Gerichtsstandes

Der sog. "fliegende Gerichtsstand" sorgt dafür, dass bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht im Internet jedes Landgericht in Deutschland für entsprechende Klagen zuständig ist. Seit langem gibt es Forderungen, diesen Umstand abzuschaffen. Nun liegt ein Referentenentwurf vor, mit dem diese Forderung erfüllt werden soll.

Lesen Sie mehr über den Entwurf und einen Gegenvorschlag.

Unbeabsichtigt gelangte ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministeriums in die Öffentlichkeit, mit dem unter das Abmahnwesen in Deutschland reformiert werden soll.

In mehreren Beiträgen wollen wir Ihnen die darin geplanten Änderungen vorstellen und auch Stellung dazu nehmen.

Geplante Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes

Besonders viel Unmut ruft bei Abmahnungen der sog. fliegende Gerichtsstand hervor. Bei Verstößen im Internet kann der Abmahner jedes Landgericht im Bundesgebiet anrufen.

Diese Möglichkeit soll durch eine Neufassung des § 14 UWG abgeschafft werden. Sollte der Entwurf in Kraft treten, wird nur noch das Landgericht am Sitz des Beklagten zuständig sein, sofern dieser seinen Sitz oder eine Niederlassung in Deutschland hat.

"(1) Für Klagen auf Grund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat. Hat der Beklagte auch keinen Wohnsitz, so ist sein inländischer Aufenthaltsort maßgeblich.

(2) Für Klagen aufgrund dieses Gesetzes ist außerdem nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist, wenn der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat.“

Mit der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes soll eine langjährige Forderung der Wirtschaft erfüllt werden.

Diese geplante Änderung hat aber auch negative Konsequenzen für den Abgemahnten.

Der fliegende Gerichtsstand wird nämlich auch ihm genommen.

Erstattungsanspruch bei Rechtsmissbrauch

Mit dem Entwurf soll auch explizit ein Erstattungsanspruch eingeführt werden, der dann greift, wenn jemand rechtsmissbräuchlich abgemahnt wurde.

In diesem Fall soll der Abgemahnte seine erforderlichen Verteidigungskosten vom Abmahner ersetzt verlangen können.

Mit dem fliegenden Gerichtsstand, könnte er sich das Gericht aussuchen, bei dem er die Erstattungsklage anhängig macht.

Mit der jetzt vorgeschlagenen Änderung, das Klagen immer am Sitz des Beklagten anhängig gemacht werden müssen, ist der Abgemahnte mit seiner Klage an den Sitz des Abmahners gebunden.

Das ist mit erheblichen Risiken für den Abgemahnten verbunden, da die Rechtsprechung der einzelnen Gerichte zum Thema Rechtsmissbrauch sehr unterschiedlich ausfällt.

"Umgekehrter" Gerichtsstand besser?

Durch den nun gewählten Vorschlag können massenhafte Abmahnungen außerdem nicht eingedämmt werden, da Abmahner ihre Klagen gegen unterschiedliche Gegner noch immer im gesamten Bundesgebiet anhängig machen können.

In Deutschland gibt es 116 Landgerichte, die - abgesehen von Spezialzuständigkeiten in manchen Bundesländern - für Klagen nach dem UWG zuständig sind. Eine massenhafte Abmahntätigkeit kann also weiterhin über das gesamte Bundesgebiet verteilt werden.

Würde man die örtliche Zuständigkeit dagegen auf den Sitz des Klägers verlegen, müsste ein Abmahner seine Unterlassungsklagen immer am gleichen Ort anhängig machen, nämlich bei seinem "Heimatgericht".

Das hätte den Vorteil, dass das Gericht aus eigener Hand Informationen über die Häufigkeit von Klagen und das Verhalten im Prozess des Abmahners hat. Ein Rechtsmissbrauch wäre so einfacher festzustellen.

Dies würde allerdings einen Systembruch im deutschen Deliktsrecht bedeuten, weil man den Beklagten damit verpflichten würde, zum Kläger zu kommen.

Allerdings ist bereits die geplante Abschaffung der Zuständigkeit des Gerichtes, an dem sich die Handlung auswirkt, ein Systembruch im deutschen Deliktsrecht, sodass dieses wohl zu verschmerzen wäre.

Hinsichtlich der Eindämmung massenhafter Abmahnungen wäre es wohl der bessere Schritt.

Fazit

Die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes in der derzeit geplanten Form wird nicht dazu führen, dass weniger abgemahnt wird. Es wird wohl eher dazu führen, dass Händler, die ihren Sitz in einem sehr strengen OLG-Bezirk haben, häufiger abgemahnt werden als Händler, die nicht in einem solchen OLG-Bezirk sitzen.

Die "umgekehrte Lösung", also dass Abmahner an ihrem Sitzgericht klagen müssen, würde dagegen dazu führen, dass die mit Abmahnungen befassten Gerichte einen besseren Einblick in die Häufigkeit und Art der Abmahnung haben und so einen Rechtsmissbraucher leichter erkennen können.

Noch ist dies ein erster Entwurf. Ob die Regelungen tatsächlich so in Kraft treten werden, ist jetzt noch völlig offen. Auch der weitere Zeitplan ist derzeit noch nicht bekannt.

Gerne können Sie unter dem Beitrag in einem Kommentar Ihre Meinung zu der geplanten Änderung äußern und mit anderen Lesern und mir diskutieren. (mr)

Lesen Sie mehr zu dem Entwurf:

17.04.12