rote-karteNur selten stimmen Gerichte dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu. In einem Verfahren des klagenden “Vereins zur Förderung gewerblicher Belange” hatte sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage zu beschäftigen. Die Richter machten deutlich, dass eine Unterlassungsklage dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn damit hauptsächlich Ziele verfolgt werden, die nichts mit Wettbewerbsschutz zu tun haben.

Teil 2 unserer Reihe zu rechtsmissbräuchlichen Urteilen.

Nach dem ersten Teil über die BGH-Entscheidung “Vielfachabmahner” (Urteil v. 05.10.2000, Az: I ZR 237/98) geht es in diesem Teil um das “MEGA SALE”-Urteil aus dem Jahr 2005 (Urteil des BGH vom 17. 11. 2005 – I ZR 300/02).

Der Ausgangsfall: “Super Billig”

In dem Fall ging es um drei Gesellschaften einer großen Elektronikkette, die in mehreren Zeitungen Anzeigen unter dem Titel “MEGA SALE” schalteten. Darunter befand sich der Hinweis „Schnäppchen, Auslaufmodelle, Restposten und Einzelstücke zu Wahnsinnspreisen. Alle Bilder sind nur Symbolabbildungen für den jeweiligen Produktbereich“ sowie die Angaben „Toll“, „SUPER BILLIG“, „Billiger als Rabatt“, „HOT“, „Special Offer“, „BIG“ und „HAU WEG“.

Der “Verein zur Förderung gewerblicher Belange” sah hierin eine unzulässige Sonderveranstaltung  nach § 7 UWG a.F. Nachdem er die Beklagte zunächst erfolglos abmahnte, hat er sie in getrennten Verfahren auf Erlass einstweiliger Verfügungen auf Unterlassung der Werbung und Durchführung der Veranstaltungen in Anspruch genommen.

Es stellte sich jedoch die Frage, ob die getrennte Geltendmachung der Ansprüche einen Rechtsmissbrauch darstellt.

OLG winkt Klage durch

In der Vorinstanz hatte das OLG Hamburg noch ausgeführt:

“Das Vorgehen des Klägers in drei getrennten Verfügungsverfahren führe nicht zur Unzulässigkeit der Anspruchsverfolgung nach § 13 V UWG a.F. Sachfremde Motive seien für die gesonderte Inanspruchnahme der Beklagten nicht erkennbar. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger, der zur Erleichterung der Aktenbearbeitung von einem einheitlichen Vorgehen gegen die Beklagten im Verfügungsverfahren abgesehen habe, etwa die Absicht verfolgt habe, die Beklagte unnötig mit Kosten und Gebühren zu belasten und im Wettbewerb zu behindern. Es sei fern liegend, dass die höheren Kosten der getrennten Inanspruchnahme in den Verfügungsverfahren geeignet seien, den Konzernverbund der M- und S-Märkte im Wettbewerb zu behindern. Es sei auch nicht stets rechtsmissbräuchlich, wenn die Möglichkeit einer streitgenössischen Inanspruchnahme bei einer zentralen Koordinierung nicht genutzt werde.”

Das OLG Hamburg hatte dem Vorwurf der Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung zugestimmt.

BGH hebt Urteil auf

Der Bundesgerichtshof widersprach jedoch den Richtern vom Hanseatischen Oberlandesgericht, hob das Urteil auf und wies die Berufung des gegen das landgerichtliche Urteil zurück.

Nach § 13 V UWG a.F. (vgl. auch § 8 IV UWG) kann ein Unterlassungsanspruch nicht gerichtlich durchgesetzt werden, wenn die Geltendmachung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist.

Rechtsmissbrauch

Der Senat entschied, dass von einem Missbrauch auszugehen sei, wenn das beherrschende Motiv des Klägers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind (vgl. BGH, Urteil v. 06.04.2000, Az. I ZR 75/98 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung).

Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich u.a. daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre […].

Dies sah der BGH als gegeben an.

Im Streitfall sind ausreichende Anhaltspunkte vorhanden, die eine missbräuchliche Rechtsverfolgung durch den Kläger nahe legen. Dieser hat die Beklagte in getrennten Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch genommen, ohne dass hierfür berechtigte Gründe ersichtlich sind. Zu beurteilen war ein einheitlicher Wettbewerbsverstoß auf Grund einer Gemeinschaftswerbung der Beklagten, für den dieselben wettbewerbsrechtlichen Maßstäbe anzuwenden und identische Feststellungen zu treffen waren.

Erhöhte Prozesskosten

Durch die getrennte Inanspruchnahme stiegen die Kosten für den Elektronikkonzern deutlich an.

Für sämtliche Beklagte war im Verfügungsverfahren ein einheitlicher Gerichtsstand beim LG Hamburg gegeben. Durch ein einheitliches Vorgehen im Verfügungsverfahren gegen sämtliche Beklagten wären nur einmal Prozess- und Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von 180000 DM statt dreimal nach einem Streitwert von 60000 DM und damit wesentlich geringere Prozess- und Rechtsanwaltskosten entstanden.

Einwände des Klägers, dass geringere Rechtsanwaltskosten nur bei einer einheitlichen Vertretung sämtlicher Beklagten angefallen wären, ließ der BGH nicht zu, da für die Beklagten vorprozessual ein gemeinsamer Rechtsanwalt aufgetreten sei.

Keine tatsächliche Wettbewerbsbehinderung erforderlich

Zwar sei die zusätzliche Kostenbelastung wegen der Größe und finanziellen Leistungsfähigkeit des Konzernverbunds, dem die beklagten Gesellschaften angehören, nicht geeignet ist, diese im Wettbewerb zu behindern, dies schließe die missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Kläger nicht aus.

[…] Ansonsten würden allein die Größe und finanzielle Leistungsfähigkeit des Schuldners den Gläubiger von jedem Missbrauchsvorwurf entlasten.

Fazit

Das “MEGA SALE”-Urteil hebt deutlich hervor, dass eine gegen eine gemeinschaftliche Werbeanzeige gerichtete Rechtsverfolgung in jeweils getrennten Verfügungsverfahren gegen drei Unterlassungsschuldner, die man auch gemeinsam als sog. Streitgenossen in Anspruch nehmen könnte, wegen der höheren Kostenbelastung gegenüber einer gemeinsamen Inanspruchnahme auf der Beklagtenseite rechtsmissbräuchlich sein kann. Darüber hinaus legt der BGH fest, dass eine tatsächliche Wettbewerbsbehinderung durch die zusätzliche Kostenbelastung keine Voraussetzung für einen Rechtsmissbrauch ist. (mr)

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