Die EU-Kommission hat heute ihren “New Deal for Consumers” vorgestellt. Darin geht es um die Stärkung der Verbraucherrechte und deren Durchsetzbarkeit. Für Online-Händler soll es aber auch eine elementare Neuerung in Bezug auf das Widerrufsrecht geben.
“A New Deal for Consumers”, so heißt das Paket, welches die EU-Kommission heute, am 11. April 2018 der Öffentlichkeit vorstellte.
Wesentliche Änderung beim Widerrufsrecht
“Benutzte Ware ist vom Widerrufsrecht ausgeschlossen” – diese oder ähnliche Klauseln benutzten früher sehr viele Händler und wurden dafür abgemahnt. Auch heute noch findet man diese Klausel in so manchem Angebot.
Warum wurde bzw. wird das abgemahnt?
Aktuell gibt es für “benutzte Ware” keine Ausnahme vom Widerrufsrecht. Dem Händler steht im Fall der Rücksendung von benutzter Ware lediglich ein Anspruch auf Zahlung von Wertersatz zu. Allerdings auch nur dann, wenn die Ware einen Wertverlust erlitten hat, der auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der nicht zur Prüfung der Eigenschaften, Funktionsweise oder Beschaffenheit der Ware notwendig war.
Diesen Anspruch auf Wertersatz durchzusetzen ist für Händler aber sehr schwer. Auch die Berechnung der genauen Höhe ist nicht einfach. Oft müssen sich die Gerichte mit solchen Fällen beschäftigen.
Wertersatz soll abgeschafft werden
Die Vorschrift, die die Grundlage für den Anspruch auf Wertersatz bildet, ist Art. 14 Abs. 2 der Verbraucherrechterichtlinie. Dieser lautet:
“Der Verbraucher haftet für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist. Der Verbraucher haftet in keinem Fall für den Wertverlust der Waren, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe h über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.”
Dieser Absatz soll nach dem nun gemachten Vorschlag der Kommission ersetzt werden durch folgenden Wortlaut:
“After the termination of the contract, the consumer shall refrain from using the digital content or digital service and from making it available to third parties.”
Oder kurz gesagt: Der Wertersatz nach Widerruf soll abgeschafft werden.
Benutzte Ware wird vom Widerrufsrecht ausgenommen
Im Gegenzug soll die Liste der Produkte ergänzt werden, die vom Widerrufsrecht ausgenommen sind. Ein neuer Buchstabe n soll der Liste der Ausnahmen in Artikel 16 der VRRL angehangen werden:
“(n) the supply of goods that the consumer has handled, during the right of withdrawal period, other than what is necessary to establish the nature, characteristics and functioning of the goods.”
Ware, die der Verbraucher also über das Testen hinaus genutzt hat, soll zukünftig vollständig vom Widerrufsrecht ausgenommen sein.
Das bedeutet letztlich, dass das Prinzip “Alles oder Nichts” eingeführt wird. Also entweder erhält der Verbraucher seinen Kaufpreis vollständig erstattet oder er bekommt gar nichts und muss auch die übermäßig genutzte Ware behalten.
Keine Rücksendung = keine Erstattung
Neu geregelt werden sollen auch die Modalitäten der Kaufpreiserstattung.
Heute muss der Unternehmer dem Verbraucher den Kaufpreis binnen 14 Tagen nach Erhalt des Widerrufes erstatten. Er kann die Rückzahlung aber verweigern, bis er die Ware zurückerhalten hat oder bis der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Ware abgesendet hat.
Der zweite Teil sorgte in der Vergangenheit für Unklarheit, da die Richtlinie nicht regelt, wie der Verbraucher den Nachweis der Rücksendung erbringen konnte. Reichte z.B. der Einlieferungsbeleg, dass ein Paket unterwegs an den Händler ist? Manche Stimmen sagten, das reiche aus. Andere meinten, das reiche nicht, weil damit nur nachgewiesen werde, dass ein Paket abgeschickt wurde. Der verschickte Inhalt bleibt aber beim Einlieferungsbeleg unklar.
Die EU-Kommission schlägt in ihrem Maßnahmenpaket von heute vor, die Regelung zu vereinfachen.
Zukünftig kann der Händler die Rückzahlung verweigern, bis er die Ware zurück erhalten hat. Es soll künftig nicht mehr ausreichend sein, dass der Verbraucher die Absendung nachweist.
Fazit
Die EU-Kommission hat heute ein sehr umfangreiches Paket im Bereich der Verbraucherrechte und ihrer Durchsetzung vorgestellt. Die vorgeschlagenen Änderungen beim Widerrufsrecht sind nur ein kleiner Bestandteil. Wenn dieser Vorschlag der Kommission am Ende des Gesetzgebungsverfahrens auch tatsächlich so in Kraft tritt, wäre das eine enorme Änderung im Widerrufsrecht.
Wir halten Sie über die weiteren Entwicklungen in dem nun anlaufenden Gesetzgebungsverfahren selbstverständlich auf dem Laufenden.
Über die anderen vorgeschlagenen Maßnahmen aus dem “New Deal for Consumers” werden wir Sie noch in separaten Beiträgen infromieren. (mr)
Bildnachweis: Sebastian Duda/shutterstock.com
Danke für diesen Hinweis. Das wusste ich gar nicht, das die EU durch aus sinnvolle Änderungen plant. Toller Blog übrigens.
Und wer sagt das den FBA-Retouren-Blindschleichen bei Amazon, die sechs Wochen nach Karneval Kostüme und Schuhe zurücknehmen, für die an Aschermittwoch aber wirklich alles vorbei war, und erstatten?
Das ist zwar für die Händler auf den ersten Blick sehr schön, trotzdem erleichtert es dann nicht den Umgang mit den Kunden im Falle einer Beschädigung. Meine Artikel sind Sets, bestehend aus mehreren Einzelartikeln (Antennen, Halterungen, Pigtails, etc.). Gerne wird eines der Pigtails beschädigt und ich ziehe im Falle einer Rücksendung nur den Preis dieses einzelnen Sub-Artikels ab (mit einem Foto, das die Beschädigung dokumentiert).
Wäre das nach der neuen Regelung dann noch erlaubt? Oder hieße es auch hier: ganz oder gar nicht? Das würde entweder mir als Händler, oder dem Kunden nicht sonderlich gefallen.
Ein Kernproblem des gesamten Widerrufsrechtes ist doch, dass große Versandhändler durch Ihre Marktmacht immer davon profitieren. Sie können es sich leisten besonders kulant zu sein. Zur Not wird der Zulieferer geknebelt. Amazon und Co werden weiterhin die bisherigen Regeln anwenden. Die kleinen Händler, die es sich eben nicht leisten können, fallen hinten runter. Die Monopolisierung schreitet immer weiter vorran.
Das wäre eine wirklich gute Lösung: letztendlich verliert der durchschnittliche Verbrucher nichts, weil ja sein Recht auf Prüfung der Ware bestehen bleibt. …nur der Gebrauch kann dann ausgeschlossen bleiben!
Wenn diese Regelungsveränderung JETZT von der EU-Kommission vorgestellt wird, wann in etwa wäre dann mit der möglichen Inkraftsetzung zu rechnen?
Ohje, das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Jetzt wird erst einmal das europäische Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt. Je nachdem, wie sehr man sich da um die Punkte streitet, kann das Verfahren kurz oder auch sehr lang (siehe nur die Dauer zur DSGVO) sein. Wird am Ende des Tages eine Richtlinie verabschiedet, muss diese dann noch von den nationalen Gesetzgebern innerhalb einer Frist (aktuell vorgeschlagen sind 18 Monate) umgesetzt werden. Es können also noch gut und gerne 5, 6 Jahre ins Land gehen, bis das tatsächlich mal deutsches Recht wird.
Ein Beispiel: Das Gesetzgebungsverfahren zur Verbraucherrechterichtlinie startete im Jahr 2008. In Deutschland trat das Umsetzungsgesetz dann am 13. Juni 2014 in Kraft. Sie sehen: Wir brauchen noch einen langen Atem.
Im Text steht:
„After the termination of the contract, the consumer shall refrain from using the digital content or digital service and from making it available to third parties.“
Oder kurz gesagt: Der Wertersatz nach Widerruf soll abgeschafft werden.
Das muss ein Fehler sein. Es geht nicht um digitale Güter und die Übersetzung stimmt nicht.
Das ist kein Fehler. An der Stelle, an der dieser Text eingefügt werden soll, ist heute der Wertersatz geregelt. Da diese Regelung durch den neuen Text, in dem es um digitale Güter geht, ersetzt wird, wird also die Vorschrift über den Wertersatz gestrichen.
Wie verhält es sich mit dem Widerrufsrecht für einen benutzten Kaffeevollautomaten? Nachdem ich nach 2 Tagen festgestellt habe, dass ich die Zubereitung aus der Maschine nicht vertrage und der Kaffee mir extreme Magenschmerzen macht. Kann ich den Kaffeevollautomat an den Onlinehändler zurückgeben?
Derzeit noch, ja, nur – je nach “Verschlechterung” – gegen Zahlung von Wertersatz, zB in Höhe der Reinigungskosten und der Differenz zwischen Gebrauchtware und Neuware
Habe mir ein paket bestellt aber, habe es wiederrufen, aber das paket kam trotzdem an was würde passieren wenn ich jetzt so dreist wäre und es nicht zurück schicken würde ?
Sie sind verpflichtet, das Paket zurück zu senden, es sei denn, der Widerruf erfolgte schon, bevor das Paket überhaupt vom Shop losgesendet wurde. In diesem Fall wäre es die Zusendung einer nicht bestellten Ware, und der Shop müsste sie abholen.
Gibt es bereits ein Urteil, welches Benutze Ware vom Wiederrufsrecht ausschließt ? Nach wie vor ist ja im Gesetz Artikel 14, Absatz 2 der Werteverlust geregelt, für den der Kunde aufkommen müsste.
Nein, der Vorschlag im Rahmen des New Deal hat sich nicht durchgesetzt. Bei benutzter Ware kann aber u.U. Wertersatz verlangt werden, der bis zu 100% des Kaufpreises betragen kann. Hier muss jeder Einzelfall geprüft werden.