Johannes Altmann von shoplupe, e-Commerce-Berater und Gastautor hier im shopbetreiber-blog.de, hat in der aktuellen Ausgabe der Internet World Business einen persönlichen Abschiedsbrief an Quelle veröffentlicht. Nach den vielen eher negativen Berichten zu Quelle im E-Commerce wirft sein Brief einmal einen anderen – wenn auch subjektiven – Blick auf das Thema.
Lesen Sie hier den offenen Brief und diskutieren Sie mit!
Sogar jetzt, wo alles schon zu spät ist, zeigt die Abteilung „Quelle Neue Medien” noch einmal, wie viel Kraft im Thema E-Commerce steckt: Gleich zu Beginn von „Deutschlands größtem Ausverkauf” brechen unter dem Kundenansturm die Server zusammen. Der Abverkauf bei Quelle.de gerät zu einem gigantischen Web-Spektakel:
Aber es ist ein unwürdiges Schauspiel. Denn der E-Commerce muss nichts beweisen, er hat bei Quelle immer gut funktioniert. Klar, aus einem Tanker wird kein Schnellboot. Aber man darf eines nicht vergessen: Am E-Commerce ist Quelle nicht gescheitert.
Im Gegenteil: Die Online-Abteilung von Quelle gehörte zur Speerspitze des E-Commerce – findet Berater und INTERNET WORLD Business-Autor Johannes Altmann. Er kann es nicht mehr hören, wenn es nun alle besser wissen, Generalkritik geübt wird und die Behauptung in die Welt gesetzt wird, das Versandhaus habe zu spät aufs Internet reagiert. „Online wurde alles richtig gemacht!”, meint Altmann und findet, es ist Zeit für einen würdigen Abschied. (IWB)
Sein offener Abschiedsbrief:
Meine Quelle
Frühjahr 2005. Flößaustraße 22, Gänsehaut! Ich stehe erstmals vor Quelle Neue Medien in Fürth und bin überwältigt und stolz, dass ich es so weit gebracht habe. Quelle – das Versandhaus in Europa, die Nummer 1, der Gigant im E-Commerce. Ich habe einen Beratungsauftrag, werde hier ein paar Tage tätig sein und dann mit einer Trophäe weitermachen, die sich Quelle-Referenz nennt.Frühjahr 2009. Ein Auftrag folgt dem nächsten und plötzlich bin ich vier Jahre für Quelle tätig. Die Strecke nach Fürth kenne ich im Schlaf und selbst die Mitarbeiter und unzähligen Abteilungen kann ich mir langsam einprägen. Der Gigant Quelle ist für mich über die Zeit eine knuffige E-Commerce-Bude geworden. Eigentlich gibt es für jede Aufgabe nur 2-3 Mitarbeiter, eigentlich reichen die Ressourcen kaum aus und der Platz im Gebäude ist eh dauernd knapp. Spätestens auf der Weihnachtsfeier, zu der ich irgendwann eingeladen werde, wird mir klar, dass „meine Quelle” nur 80 Mitarbeiter hat. Allerdings eben Quelle Neue Medien – die Internet-Junkies.
Quelle wird eine zweite Heimat, die Kunden werden zu Kollegen und gemeinsam ärgern wir uns über das Außenbild. Die stets aktiven Blogger wissen scheinbar über jeden Schritt Bescheid, dürfen nach Lust und Laune vage Vermutungen aufstellen und sind vermeintlich schlauer als jeder Mitarbeiter. Jede Aktivität wird schlechtgemacht und mit anderen E-Commerce-Sites verglichen, auch wenn die nur auf 50 Bestellungen am Tag kommen.
Quelle ist eine Dimension, eine Wucht. Nach dem im März 2009 veröffentlichten Panel GfK WebScope, mit dem die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) seit 2001 kontinuierlich alle Käufe und Bestellungen von Waren im Internet misst, belegt Quelle.de Rang 3 mit einem Gesamtvolumen von 1,1 Milliarden Euro.
Über das Live-Shopping auf der Startseite werden an manchen Tagen so viele T-Shirts verkauft, dass man eine ganze Kleinstadt damit einkleiden könnte. Das Quelle-QStore-Affiliate-Programm hat am ersten Tag mehr Teilnehmer, als die meisten Affiliate-Programme überhaupt jemals haben werden. Für den Relaunch Quelle Reloaded haben wir mehr Testbestellungen durchgeführt, als ein mittelständischer Shop pro Monat bekommt. Bei der Anbindung von Vertriebspartnern wurden mehr Prozesse abgeklärt, als die meisten Unternehmen überhaupt als Standard definiert haben.
Bei Quelle lernt man Ehrfurcht. E-Commerce ist schön – Versandhandel ist gigantisch. Bei diesen Dimensionen wird jedes Feature zum Projekt, jedes Projekt zur Herausforderung und jede Marketingmaßnahme zum Millionenbringer.
Frühjahr 2009. Der Auftrag QStores geht nach über einem Jahr Entwicklungszeit online. Jeder Quelle-Kunde kann nun seinen eigenen Webshop eröffnen und darin Quelle-Produkte verkaufen. Endlich lassen sich Zielgruppen ansprechen, die vielleicht nicht typisch für Quelle sind. Ein cleveres Projekt, strategisch wichtig, für die Zukunft ausgelegt.
Herbst 2009. Ich wurde angesprochen, warum wir nicht die Referenz Quelle von unserer Website nehmen. Ich bin entsetzt, mir wird klar: Quelle wird es bald nicht mehr geben. Die Flößaustraße 22 wird bald geschlossen werden – und das, obwohl hier alles richtig gemacht wurde, obwohl hier die Nummer 3 zu Hause war, obwohl Erfolg produziert wurde.
Es war eine schöne Zeit,
J. Altmann
Über den Autor:
Johannes Altmann ist Gründer und Geschäftsführer der E-Commerce-Beratung Shoplupe GmbH. Altmann ist Spezialist für die Optimierung von Online-Shops hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit. Durch innovativen Usability Services und Mystery Shopping durch verdeckte Testkäufer garantiert Shoplupe eine konsequente Qualitätssicherung sowohl für kleine Online-Shops als auch große Versandhändler. Auf Shoplupe vertrauen mehr als 400 Online-Shops, Versandhändler wie der Baur Versand, ProMarkt und Verlage wie AxelSpringer, Vogel Burda, Holtzbrinck und die Motor Presse Stuttgart. Auch Quelle Neue Medien gehörte bis vor Kurzem zu seinen Kunden.
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Endlich mal einer der die Wahrheit sagt!
Hier noch meine persönliche Meinung zum Thema: Auch wenn ich gestehen muss, dass ich als “Heavy-Shopper” bei Quelle.de nur ein einziges Mal eingekauft habe, fand ich insbesondere den letzten Website-Relaunch und die Einführung der Q-Stores sehr gelungen. Schade, dass beides seine Wirkung nicht mehr entfalten konnte…
Klasse Brief, ein schöner Beitrag, auch und grad für die E-Commerce Mitarbeiter bei Quelle. Zeigt er doch, dass wir es hier allesamt mit Experten zu tun haben, die zu großen Teilen zu den Pionieren des E-Commerce gehören und Erfahrungen haben (z. B. mit Einkäufern, Katalog), welche man bei anderen Firmen einfach nicht sammeln und ausbauen kann. Hoffe sehr, dass alle tolle neue Jobs, Aufgaben und Herausforderungen finden werden.
Hallo Johannes, vielen Dank für deine Worte.
Ich glaube aber, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer Zahlen nicht lesen können (GFK 2008 ist z.B. lesenswert) sondern nach Ihrer “Meinung” und Ihrem “Bauchgefühl” gehen immer amüsant aber eben nicht relevant sind.
Das Team war super, die Entwicklung der Zahlen nachhaltig und wirklich unglaublich gut, es hat Spaß gemacht und nun ist es leider vorbei. Diejenigen, die dies zu verantworten haben werden sich dieser Verantwortung vermutlich leider nie stellen müssen.
Ich persönlich fände es toll, wenn aus dem Team die Art der Zusammenarbeit und die Performance in andere Firmen und Projekte übertragen werden könnte.
Dann würde es sich gelohnt haben und dann würde etwas bleiben.
Ich wünsche allen von ganzem Herzen viel Erfolg dabei. lgl
Ein Beweis für die Überflüssigkeit manch externer Berater.
Zwischen Umsatz und Kosten klafft es meistens auseinander, so dass gute Arbeit auch hier zu teuer ist und dazu führt, dass ein Unternehmen nicht mehr existent ist. Ich möchte gern wissen, wie viel Quelle.de bei dem genannten Umsatz verdient.
Als kleiner Versandhändler macht man sich keine wirkliche Vorstellung davon, wie viel Aufwand ein solches Unternehmen wirklich hat – man kann es nur erahnen, wenn man eigenen Projektentscheidungen dreimal so lange braucht, wie geplant…
Ich habe immer gerne bei Quelle.de bestellt und wurde fast nie enttäuscht.
Nur damit das klar ist: mit den Meinungsmenschen, diejenigen mit dem Bauchgefühl ist ausdrücklich nicht Johannes gemeint. Gemeint sind alle diejenigen, die der Meinung sind Quelle wäre am ecommerce gescheitert. Zahlen lesen und verstehen hilft da gewaltig, ist aber halt nicht jedermanns Ding…:-)