Professor Dr. Thomas Hoeren, seines Zeichens nicht nur Universitätsprofessor in Münster, sondern auch Richter am OLG Düsseldorf und Mitautor des Trusted Shops Praxishandbuchs, weist im Blog des Verlages C.H. Beck auf ein kleines Jubiläum hin: Das OLG Düsseldorf hat zum 10ten mal entschieden, dass der Streiwert bei falschen Widerrufsbelehrungen im Internet auf 900 € zu reduzieren ist, so dass Anwälte für Abmahnungen nur noch ein Honorar von etwa 120 € (inkl. Mwst) erhalten.
Lesen Sie mehr über die Entscheidungen und den Richter, der das Ende der Abmahnwellen eingeläutet hat.
Schon in vergangenen Beiträgen hatten wir über Entscheidungen des OLG Düsseldorf berichtet. Im Kern heißt es dort:
"Jedenfalls bei Produkten die von einer Vielzahl von Händlern/Anbietern im Internet angeboten werden, dürfte es eine Frage des nicht häufig vorkommenden Zufalls sein, dass ein Kaufinteressent sich wegen der fehlerhaften Belehrung des Antragsgegners für dessen Angebot statt für dasjenige des Antragstellers entscheidet. Das wirtschaftliches Interesse, wegen der Belehrungsmängel keine Kunden an Mitbewerber zu verlieren, ist daher nur sehr gering einzuschätzen."
Im Ergebnis erhielt der abmahnende Anwalt jeweils nur noch ein Abmahnhonorar von ca. 120 € (inkl. Mwst). Dies ist nun ständige Rechtsprechung im OLG-Bezirk Düsseldorf. Anlässlich dessen stellt Professor Hoeren im beck-blog öffentlich die Frage, ob man nicht "über den Streitwert den Spaß an Abmahnungen etwas bremsen" solle. Wir meinen ganz klar: ja!
Ein Teil des Abmahnunwesens ist sicherlich auf die hohe Zahl der Anwälte zurückzuführen, die nach leicht verdienten Einkommen suchen. Professor Hoeren weist jedoch auf ein weiteres interessantes Problem hin, das er gerade erforscht:
"Hohe Streitwerte schützen einen Gerichtsstandort, bringen höhere Staatseinnahmen, zufriedenere Anwälte, die dann auch gerne wiederkommen. Dabei will ich nicht unterstellen, dass Richter bewußt so denken, aber latent schwingt so etwas bei jeder Streitwertentscheidung mit."
Mit anderen Worten: eine Abmahnung beschert nicht nur dem Anwalt ein attraktives Einkommen, sondern sichert auch dem Richter seine Daseinsberechtigung. Dies ist gerade vor dem Hintergrund des im Internet geltenden fliegenden Gerichtsstandes brisant, denn möglich wäre geradezu eine Art Kooperation von abmahnfreudigen Anwälten und Richtern, die gern Wettbewerbsprozesse mit hohen Streitwerten vorweisen wollen.
Vor kurzem hatte schon die Bundesregierung angekündigt, das Instrument der Abmahnung auf den Prüfstand zu stellen. Sollte sich die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf bei weiteren Gerichten durchsetzen, würden die bereits vorhandenen Mechanismen zur Eindämmung von Massenabmahnungen konsequenter genutzt und das Problem zumindest etwas entschärft.
Neben einer Reduzierung des Streitwertes kommen auch die Bagatellschwelle (§ 3 UWG) und der Missbrauchsparagraf (§ 8 Abs. 4 UWG) als existierende Mittel gegen Abmahnungen in Betracht - vorausgesetzt die Richter wollen den Missbrauch von Abmahnungen überhaupt eindämmen. Ein erster Schritt ist immerhin getan. Wir gratulieren zum Jubiläum des OLG Düsseldorf. (cf)
Siehe auch: Diskussion im beck-blog (externer Link)
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