Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen gehören untrennbar zum Business. Gutes Konfliktmanagement und Offenheit für die Mediation können den Händlern viel Zeit, Kosten und Nerven sparen. Auch rechtlich gesehen ist die außergerichtliche Streitschlichtung und Mediation in Polen empfehlenswert.

Wieso ist die Streitbeilegung in Polen empfehlenswert?

Durchschnittlich dauert das Gerichtsverfahren in Polen länger als in Deutschland. Normale Verfahren dauern in Polen erfahrungsgemäß zwei bis dreieinhalb Jahre. Polnische Gerichte sind (oft in den Eingangsinstanzen) im Umgang mit internationalen Vorschriften hin und wieder etwas unsicher.

Der Weg zu einem Urteil kann also beschwerlich sein. Häufig sind zahlreiche Gerichtstermine und umfangreiche Beweisaufnahmen zur Klärung des Sachverhalts nötig. Durch die Einholung von Sachverständigengutachten kann ein Prozess dazu sehr teuer werden. Hat das Gericht letztendlich entschieden, kann die unterlegene Partei das Urteil angreifen, so dass in einer höheren Instanz weiter gestritten wird.

Unter diesen Umständen ist die außergerichtliche Streitbeilegung in meisten Fällen auch für Online-Händler eine interessante Alternative zu einem langwierigen Gerichtsverfahren.

Infopflicht gegenüber Verbrauchern im Online-Handel

Die außergerichtliche Streitbeilegung wird durch den polnischen Gesetzgeber, insbesondere bei Auseinandersetzungen mit Verbrauchern, stark gefördert. Nach dem polnischen Verbraucherrechtegesetz sind die Online-Händler verpflichtet, den Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften über die Möglichkeit des Zugangs zu einem außergerichtlichen Reklamations- und Rechtsbehelfsverfahren sowie über die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu informieren.

Die Online-Händler müssen also nach diesem nationalen Gesetz auf die Möglichkeit des Zugangs zum außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren hinweisen und zwar unabhängig davon, ob sie sich überhaupt einer Streitbeilegungsstelle unterworfen haben. Die Einleitung des Streitbeilegungsverfahrens erfordert jedoch die Einwilligung beider Parteien, also des Online-Händlers und des Verbrauchers. Zu beachten ist, dass diese Infopflicht für die Online-Händler gilt, die bereits vorab die eventuelle Möglichkeit der Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren ausschließen.

Diese Pflicht aus dem polnischen Verbraucherrechtegesetz hat mit der ADR-Richtlinie der EU nichts zu tun. Eine Umsetzung der ADR-Richtlinie, entsprechend dem deutschen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, ist in Polen noch nicht erfolgt.

Die Arbeit an dem neuen Umsetzungsgesetz ist in Polen noch in der Vorbereitungsphase. Bisher wurde nur Grundsätzliches hinsichtlich dieses Gesetzes geklärt.

Ähnlich wie in Deutschland muss man jedoch die Information über die Existenz der OS-Plattform und die Möglichkeit, diese für die Beilegung der Streitigkeiten zu nutzen, angeben. Diese Pflicht resultiert aus der ODR-Verordnung und erfordert anders als die EU-Richtlinien keine Umsetzung ins nationale Recht.

Streitbeilegungsstellen in Verbraucherangelegenheiten

Die staatliche Aufsichtsbehörde für den Handel – „Staatliche Handelsinspektion“ (PL: Panstwowa Inspekcja Handlowa) ist ein Kontrollorgan, das dem Schutz der Rechte und Interessen der Verbraucher und der wirtschaftlichen Interessen des Staates dient. Zu den zentralen Aufgaben dieser Behörde gehört ebenfalls die Vermittlungstätigkeit.

In jeder polnischen Woiwodschaft (das ist ein Verwaltungsbezirk, ähnlich den deutschen Bundesländern nur nicht im Sinne einer föderalen Gliederung) befinden sich ein Zentraler Woiwodschafts-Handelsinspektorat und von zwei bis fünf Vertretungen, die in den größten Städten der einzelnen Woiwodschaft tätig sind.

Beim jedem dieser Handelsinspektorate existiert ein „Ständiges Schiedsgericht für Streitbeilegung mit Verbrauchern“ (PL: Staly Polubowny Sad Konsumencki).

Diese Schiedsgerichte leiten das Verfahren nur auf freiwilligen Antrag einer der Parteien ein und zwar nur dann wenn beide Konfliktparteien dem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren zugestimmt haben.

Grundsätzlich kostenloses Schiedsverfahren

Das Verfahren vor dem Schiedsgericht für Streitbeilegung mit Verbrauchern ist kostenlos und im Vergleich zum Gerichtsverfahren deutlich effektiver. Man muss jedoch die Kosten der Gutachtensanfertigung bedecken – wenn das Gutachten zur sachlichen Beurteilung der Konfliktsache notwendig ist. Der größte Vorteil dieser Mediation beim Schiedsgericht für Streitbeilegung mit Verbrauchern ist ihre Ausrichtung auf die Lösung des Konflikts und nicht nur auf Entscheidung von Streitigkeiten.

Eine relevante Schiedsfunktion erfüllen in Polen auch die Städtischen Beauftragten für Verbraucherrechte. Die Verbraucher können sich unentgeltlich durch Beauftragten der Verbraucherrechte (PL: Rzecznik Praw Konsumenta) juristisch beraten lassen. Die Beauftragten zeichnen auch das Klageprotokoll auf und setzen sich danach mit dem betroffenen Unternehmen in Verbindung. Nicht selten passiert es, dass bereits in dieser Phase die Konflikte zwischen Verbrauchern und Unternehmer erfolgreich gelöst werden, ohne dass es zu einer weiteren Eskalation des Konfliktes und Einreichung der Klage vor dem Gericht zukommt.

Außerdem können sich Verbraucher für grenzüberschreitende Streitigkeiten direkt an das ECC-Netz Polen wenden: das Zentrum für europäischen Verbraucherschutz wird sie mit den einschlägigen Streitbeilegungsstellen in anderen Mitgliedstaaten in Verbindung setzten und ist zuständig für die Verwaltung des internationalen Verfahrens.

Tipp für Streitbeilegung mit anderen Unternehmern

Schiedsgerichte stellen auch unter Unternehmern im deutsch-polnischen Wirtschaftsaustausch eine interessante Alternative zu staatlichen Gerichten dar. Aus der Sicht des deutschen Online-Händlers ist es dabei wichtig, dass der Schiedsrichter nicht nur über notwendige Erfahrung und Fachkenntnisse, sondern auch über gute deutsche Sprachkenntnisse verfügt.

Diese Kriterien erfüllt das Ständige Schiedsgericht der Deutsch-Polnischen AHK in Warschau, das auf den bilateralen Wirtschaftsverkehr spezialisierte Schiedsverfahren administriert. Auf der Website der AHK Polen sind 40 Schiedsrichter aufgeführt, die mit deutschem und polnischem Recht vertraut sind und die fachlichen Anforderungen der Kammer erfüllen.

Haben Sie Fragen zum Online-Handel in Polen? Setzen Sie sich mit uns in Verbindung, wir unterstützen Sie gerne im Cross-Border-Verkauf. (mj)

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