Ja, da bin ich mir ganz sicher. Gibt es doch fast überall, typische Blickpfade, wieso nicht auch im Web? Zum Beispiels auf den Webseiten von Online-Shops. Im klassischen Direktmarketing sowie der allgemeinen Werbe-Psychologie sind standardisierte Blickverläufe schon seit Jahrzehnten bekannt.

Schauen wir uns zunächst mal erfolgreiche Beispiele aus anderen Bereichen an:

Fast-Food Ketten – und hier im Besonderen die Gestaltung der Kassenrückseite. Was tun Sie, wenn Sie bei McDonalds, Burger King & Co. anstehen? Sie schauen sich in der Regel die Tafeln mit den Angeboten und Menüs an. Wägen ab, überlegen was Sie essen möchten bzw. essen dürfen und schauen was andere so bestellen.

Sobald Sie eine erste Auswahl getroffen haben – und das kann dauern – fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Bedienung. Sie bereiten sich auf Ihre Bestellung vor und beobachten die Bedienung bzw. den / die Kassierer(in) immer intensiver. Dann kommt der Moment der Abgabe Ihrer Bestellung und der Bezahlung.

Wo schauen Sie nun hin? Die meisten schauen in diesem Moment den oder die Kassierer(in) an, nehmen Blickkontakt auf, hören zu was diese(r) fragt, antworten und wenn der Betrag genannt wird, dann schauen die meisten Kunden auf das Kassendisplay, auf dem der Betrag angezeigt wird.
Ein ganz typischer Blickpfad – der nahezu unweigerlich bei alle Kunden und Bestellern auftritt.

Was fangen die Fast-Food Ketten mit dieser Erkenntnis an?

Sie positionieren Hinweise auf Aktionen, Neuigkeiten und Produktankündigungen auf der Rückseite der Kassen. So ist gewährleistet, dass diese werblichen Hinweise von möglichst vielen wahrgenommen werden.

Positive Wirkungen:

  • Spontane Kaufhandlungen („Ach Softeis haben die auch, probier ich doch gleich mal!“) oder die
  • Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, die zu späteren Zeitpunkten bewußt oder unbewußt wirksam werden („Wenn die Klum für die wirbt, na dann kann das doch gar nicht so ungesund sein!“).

Es lohnt sich also typische Blickpfade zu identifizieren und daraus Maßnahmen abzuleiten. Im Fall der Fast-Food Ketten werden werbliche Hinweise zwischen Kunde und Kassierer(-in) positioniert, in Pintanzeigen schauen Models ganz bewußt abgebildete Produkte an (und der Betrachter folgt dem Blick des Models) und auf Online-Shops – welche Blickpfade sind beim Online-Shoppen typisch?

Typische Blickpfade auf Online-Shops (ein erste Auswahl):

  • Beim Aufruf der Startseite: Von der Seitenmitte hin zum Eingabefeld der Produktsuche
  • Beim Laden von Seiten: Hin zur animierten Ladeanzeige
  • Beim Lesen eines Textes – das so genannte F-Muster: Anlesen des Textes (1-2 Zeilen), dann nach unten springen bis zu einem Ankerreiz (z.B. Fettsetzung, Aufzählung), wieder etwas lesen (horizontale Blickbewegung) und danach wandert der Blick nach unten zum Ende des Textes bzw. zum Seitenende.
  • Auf einer Produktdetailseite: Von der Produktabbildung, über den Text und die Preisangabe hin zum Warenkorb-Button.
  • Blick hin zum Logo: Beim Aufruf einer unbekannten Seite (z. B. über Google & Co.) und beim Zurücknavigieren zur Startseite per Klick auf das Logo (so genanntes Speiche-Nabe Verhalten).
  • Auf der Warenkorbseite: hin zum Gesamtpreis und danach zu den Versandkosten.

Sie sehen: Auch auf Online-Shops scheint es typische Blickpfade zu geben. Welche fallen Ihnen noch ein? Und: Was leiten Sie aus diesen Erkenntnissen für Ihre Shop-Gestaltung ab? Schreiben Sie uns einfach einen Kommentar.

Thorsten WilhelmDer Autor:

Thorsten Wilhelm, Gründer & geschäftsführender Gesellschafter der eResult GmbH ist seit 1996 als Forscher und Berater für Usability und Online-Marketing tätig. Er studierte an der Universität Göttingen Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Wirtschaftspsychologie. Im Anschluss war er mehrere Jahre in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung am Institut für Marketing und Handel der Universität Göttingen tätig. Im Jahr 2000 gründete Thorsten Wilhelm zusammen die eResult GmbH. Thorsten Wilhelm ist aktives Mitglied im Marketing-Club Göttingen, im Berufsverband der Usability Professionals und begeisterter Blogger (www.usabilityblog.de).

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