Vergangene Woche haben sich die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten und dem Parlament auf Neuregelungen in Sachen Verbraucherschutz geeinigt. Es geht darum, dass Verbraucherschützer künftig Webseiten sperren oder sogar löschen können.
Der Widerstand gegen die Neuregelung der EU-Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden war groß, am Ende konnte es aber nicht verhindert werden.
Sperren und Löschen
In Zukunft sollen die nationalen Verbraucherschutzbehörden das Recht erhalten, Online-Shops zu blockieren, zu verändern oder sogar vollständig zu löschen.
Voraussetzung hierfür soll lediglich sein, dass der Händler gegen eins von 24 aufgezählten europäischen Verbraucherschutzgesetzen verstößt.
Das Fatale daran: Es bedarf dazu keiner richterlichen Erlaubnis oder eines Urteils. Die Behörde kann dies einfach selbst entscheiden, ob sie einen Shop dicht macht.
Kritiker befürchten, dass Behörden dieses Instrument dazu nutzen könnten, um unliebsame Webseiten unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes vom Netz verschwinden zu lassen.
Letzter Schritt
Das Löschen oder Sperren soll zwar nur der letzte Schritt sein, wenn sich ein Händler beharrlich weigert, einen Rechtsverstoß abzustellen. Da aber kein Gericht beteiligt ist, wird auch niemals festgestellt, ob ein Verstoß überhaupt vorliegt. Gerade bei den oft sehr unklar formulierten Pflichten im Online-Handel vertreten Verbraucherschützer schnell mal eine zu strenge Ansicht, die sich vor Gericht nicht durchsetzt.
Jetzt könnten sie bei einer rechtlich nicht haltbaren Einschätzung, ob ein Verstoß vorliegt oder nicht einfach mal den Shop dicht machen.
Das kommt – und das meint sogar der vzbv, der hierzulande wohl für das Löschen und Sperren zuständig wäre – einer Gewerbeuntersagung gleich. Zwar betonte der vzbv auch, dass er immer zunächst im Verbandsklageverfahren vorgehen würde und damit der Richtervorbehalt gesichert sei, allerdings eröffnet die Verordnung die Löschungsmöglichkeit nun mal auch ohne Verbandsklageverfahren.
Ist da noch etwas zu retten?
Die Verordnung soll wohl ab ca. Mitte 2019 gelten. Ob bis dahin noch wesentliche Änderungen – gerade im Punkt sperren oder löschen – erfolgen, darf wohl bezweifelt werden, da um diesen Punkt bereits hart gerungen wurde.
Es dürfte fraglich sein, ob ein so einschneidender Eingriff in die Gewerbefreiheit einer rechtlichen Überprüfung durch die Gerichte standhält. Wir werden Sie aber auf dem Laufenden über die Entwicklungen halten.
Update
Das EU-Parlament hat jetzt eine Änderung des Verordnungs-Entwurfes beschlossen. Die Befugnisse der Verbraucherschutz-Behörden sollen aber gleich bleiben.
Bildnachweis: Claudio Divizia/shutterstock.com
Mit Volldampf in die faschistische Diktatur.
Mal abgesehen von der unglaublichen Sache an sich, wie soll das verändern und löschen funktionieren, wenn der Shop auf einem eigenen Server liegt? Muss dann der Hoster/Provider (ggf. physischen?) Zugang gewähren? Oder darf munter gehackt werden (Staatstrojaner lässt grüßen)? Und was würde gelöscht (Datenbank…)? Widerspricht das nicht dem §303b StGb (Computersabotage)?
Wo bleibt der “Händlerschutz”, der Händler vor Verbrauchern und Verbraucherschutzorganisationen schützt?
Es kann und darf nicht sein, dass sich eine Verbraucherschutzeinrichtung in das Leben eines Händlers – mit Willkür und fadenscheinigen Begründungen – einmischt und dieses im Zweifel zerstört!
Händler werden immer weiter diskriminiert wo bleibt die Gleichstellung? Mit der Homoehe hat es schließlich geklappt, warum werden Händler weiter benachteiligt?
Der Vergleich mit der Ehe für alle erschließt sich mir irgendwie nicht 🙂
Bezieht sich wohl auf den Begriff Gleichstellung.
Zum Thema Shopschliessung:
Ich sehe das nicht so schlimm. Da der Händler sowie so fast immer der Dumme ist, dank immer mehr “kundenfreundlichen” Regulierungen, wird (oder muss) einer nach dem anderen den einfacheren Weg gehen und sein Geschäft stillegen. Der Riesenberg an Kosten für den Betrieb wird gespart, keinen Ärger mehr, Freizeit ohne Ende. Vom Platz an der Sonne kann man in aller Ruhe den Behörden zuschauen, wie sie sich durch ihren Dschungel an Vorschriften kämpfen und nicht voran kommen.
Ja, das glaube ich Ihnen. Um diesen Vergleich zu begreifen wird schon eine gewisse Intelegenz benötigt. Dies ist für den jungen Jornalisten von heute leider keine Voraussetzung mehr.
Als Nicht-Journalist kann ich das nicht beurteilen.
Ich verstehe genau was Fragaria meint. Ist doch klar!
Zwischen den übermächtigen Käufern und den unterlegenen Verkäufern muss endlich Waffengleichheit herrschen.
Verbraucherschutzorganisationen dürfen nach gutsherrenart Händler aus dem Netz nehmen. Wie wäre es denn man wenn Händlerschutzorganisationen Verbraucher vom Netz nehmen.
Und dafür gibt es gute Gründe z.B. wer Fakereklamationen oder grundlos negative Bewertungen wird gesperrt. Da wird sich jeder Verbraucher zwei mal überlegen ob er Händler erpresst oder etwas vortäuscht um zusätzliche Ware oder Ware+Geld zu erhalten.
Hoffe die Chinesen werden sich mal zur Brust genommen.
Ähh… zu umständlich.
Der Ansatz ist ja überhaupt nicht verkehrt. Was die Politik nicht versteht ist folgendes: Mit diesen und ähnlichen Regelungen werden Händler getroffen, die in ihren AGBs irgendeinen Satz falsch geschrieben haben, … den sowieso niemand liest.
Den Kriminellen, der einen Shop aufmacht, gar keine Ware hat, aber munter 6 Monate oder länger die hereinströmenden Gelder einsammelt (weil bei ihm alles so schön billig ist), um sich dann rechtzeitig mit den Millionen abzusetzen, den erreicht man so nicht.
Das war so – das ist – das wird immer so bleiben.
Doch der Verbraucher will nicht vor denen geschützt werden, die den Hinweis auf die EU-Schlichtungsstelle nicht als Link eingepflegt haben, er will vor den echten Gaunern geschützt werden. Weil aber niemand weiß, wie man das machen soll, kommen dann solche Alibi-Maßnahmen zustande. “Schaut, was wir für Euch machen!”
Klingt interessant – ist es aber nicht. 😉
Wenn ich sowas lese fällt mir erstmal “Bananenrepublik” ein.
Also irgendwie muss man doch diese lästigen kleineren Unternehmer platt kriegen.
EU, wo der Irrsinn System hat.
Ohne ständige anwaltliche Vertretung wird man wohl in zunehmendem Maße kreuz und quer über den Tisch gezogen. Das ging früher alles weitgehend ohne Anwälte. Selbst AGB und Widerruf.. Kaum zu glauben, aber wahr!
Hat diese neue EU-Verordnung auch eine Nummer?
Danke!
Die Verordnung ist selbst noch nicht durch, deswegen hat sie auch noch keine Nummer. Es sind bisher “nur” Arbeitspapiere.
Es sieht so aus, als ob dem Onlinehandel gezielt geschadet werden soll und zwar besonders in der EU und gegen den Markttrend. Es muss hier ganz offensichtlich ein besonderes Interesse vorliegen. Ich unterstelle einmal, dass die Shops mit Sitz außerhalb der EU nicht betroffen sind.
Zitat: “Voraussetzung hierfür soll lediglich sein, dass der Händler gegen eins von 24 aufgezählten europäischen Verbraucherschutzgesetzen verstößt.”
Welche Gesetze sind das? Bzw. wo findet man eine übersicht dazu?
Verbraucherschutz ist wichtig. – Keine Frage.
Doch Schutz der Händler und deren Interessen ist zumindest ebenso wichtig.
Jeder Verbraucher sollte verstehen, dass er ohne Händler nichts verbrauchen kann. Ebenso muss jeder Händler verinnerlichen, dass er ohne die Verbraucher, also seine Kunden, nicht existieren kann.
Im Ergebnis möchte meinen, ist diese Regelung wieder einmal weit über das Ziel hinausgeschossen. Sicher, es soll nur eine allerletzte Möglichkeit sein – doch zeigt die Erfahrung, dass derartige Möglichkeiten auch genutzt werden. Wenn noch dazu die Gerichte nahezu komplett außen vor sind, ist der Willkür letztlich Tür und Tor geöffnet.
Wer schützt umgekehrt Händler vor zahlungsunwilligen Kunden? Kommt demnächst das private Inkasso-Unternehmen, dass beim Verbraucher ohne gerichtlichen Titel und ohne Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften und sonstiger Bestimmungen der ZPO pfänden darf?
Um ganz ehrlich zu sein, würde ich mir manchmal eine solche Möglichkeit wünschen und zwar insbesondere dann wenn sich (leider oft nur im Nachgang) herausstellt, dass der “Kunde” anscheinend durch unbezahlte Internet-Einkäufe seinen Lebensunterhalt bestritten hat.
Hallöchen!
Ist doch mal was neues und ich hoffe auch, daß soetwas natürlich mit recht hohen Gebühren verbunden ist, wenn man “24 Fehler” wieder abgestellt hat und wieder weiterverkaufen möchte (damit es 24x mehrmals wehtut). 😉
Ich schätze, daß die meisten “schwarzen Schafe” sich bei ebay, Amazon & Co. aufhalten, weil es hier wesentlich einfacher ist, Geld von Ahnungslosen zu kassieren, denn solche Plattformen verweisen dann eh nur auf die eigene Rechtsabteilung, weil selbst Schuld.
Und, wer als Kleinunternehmer ins Geschäft einsteigt und sich nicht richtig informiert, ist selbst Schuld, ob man gleich so hart druchgreifen muß, ist eine andere Sache (alle Artikel “einzeln” zu kontrollieren, geht leider nicht von heute auf morgen).
Dürfte der Kunde dann auch auf Schadensersatz klagen, wenn er plötzlich sieht, daß er bei einem “Gauner” eingekauft hat? Lauter ungeklärte Fragen. 😉 Huch, ganze Firmen gehen dann platt durch Shitstorm usw…. 😉
Im Moment ist es wesentlich einfacher, in irgendwelchen großen Netzwerken z.B. widerlichste rassistische Äußerungen zu schreiben, ohne dafür gelöscht oder verknackt zu werden und das wird sich – trotz “Anstrengung” der lieben Regierung (egal, wer gerade regiert) auch in den nächsten Jahren vermutlich nicht verhindern lassen. Schade. Seltsam, dabei muß man doch auch dort (eigentlich auf jeder Plattform) AGBs/Rechte akzeptieren, um einen vernünftigen Umgang zu haben/erhalten/bekommen oder gar zu erwarten. Warum machen solche “Vereine” hier nichts? Haben solche Privatpersonen kein Geld? 😉 Tja.
Ich glaube, wir sollten alle die Seite wechseln, unsere Shops zumachen und unnötige Gesetze erfinden, damit die anderen auch keinen Spaß mehr haben… ;-))
Gegeneinander scheint manchmal wohl mehr Spaß zu machen, als Miteinander.
Was plant denn z.B. Trustedshops gegen solche lustigen Gesetze, außer jedem ein Gütesiegel verkaufen zu wollen – habt Ihr mehr Möglichkeiten, gegen so vermeintlichen quatsch vorzugehen?
Lustige Grüße
Nils
TrustedShops macht in der Tat nichts anderes als Siegel verkaufen und der Kunde zahlt noch eine Jahresgebühr für Sicherheit die alle gängigen Zahlarten sowieso bieten. Und Rechtssicherheit kriegt man bei IT-Recht zum Schnäppchenpreis. Hab TS schon gekündigt nach der letzten Erhöhung der Jahresgebühr. Studien haben belegt das man ohne das Siegel nicht weniger verkauft.
Zum Haupthema sag ich mal lieber nichts außer: So ein neuer Schwachsinn. Wer schützt denn mich vor den Kunden die einen leeren Karton retour senden und das Geld für die Ware haben wollen???? OK, Mitte 2019, da sollte ich schon am Meer liegen und meinen vorgezogenen Ruhestand geniessen:-) Die Dinge übergebe ich meinem Nachfolger.
Schade, eine Kritik an Trusted Shops und der Beitrag wird gelöscht. Sind wir schon so weit gekommen…………..
Hallo Drechsel,
ich weiß nicht, was Sie meinen. Wir haben keine Kommentare gelöscht. Oder wo/wann soll das passiert sein?
Ist denn schon wieder 1. April?
Danke für diesen tollen Artikel. Wann wird die EU endlich aufwachen, dass wir mehr Freiheit und weniger Verordnungen brauchen. Richtig Verkaufen kann man eh nur mit Ruf.
Die Utopie “Ich kann überall kaufen weil mich die Verbraucherschutzorganisationen schützen” wird nie passieren.
Angesichts dessen, das ich wegen Kreditkartenbetrug gerade wieder um mehrere T€ geprellt worden bin und ich Zahart auf Rechnung aus genau dem Grund schon länger nicht mehr anbieten kann, Kann ich über solche Entwürfe nur den Kopf schütteln und meine Wut raus brüllen. Weil wenn das kommt, haben wir mit Sicherheit schneller als gedacht ein Zorg-Imperium was mit einem A beginnt und von A-Z verkaufen wird und sich dabei eins ins Fäustchen lacht über die doofen Europäer. Da könnte man doch glatt an Verschwörung denken. Ich möchte nicht wissen wer unter andrem von den Parlamentariern da wieder Vorteile draus hat. Ich finde das auch diskriminierend mit einer Betrüger Bande gleichgestellt zu werden. Vorallem machen die lustig weiter.
Diese neue Verordnung überrascht mich überhaupt nicht. Sie ist nur ein weiterer logischer Baustein, um die armen Kunden vor den gierigen Händlern zu schützen. So jedenfalls sehen das die Brüsseler Bürokraten, die vom täglichen Überlebenskampf vieler kleiner Händler keine Ahnung haben und auch nicht haben wollen. Selbstverständlich sind auch Ganoven unterwegs, die dem Kunden an die Geldbörse wollen. Die aber treffen solche Verordnungen überhaupt nicht, da das deutsche und wahrscheinlich auch das europäische Rechtssystem viel zu unbeholfen daherkommt, um diesen Banditen das Handwerk zu legen.
Es gibt aber eine Hoffnung:
Bis 2019 wird die EU in dieser undemokratischen Form nicht mehr bestehen. Wenn ich gläubig wäre, wurde ich jeden Tag dafür beten, daß diese Hoffnung in Erfüllung geht.
Ich halte diesen Artikel, lieber Herr Rätze, für gefährlich. Denn er suggeriert, dass gegen Websperren u.ä. kein Rechtsschutz gegeben wäre und primär der innerdeutsche Internetvertrieb betroffen wäre. Das ist aber nicht so. Schon jetzt hat die zuständige Behörde nach dem Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetz (VSchDG), das der Umsetzung der bisherigen Kooperationsverordnung gilt, theoretisch umfassende Befugnisse zur Beseitigung insbesondere grenzüberschreitender Rechtsverstöße. Diese Gesetzgebung dient (wenn auch bislang sehr schlecht und unübersichtlich geregelt) gerade auch dem Schutz der inländischen Online-Händler vor ausländischer Konkurrenz, die sich nicht an zwingendes EU-Recht hält. Es handelt sich also nicht um die nationale Umsetzung über die bekannte (zivilrechtliche) Unterlassungsklage, also die von der vzbv genannte „Verbandsklage“ (= Abmahnung), sondern um öffentliches Recht. Die Websperre ist ein Verwaltungsakt (VA), der selbstverständlich – grundsätzlich mit aufschiebender Wirkung – ebenso wie die zugrundeliegende Anordnung zur Beseitigung des Rechtsverstoßes dem Verwaltungsrechtsweg unterliegt (Widerspruch/Anfechtungsklage nach VwGO bzw. Beschwerde nach dem VSchDG – dort ausführlich geregelt!). Der Rechtsschutz steht also in keiner Weise in Frage. Bei erheblichen und nachhaltigen Dauerverstößen kommt man eben lediglich mit Busgeldern nicht weiter, so dass als ultima ratio auch die Abschaltung einer Website in Betracht kommen muss.
Prinzipiell könnte die neue VO also schon dazu beitragen, die völlig unübersichtliche Rechtslage bei grenzüberschreitenden Verbraucherrechtsverstößen zu bereinigen und einen ersten Schritt zur dringend benötigten (rechts-) staatlichen Internetaufsicht darstellen. Allerdings ist dingend zu fordern, dass sich die Maßnahmen auch (und gerade) gegen Online-Händler aus Drittländern (außerhalb der EU) richten können. Hierfür müsste man wohl eine zentrale EU-Zuständigkeit schaffen und die technischen Möglichkeiten zur territorial beschränkten Blockade ausländischer Websites ausloten (zum Ganzen Kaufhold, in: Bräutigam/Rücker, E-Commerce, 3. Teil E: cross-border Webshops).
Hallo Frau Kaufhold,
bzgl. des Rechtsschutzes gebe ich Ihnen da recht. Ich halte es dennoch für sehr bedenklich, dass dieser erst nachträglich gewährt wird. Wenn ich es richtig verstehe, gelten die Befugnisse aber auch bei rein inner-nationalen Verstößen und nicht nur beim grenzüberschreitenden Handel.
Für eine abschließende Bewertung muss man aber wohl den Text der verabschiedeten Verordenung abwarten.
Auch praktisch für Amazon, wenn die kleinen, jedoch in der Summe nicht unerheblichen, Händler nach und nach verschwinden…?