1

OLG Hamm entscheidet gleich zweimal: Abmahnung rechtsmissbräuchlich

rote-karteDas OLG Hamm war lange Zeit als eher abmahnfreundliches Gericht bekannt. In den letzten Monaten fällte es jedoch auffällig viele Entscheidungen, in denen es Abmahnungen als rechtsmissbräuchlich einstuft. Viele Abmahner scheinen ihre Verfahren im Bezirk des OLG Hamm anhängig gemacht haben, weil sie die eigentlich wohlwollende Rechtssprechung ausnutzen wollten. Dieser Taktik hat das Gericht aber jetzt wohl einen Riegel vorgeschoben.

Lesen Sie hier mehr zu 2 neuen Entscheidungen des OLG Hamm zum Rechtsmissbrauch.

Das OLG Hamm entschied am 28.04.2009 gleich in zwei Entscheidungen zu Gunsten der Antragsgegner und hielt die ausgesprochenen Abmahnungen für rechtsmissbräuchlich (Az: 4 U 216/08 und 4 U 9/09). In beiden Fällen hob das Gericht die zuvor vom LG Bochum erlassenen einstweiligen Verfügungen auf.

Ein Abmahner – Zwei Urteile

Beide Urteile wurden am gleichen Tag gefällt. Und beide Urteile betrafen die gleiche Antragsstellerin – einen Massenabmahner, wie das Gericht feststellte. Dieser hatte bereits Verbindlichkeiten in Höhe von über 400.000 Euro und belastete sich dann durch Abmahnungen noch mit einem Prozesskostenrisiko von über 600.000 Euro, der Jahresumsatz betrug dagegen gerade mal 77.000 Euro.

100 Euro Schadensersatz pro Abmahnung

Der Abmahner hatte in seinen Abmahnungen neben den Anwaltskosten i.H.v. 859,80 Euro auch noch einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100 Euro geltend gemacht. In der Abmahnung hieß es dazu:

“Auch steht meiner Mandantschaft gemäß § 9 UWG ein Schadensersatzanspruch zu. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht wäre meine Mandantin mit einer Schadenspauschale von 100,00 € einverstanden. Damit wäre der meiner Mandantschaft entstandene Schaden abgegolten.”

Dem OLG Hamm war diese Vorgehensweise des Abmahners aus mindestens vier weiteren Verfahren bekannt. Von einer Ausnahme konnte also keine Rede mehr sein, sondern vielmehr von systematischem Vorgehen.

Beweisbarkeit des entstandenen Schadens

Das OLG führt zu Recht aus, dass der entstandene Schaden im Massengeschäft von Verbrauchsartikeln zum einen weit unter dem geltend gemachten Schadensersatzes liegt und sich zum anderen auch kaum beweisen lässt. Dies wäre aber eine Voraussetzung zum Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens.

Verschulden nicht geklärt

Zum anderen wurde in der Abmahnung die Frage des Verschuldens nicht angesprochen. Ein Verschulden ist jedoch zwingende Voraussetzung für den Anspruch aus § 9 UWG.

“Die Antragsstellerin war dabei keineswegs zu der Einforderung einer solchen Kostenpauschale berechtigt.”

Die Antragsstellerin verfolgte diesen Schadensersatzanspruch im gerichtlichen Verfahren auch nicht weiter.

Höhe entbehrt jeder Grundlage

Dieses Vorgehen kritisiert das Gericht scharf. Zum einen spiele sich die Antragsstellerin wie ein Wettbewerbsverein auf, der seine Aufwendungen pauschaliert geltend macht und zum anderen entbehre der fragliche Betrag jeder Grundlage.

“Dies zeigt, dass es ihr gerade und überwiegend um die Ausbeute von Kostenerstattungen durch die Gegner ging. Dies gilt umso mehr, als der fragliche Betrag von 100 Euo auch der Höhe nach jeder Grundlage entbehrt. Denn wenn als Schaden tatsächlich eine erhebliche Umsatzeinbuße eingetreten wäre, wäre dieser Betrag belanglos und unzureichend.”

weitere Indizien

Neben dem pauschalierten Schadensersatzanspruch sprachen aber noch weitere Umstände für den Rechtsmissbrauch:

  • die Abmahntätigkeit stand außer Verhältnis zur wirtschaftlichen Tätigkeit. So hatte die Antragsstellerin nur 100.000 Euro Jahresumsatz, belastete sich aber mit einem weitaus höherem Prozesskostenrisiko
  • dem Gericht waren insgesamt 81 Abmahnungen der Antragsstellerin bekannt
  • in der Abmahnung stand der Hinweis, “dass ein Gericht ein weitaus höheren Gegenstandswert ansetzen” werde. Dieser Hinweis war jedoch falsch, da der genannte Gegenstandswert dem nach der Senatsrechtsprechung Üblichen entsprach
  • geringer Aufwand für massenhafte Aussprache von Abmahnungen

Diese weiteren Umstände und das durchschlagende Indiz, dass noch ein Schadensersatz geltend gemacht wurde, spricht für das Gericht für die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Unterlassungsansprüche. (mr)

Lesen Sie hier mehr zum Thema Rechtsmissbrauch: