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OLG Jena: Hoher Streitwert allein spricht noch nicht für Rechtsmissbrauch

gegenstandswertNachdem mehrere Gerichte das Vorliegen einer rechtsmissbräuchlichen Abmahntätigkeit bejahten, versuchen immer mehr Abgemahnte, sich mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs gegen Abmahnungen zu wehren. In einer Entscheidung des OLG Jena wurde aber erneut betont, dass dieser nur dann anzunehmen ist, wenn die Gesamtabwägung aller Umständen des Einzelfalls darauf deutet, dass die Gewinnerzielung das überwiegende Motiv für die Abmahntätigkeit ist.

Welche Kriterien legt das OLG Jena zu Grunde?

Im entschiedenen Fall (Urteil v. 23.04.2008, 2 U 929/07) hat ein Händler von Motorradzubehör gegen einen Mitbewerber eine einstweilige Verfügung wegen der Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung erwirkt. Nach Ansicht des Antraggegners ist die Abmahnung allerdings missbräuchlich i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG.

Das OLG Jena hat zunächst deutlich gemacht, dass von einem Missbrauch dann auszugehen sei, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs die Verfolgung sachfremder Ziele ist. Dies müsse nicht das alleinige Ziel sein, ausreichend sei, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Daher bedürfe es im Einzelfall einer Abwägung der gesamten Umstände des Falles.

Vorliegend ist es nach Ansicht des Gericht der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht gelungen, die grundsätzlich für die Klagebefugnis bestehende Vermutung zu erschüttern.

Gewählter Gerichtsort spricht nicht für Rechtsmissbrauch

Zunächst sei der ausgewählte Gerichtsstand kein Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, da dies der Gerichtsort des eigenen Geschäftssitzes sei. Dieser habe auch keine wesentlich höheren Reisekosten zur Folge, so dass eine Schädigung des Schuldners nicht vorliege, so das OLG Jena.

18 Abmahnungen sind nicht unverhältnismäßig viel

Der Umstand, dass die Verfügungsklägerin 18 Abmahnungen ausgesprochen habe, deutet nach Ansicht des Gerichts nicht darauf hin, dass sachfremde Ziele überwiegende Triebfeder der Abmahntätigkeit seien.

„Allein die Anzahl der vorgenommenen Abmahnungen genügt noch nicht für diese Annahme, denn 18 Abmahnungen legen ein massenhaftes Vorgehen nicht nahe. In für rechtsmissbräuchlich gehaltenen Fällen lag die Zahl der Abmahnungen weit höher … Allein die Anzahl der Abmahnungen kann daher, solange sie in der hier gegebene Größenordnung vorgenommen werden, noch kein taugliches Indiz sein (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 56; …). Gerade wenn im Internet eine Vielzahl von Mitbewerbern auftreten, ist eine vielfache Abmahnung von gehäuft auftretendem wettbewerbswidrigen Verhalten nicht von vorneherein rechtsmissbräuchlich …“

Darüber hinaus habe die Klägerin die Abmahntätigkeit außerdem bereits begonnen, als die Entscheidung des OLG Jena zur einmonatigen Widerrufsfrist bei eBay noch nicht ergangen und daher diese ihr nicht bekannt sein konnte, so das Gericht.  Der Umfang der Abmahntätigkeit stehe auch in keinem unvernünftigen Verhältnis zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin. Abmahnt wurden nur unmittelbaren Konkurrenten im Bereich des Handels mit Motorradzubehör.

100 verschiedene Mandanten

„Die von der Verfügungsbeklagten vorgetragenen Aktenzeichen der Abmahnverfahren weisen aus, dass der Verfügungsklägeranwalt im Zeitraum von April bis August 2007 von knapp 100 Mandaten 18 Abmahnverfahren betrieben hat. Ausreichender Tatsachenvortrag zum Beleg für die Verfolgung sachfremder Ziele ist dies nicht. Eine sachwidrige geschäftliche Kooperation zwischen der Verfügungsklägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten wird von der Verfügungsbeklagten nicht mit ausreichenden Tatsachen untermauert behauptet.“

Der überhöhte Streitwert von 50.000 Euro sei das allein mögliche Indiz eines Rechtsmissbrauchs.

„Um Abmahnungen, die jeweils in Bezug auf den Einzelfall stark modifiziert sind, handelt es sich bei den vom Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin vorgenommenen Abmahnungen bei Vergleich der vorgelegten Abmahnschreiben, die nur geringfügige Abweichungen beinhalten, nicht.“

Ein überhöhter Streitwert allein reicht nicht aus

„Allerdings ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass ein Rechtsanwalt bei einer (wie vorliegend) umfangreich und gründlich erarbeiteten Abmahnung sich bei der im Wettbewerbsrecht schwierig vorzunehmenden Streitwertbemessung auch daran orientiert, noch vertretbar hohe Gebühren zu erzielen. Dies muss gerade auch dann gelten, wenn er zur Streitwertreduzierung bereit ist.“

Schließlich werde der Rechtsmissbrauch auch nicht dadurch begründet, dass der Rechtsanwalt der Klägerin der Ausmaß der Abmahnungskosten im Hinblick auf  die ihm bekannte Rechtsprechung anderer Gerichte (wie OLG Naumburg, OLG Düsseldorf) gemindert hat.

„Bei einer Gesamtbetrachtung ist dieses Indiz der Geltendmachung von Abmahngebühren aus einem überhöhten Streitwert aber für die Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit nicht ausreichend, weil es für sich allein noch nicht deutlich genug zum Ausdruck bringt, dass sachfremde Ziele bei der Abmahnung überwiegen.

Denn die Verfügungsklägerin hat … konkrete Ausführungen zu ihrem eigenen Kostenrisiko und zu ihrem konkreten Vorgehen gegenüber wettbewerbswidrig handelnden Konkurrenten vorgetragen (zunächst erfolglose Abmahnung ohne Rechtsanwalt, Empfehlung an Schuldner, einen Anwalt einzuschalten, erst dann gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen, Bereitschaft zu Streitwertreduzierungen).

Im Lichte dieses unwidersprochen gebliebenen Vortrags insbesondere zur belegten Bereitschaft des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin zu Streitwertreduzierungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Abmahnungen und Klagen überwiegend sachfremde Ziele verfolgt werden bzw. die Abgemahnten alleine sachwidrig behindert bzw. geschädigt werden sollten.“

Das Gericht sah dieses einzige Indiz als nicht überzeugend an, da die Geltendmachung von Gebühren nicht das vordergründige Interesse des Abmahners war. Das Gerichts sagte aber auch deutlich, dass diese Einschätzung für künftige Verfahren der Klägerin nicht gelten muss. (mr)

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