Die aktuelle Studie zur seniorenfreundlichen Website-Gestaltung ergab: Senioren nutzen Websites „anders“. Das konnten wir im Rahmen eines Nutzertests im Usability-Lab auf eindrucksvolle Weise feststellen. Senioren lesen Texte am Bildschirm, nutzen Hilfen & Erläuterungen und schreiben sich selbst Nutzungsprobleme zu. Dies sind nur drei von zahlreichen Erkenntnissen aus einem Usability-Tests mit Vertretern der Zielgruppe 50plus.
Erfahren Sie mehr zu diesem wichtigen Thema im heutigen Gastbeitrag von Thorsten Wilhelm.
Zu kleine Schriftgröße – nein keinesfalls!
In unserem Test für sechs deutschsprachige Websites – drei Online-Apotheken und drei Online-Banking Angebote - hat nur einer von 12 Senioren Kritik an der Schriftgröße geäußert. Alle anderen haben die Schrift der analysierten Webseiten als „gut lesbar“ eingestuft und keinerlei Bemühungen zur Anpassung der Schriftgröße erkennen lassen. Eine auch für uns überraschende Beobachtung und Erkenntnis, liest man doch immer wieder, dass gerade Senioren Probleme mit zu kleinen Schriften haben.
Webseiten-Elemente immer an derselben Stelle positionieren – bezogen auf den sichtbaren Seitenausschnitt!
Wie soll so was aber umgesetzt werden? Webseiten sind doch in der Regel deutlich länger als ein Bildschirmausschnitt und können gescrollt werden. Das geht … Kennen Sie vielleicht noch die Werbeform „Sticky-Ad“? Hat sich als Werbeform zwar nicht durchgesetzt, die Idee dahinter ist aber interessant: Der Werbebutton oder Banner bleibt immer an derselben Stelle des sichtbaren Seitenbereichs einer Webseite. Auch beim Scrollen. Er „klebt“ quasi am Bildschirm des Nutzers.
Für Senioren ein nützliches Tool:
Wenn statt Werbung z.B. das Eingabefeld der Produktsuche und der Warenkorb-Teaser „mitscrollen“ würden. Solche wichtigen Webseiten-Elemente wurden in unserer Studie von Senioren langsamer bzw. überhaupt nicht mehr aufgefunden, wenn diese Elemente beim Scrollen aus dem sichtbaren Seitenbereich bzw. Bildschirmausschnitt verschwinden. Klebt man die Elemente an den Bildschirm, so wie Werbung beim Einsatz von Sticky-Ads, dann wird die (Wieder-)Auffindbarkeit deutlich erleichtert.
Abbildung: Mitscrollende Seitenelemente (in Anlehnung an Sticky-Ads)
Auch für jüngere Webnutzer/-innen sicherlich eine Funktionalität über die Websitebetreiber nachdenken sollten. Wenn die Site bzw. der Shop einen hohen Anteil an Senioren hat, dann ist unsere Empfehlung ganz klar: „Mitscrollende am Bildschirm klebende Seitenelemente“ einführen – z. B. für das Eingabefeld einer Produktsuche und den Warenkorb-Teaser.
Senioren schreiben sich selbst Nutzungsprobleme zu – und nicht der Website bzw. dem Website-Betreiber!
Auch ein überraschendes Ergebnis und ein deutlicher Unterschied zu anderen Altersgruppen: Wenn jüngere Webnutzer/-innen ein Problem haben, z. B. mit der Suche nach einem Artikel, eine Anwendung nicht auf Anhieb bedienen können oder beim Ausfüllen eines Webformulars nicht weiter kommen, dann wird zunächst einmal die Webseite bzw. der Website-Betreiber verantwortlich gemacht (und entsprechend negativ bewertet). Senioren reagieren bei Nutzungsproblem anders. Sie nehmen zunächst an, dass sie selbst irgendetwas falsch gemacht haben. Mit der logischen Konsequenz bei einem Nutzungsproblem nach Erläuterungen, Hilfen und anderen Formen der Unterstützung zu suchen.
Senioren lesen Web-Texte sorgfältiger
Werden entsprechende Hilfetexte aufgefunden, dann lesen Senioren diese sorgsam und mit großer Geduld durch. Viele haben dieses Verhalten bei uns im Lab gezeigt, einige sogar Hilfetexte von vorne bis hinten komplett (!) durchgelesen. Keine Spur von „drüberfliegen“ oder hervorgehobene Textpassagen einfach nur „abscannen“. Gute Content-Usability (Textgestaltung, Textstruktur) und verständliche Texte sind daher entscheidend für eine seniorenfreundliche Website. Das hat unser Nutzertest im Lab ganz klar gezeigt: Senioren würdigen gut gestaltete und leicht verständliche Hilfen.
Fazit:
Weist die Besucherstruktur eines Online-Shops einen überdurchschnittlichen Anteil an Senioren auf (Richtwert: > 30%), dann ist es ratsam, die Wünsche und Anforderungen dieser Zielgruppe zu kennen und entsprechende Gestaltungsmaßnahmen umzusetzen. Wir konnten im Rahmen unserer Studie zahlreiche Richtlinien und Regeln zur „seniorenfreundlichen Websitegestaltung“ herausarbeiten. Viele davon erleichtern auch anderen Alters- und Zielgruppen die Bedienung einer Website. Andererseits konnten wir ebenso viele „Guidelines“ einer seniorenfreundlichen Websitegestaltung herausarbeiten, die nur für Senioren hilfreich und nützlich sind – wie in diesem Beitrag in Ausschnitten dargestellt.
Hinweis auf Veranstaltung:
Die kompletten Erkenntnisse der Studie zur seniorenfreundlichen Website-Gestaltung vermittelt eResult im Rahmen einer deutschlandweiten Seminartour mit dem Titel: „Seniorenfreundliche Websites gestalten“. Es werden insgesamt vier Termine in vier Städten angeboten: Bereits im August in Leipzig (13.08.), danach Berlin (24.09.), Frankfurt am Main (29.10.) und zum Abschluss München (26.11.).
Der Autor:
Thorsten Wilhelm, Gründer & geschäftsführender Gesellschafter der eResult GmbH (Göttingen, Kiel, Frankfurt am Main) ist seit 1996 als Forscher und Berater für „Usability“ und „Online-Marketing“ tätig. Er studierte an der Universität Göttingen Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marketing und Wirtschaftspsychologie. Im Anschluss war er mehrere Jahre in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung am Institut für Marketing und Handel der Universität Göttingen tätig (Forschungsschwerpunkte User-Tracking, Usability, Werbewirkung und statistische Datenanalysen). Dort leitete er auch eine Vielzahl von Forschungsprojekten. Im Jahr 2000 gründete Herr Wilhelm zusammen mit Frau Prof. Dr. Yom, Herrn Prof. Dr. Silberer und Dr. Wohlfahrt die eResult GmbH. Herr Wilhelm ist aktives Mitglied im Marketing-Club Göttingen, im Berufsverband der Usability Professionals und begeisteter Blogger (www.usabilityblog.de).