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Gewährleistungsrecht: Vergleich zwischen deutschen und polnischen Regelungen

Obwohl die Verbraucherrechterichtlinie der EU viele rechtliche Anforderungen im Bereich Verbraucherschutz harmonisiert hat, sind nach wie vor einige relevante Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen EU-Länder geblieben. So ist z.B. das Gewährleistungsrecht innerhalb der EU nicht einheitlich, so dass in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unterschiedliche Fristen und Verfahren gelten können. Ein Vergleich: Deutschland – Polen.

Unterschiede bei der Beweislastumkehr

Sowohl nach den deutschen als auch polnischen Regelungen steht dem Verbraucher grundsätzlich zwei Jahre ab Übergabe der Ware ein Gewährleistungsrecht zu, wenn die Ware zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft ist. Eine Ausnahme gilt in beiden Ländern beim Verkauf gebrauchter Waren – die Frist kann dann auf ein Jahr verkürzt werden.

Der Verbraucher hat bei der ersten Geltendmachung die Wahl, ob er Reparatur der mangelhaften oder Neulieferung einer mangelfreien Ware möchte. Dieses Wahlrecht kann auch durch AGB nicht eingeschränkt werden.

Zudem wird nach der deutschen Rechtslage innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe bei Auftreten eines Mangels vermutet, dass dieser bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat (sog. Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf).

In Polen gilt jedoch diese Beweislastumkehr bei einem Sachmangel nicht sechs, sondern sogar zwölf Monate lang.

Wenn also der deutsche Verbraucher innerhalb von sechs bzw. der polnische Verbraucher innerhalb von zwölf Monaten seit Warenempfang einen Sachmangel melden, so gilt grundsätzlich die Vermutung, dass die Ware bereits bei der Lieferung mangelhaft war. Die Verbraucher müssen dies nicht beweisen.

Ganz im Gegenteil: In einem solchen Fall ist der Online-Händler in der Beweispflicht, dass der Mangel nicht bereits bei der Lieferung existierte, sondern z.B. durch unsachgemäße Benutzung seitens des Verbrauchers entstanden ist.

14 Tage Antwortfrist in Polen

Anders als im deutschen Recht sehen die polnischen Regelungen eine verbindliche Frist vor, innerhalb welcher der Händler zur Mängelbeschwerde des Verbrauchers Stellung nehmen muss.

Diese Frist gilt jedoch nur beim Verbrauchsgüterkauf. Wenn hingegen der Kunde ein Unternehmer ist, dann gilt die „angemessene Frist“, die stets eine Frage des Einzelfalls ist.

Hat also ein Verbraucher dem Verkäufer einen Mangel gemeldet, muss der Händler innerhalb von 14 Kalendertagen darauf antworten. Ziel dieser polnischen Regelung ist es, eine verzögerte und langwierige Bearbeitung der durch den Verbraucher erhobenen Reklamation zu vermeiden.

Achtung!

Nimmt der Verkäufer zu der Mängelbeschwerde des Verbrauchers innerhalb dieser gesetzlich vorgesehenen Frist keine Stellung, so gilt der vorgetragene Mangel als erwiesen und die Ansprüche als gebilligt. Die Reklamation wird dann als berechtigt anerkannt.

Infopflichten unterscheiden sich

Seit Juni 2014 müssen die deutschen Händler über das Bestehen des gesetzlichen Mängelhaftungsrechts für die Waren informieren.

Die polnischen Infopflichten des Online-Händlers gehen weiter. Man muss sowohl über das Bestehen der Pflicht, eine mangelfreie Ware zu liefern, informieren als auch das Verfahren bei der Reklamationsbearbeitung beschreiben (Art. 12 Abs. 1 Pkt. 8 und 13 des polnischen Verbraucherrechtegesetz).

Außerdem sollte man nach dem polnischen „Gesetz über Dienstleistungen auf elektronischem Wege“ in den AGB auch auf Art und Umfang der gewährten elektronischen Dienstleistungen hinweisen und die technischen Bedingungen für ihre Nutzung sowie die Reklamationsbearbeitung beschreiben.

Mit dem „Umfang der gewährten elektronischen Dienstleistungen“ ist im Falle eines Online-Shops z.B. die störungsfreie Nutzung der Webseite oder des Kundenkontos sowie störungsfreier Erhalt des Newsletters gemeint, soweit dieser vorher durch den Kunden bestellt wurde – auch das kann nach polnischen Regelungen eine Reklamation (Mängelbeschwerde) nach sich ziehen.

In der Praxis erhalten jedoch die Online-Händler Reklamationen aus diesen Gründen sehr selten.

Fazit

Trotz der Verbraucherrechterichtlinie der EU müssen internationale Online-Händler beim Cross-Border-Handel einige Länderbesonderheiten beachten. Vor allem beim EU-weit nicht harmonisierten Gewährleistungsrecht ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Abhängig vom jeweiligen Zielland können sich, wie es am Beispiel von Polen dargestellt wurde, die Pflichten des internationalen Händlers in diesem Bereich stark unterscheiden.

Um diesen länderspezifischen Besonderheiten gerecht zu werden, genügen meistens entsprechend angepasste Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Oft haben jedoch diese Besonderheiten – wie z.B. die polnische Regelung über 14 Tage Antwortfrist bei einer Reklamation des Verbrauchers oder der verlängerte Zeitraum der Beweislastumkehr – relevante Auswirkungen auf die alltägliche Geschäftspraxis des internationalen Händlers.

Haben Sie Fragen zum Cross-Border-Handel? Setzen Sie sich mit uns in Verbindung, wir unterstützen Sie gerne im Cross-Border-Verkauf. (mj)

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