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Widerstand gegen Abmahnungen ist nicht zwecklos – Interview zur Umfrage

Quelle: InternethandelIn der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Internethandel (KW 23/24 2007) wurde ich zu einem Interview zum immer wieder brisanten Thema Shop-Abmahnungen gebeten. Die Ergebnisse unserer Umfrage unter Shopbetreibern haben zum ersten Mal wirklich die Tragweite der Problematik transparent gemacht. Gleichzeitig macht die Umfrage aber auch Mut: Warum, lesen Sie in diesem Interview.

INTERNETHANDEL: Herr Hafenbradl, was ist das wichtigste Ergebnis Ihrer Studie zum Thema Abmahnungen?

Widerstand ist nicht zwecklos: In über zwei Drittel der Fälle leisteten die Händler Widerstand gegen eine Abmahnung. Entweder wiesen sie diese vollständig zurück, änderten die Unterlassungserklärung zu ihren Gunsten oder bezahlten nur einen Teil der geforderten Summe. Dieses couragierte Verhalten brachte in der Regel wenigstens Teilsiege. Proportional am erfolgreichsten waren die Shop-Betreiber, die einen „Kompromiss“ angeboten hatten, also eine Änderung der Unterlassungserklärung oder eine Kostenreduzierung.

INTERNETHANDEL: Gehören Abmahnungen zum E-Commerce dazu?

Für die meisten Shop-Betreiber gehören Abmahnungen leider zum Alltag. Rund 90 Prozent der befragten Händler haben schon mindestens eine Abmahnung erhalten. Der Durchschnittswert liegt bei insgesamt 2,1 Abmahnungen pro Shop. Durch die entstehenden Kosten wird gerade bei kleinen Händlern und Produkten mit geringen Margen schnell die Betriebswirtschaftlichkeit verhagelt. Wer noch nicht abgemahnt wurde, muss laufend damit rechnen, abgemahnt zu werden.

INTERNETHANDEL: Sind die Abmahnungen gerechtfertigt?

Nur zwölf Prozent der befragten Shop-Betreiber hielten die erfolgten Abmahnungen in vollem Umfang für berechtigt. Fast die Hälfte sah sich dagegen völlig zu unrecht abgemahnt. Häufigster Abmahn-Anlass waren mögliche Verstöße gegen das Widerrufs- sowie das Markenrecht.

INTERNETHANDEL: Welcher finanzielle Schaden wird erzeugt?

Die Hälfte der Befragten hatte einen Schaden von über 1.500 Euro. In Einzelfällen kamen mehrere Zehntausend Euro zusammen. 40 Prozent der Unternehmer, besonders kleine und mittlere, sehen sich durch Abmahnungen in ihrer Existenz bedroht.

INTERNETHANDEL: Wie reagieren die Onlinehändler?

Immerhin 17 Prozent der Abmahnungen wurden aus Angst vor hohen Folgekosten akzeptiert, obwohl sich die Händler inhaltlich im Recht sahen. Bereits im Vorfeld einer juristischen Auseinandersetzung konnten aber immerhin 22 Prozent der abgemahnten Onlinehändler eine Reduzierung der Kosten erzielen und bei weiteren fünf Prozent wurde im Rahmen des Gerichtsverfahrens eine geringere Gebührenforderung durchgesetzt. Lediglich 13 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr Vorgehen gegen eine Abmahnung erfolglos geblieben ist. Die finanziell schwächere Position kleinerer Händler wird dabei von finanzstarken Marktteilnehmern ausgenutzt. Während große Unternehmen es sich leisten können, strittige Rechtsfragen über mehrere Instanzen klären zu lassen, nehmen kleinere Händler die Abmahnung oft wegen des Prozesskostenrisikos hin, obwohl sie sich im Recht fühlen.

INTERNETHANDEL: Welche Rolle spielen missbräuchliche Massenabmahnungen?

Fakt ist: Ein kleiner Teil der Marktteilnehmer ist für einen großen Teil der Abmahnungen verantwortlich. Die ersten drei Abmahner unserer Umfrage sprachen allein rund 39 Prozent aller Abmahnungen aus. Während rund 61 Prozent der Abmahnungen von verschiedenen Konkurrenten und Organisationen verschickt wurden, wurden neun Prozent von einem größeren Computerhändler, zwölf Prozent von dem inzwischen aufgelösten Verein „Ehrlich währt am längsten“ und knapp 18 Prozent von verschiedenen Media-Märkten ausgesprochen. Solche fraglichen Praktiken rücken das deutsche Abmahnwesen insgesamt in ein schlechtes Licht.

INTERNETHANDEL: Wie kann der Missbrauch eingedämmt werden?

Die befragten Shop-Betreiber sehen verschiedene Möglichkeiten, den Missbrauch von Abmahnungen einzudämmen oder die finanziellen Schäden zu begrenzen. Wichtigster Ansatzpunkt sind nach der Mehrheitsmeinung die Anwaltskosten der abmahnenden Partei. Hier sollte, so fordern die Händler, gesetzlich eine Obergrenze festgelegt werden. Dieser Forderung schließen wir uns an. Zweitwichtigster Punkt ist für mehr als zwei Drittel eine Vereinfachung der gesetzlichen Bestimmungen. Auch mahnen 65 Prozent, die Gerichte sollten häufiger missbräuchliche Abmahnungen zurückweisen. (nvd)

Das Interview wurde von Nina von Dahlern geführt, die uns freundlicherweise das Interview als PDF zur Verfügung gestellt hat.