Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben, sog. Health-Claims, ist durch die EU streng reglementiert. Das LG Osnabrück (Urt. v. 25.2.2022 – 13 O 24/22) entschied nun, dass Kategoriebezeichnungen wie „Immunsystem“ oder „Abwehrkräfte“ nur zulässig sind, wenn solchen nichtspezifischen Angaben eine spezielle zugelassene gesundheitsbezogene Angaben beigefügt ist.

Die Beklagte betreibt eine Versandapotheke und bietet u.a. Nahrungsergänzungsmittel an. Unter den Kategoriebezeichnungen „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ fand sich ein Produkt mit Kurkuma-Extrakt und Vitamin D. Auf der Produktseite war unterhalb des Warenkorb-Buttons sowohl der Beipackzettel verlinkt, als auch unter dem Link „Wichtige Pflichtangaben“ eine Darstellung auf der zweiten sich öffnenden Seite mit einer genaueren Darstellung hinsichtlich Vitamin D und Kurkuma. Die Klägerin, die Wettbewerbszentrale, sah in dieser Darstellung eine unzulässige gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10 Abs. 3 HCVO. Bei den Begriffen „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ handle es sich um unspezifische gesundheitsbezogene Angaben, denen eine zugelassene gesundheitsbezogene Angabe beigefügt werden müsse. Diese Anforderung werde durch die Verlinkung nicht erfüllt. Die Klägerin hatte die Beklagte erfolglos zur Unterlassung aufgefordert.

Die Klage der Wettbewerbszentrale vor dem LG Osnabrück war erfolgreich. Das Gericht entschied, dass es sich bei den Kategoriebezeichnungen „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ um Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile handle, denen keine spezielle zugelassene gesundheitsbezogene Angabe beigefügt war, und damit unzulässig waren.

Rechtlicher Hintergrund

Welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für Lebensmittel verwendet werden dürfen, regelt die VO (EG) 1924/2006 (HCVO = Health-Claims-Verordnung). Bei der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben besteht ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 10 Abs. 1 HCVO grundsätzlich verboten, es sei denn, sie sind nach der Verordnung ausdrücklich zugelassen.

(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.

Eine Auflistung der zugelassenen Angaben findet sich im Anhang der VO (EU) 432/2012 sowie im Register der Europäischen Kommission. Zudem stehen alle Aussagen unter weiteren Bedingungen, welche ebenfalls dem Anhang der Verordnung entnommen werden können. Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 HCVO).

(3) Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.

Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe

Das LG Osnabrück stellte zunächst noch einmal klar, was unter einer gesundheitsbezogenen Angabe zu verstehen ist.

Bei der beanstandeten Werbeaussage handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5, Art. 10 HCVO. „Gesundheitsbezogene Angabe“ ist hiernach „jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.“

Für die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Beurteilung ist es nach dem Erwägungsgrund des Art. 16 S. 3 HCVO entscheidend, in welchem Sinne der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angaben über Lebensmittel versteht […].

Eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Definition setzt voraus, dass sie einen Zusammenhang zwischen dem Nahrungsergänzungsmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits anzeigt. Das kann auch indirekt geschehen, wie die Norm durch das Tatbestandsmerkmal „auch nur mittelbar“ zum Ausdruck bringt (EuGH, Entscheidung C-544/10, LMRR 2012, 32 [= WRP 2012, 1368]).

Deshalb ist es nicht erforderlich, dass die Angabe das Wort Gesundheit oder gesund oder ein gleichsinniges Wort enthält. Es muss lediglich bei einem aufmerksamen Verbraucher Assoziationen mit der Gesundheit ausgelöst werden (OVG Magdeburg, LMuR 2019, 61).

Kategoriebezeichnung als gesundheitsbezogene Angabe

Lege man dieses Verständnis zugrunde, handle es sich bei den Kategoriebezeichnungen „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ um gesundheitsbezogene Angaben. Durch die Einordnung des Produkts in diese Kategorien werde ein entsprechendes Verständnis zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht.

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist eine gesundheitsbezogene Angabe darin zu sehen, dass das Produkt unter den Kategoriebezeichnungen „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ vermarktet wird.

Bei einem aufmerksamen Verbraucher wird durch die beklagtenseits gewählte Bezeichnung der linksseitig angebrachten Reiter als „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ ein Bezug zur Gesundheit hergestellt. Durch die gleichzeitige Einordnung des beworbenen Produktes in diese Kategorien „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ wird zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei diesem zum Kauf angebotenen Nahrungsergänzungsmittel um „etwas Gutes“ für die Abwehrkräfte und damit für das Immunsystem handelt. Anderenfalls wäre dieses Produkt von der Versandapotheke nicht dieser Kategorie zugeordnet worden.

Durch die so gewählte Präsentation und Verortung des Produktes wird erreicht, dass der Verbraucher mit diesem Produkt eine Stärkung der Abwehrkräfte und des Immunsystems verbindet, was ihn zum Kauf bewegen soll. Auch wenn das Wort Stärkung nicht verwendet wird, es also nicht heißt „Zur Stärkung des Immunsystems“, geht der durchschnittlich aufmerksame Betrachter verständlicherweise hiervon aufgrund der Präsentation aus. Für den Betrachter dieses beworbenen Produktes stellt sich die Werbung so dar, dass er bei Erwerb und Einnahme dieses Nahrungsergänzungsmittels seine Abwehrkräfte und damit sein Immunsystem stärkt, was die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung reduzieren soll.

Zugelassene Angabe muss beigefügt sein

Bei den Kategoriebezeichnungen „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ handle es sich um einen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nahrungsergänzungsmittels für die Gesundheit im Allgemeinen bzw. auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden. In diesem Fall müsse diesem Verweis eine zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt werden; hier wäre es die Angabe „Vitamin D trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ gewesen. Dieses „Beifügen“ erfordere eine räumliche Verbindung mit der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben, die auch durch einen Sternchenhinweis erfolgen könne.

Diesem streitgegenständlichen Verweis auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nahrungsergänzungsmittels für die Gesundheit im Allgemeinen bzw. das gesundheitsbezogene Wohlbefinden ist entgegen Art. 10 Abs. 3 HCVO die in der Liste zu Artikel 13 HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe „c® trägt mit Vitamin D zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ nicht beigefügt gewesen.

Nach seiner sprachlichen Bedeutung besagt das Wort beifügen, dass die gesundheitsbezogene Angabe mit dem Verweis räumlich zu verbinden ist, also unmittelbar oder zumindest in der Nähe des Verweises erscheinen oder zumindest eine Verbindung hergestellt sein muss (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke/Hahn, 179. EL März 2021, VO (EG) 1924/2006 Art. 10 Rn. 40). Eine Verbindung durch einen Sternchenverweis genügt (BGH BeckRS 2018, 17345; vgl. Kügel/Delewski, PharmR 2019, 89; Reinhart, GRUR Prax 2018, 455; Hagenmeyer, WRP 2019, 422).

Nach der Leitlinie ist die Angabe neben oder unter dem Verweis anzubringen; dies besagt, dass sich zwischen dem Verweis und der Angabe keine anderen Angaben oder graphischen Elemente, die eine Zuordnung der Angabe zu dem Verweis behindern, befinden dürfen (OLG Celle, BeckRS 2017, 34137).

Verlinkung des Beipackzettels genügte nicht

Die erforderliche Angabe „c® trägt mit Vitamin D zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ wurde bei Aufrufen der Kategorisierung „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ jedoch nicht angezeigt, ebenso wenig wurde sie unter „Details“ angezeigt. Die Anzeige erst in dem verlinkten Beipackzettel und unter dem Hinweis „wichtige Pflichtangabe“ erst auf der sich öffnenden zweiten Seite genüge den Anforderungen an das „Beifügen“ nicht.

Dass der Verbraucher in einem dritten Schritt den Hinweis „Beipackzettel“ oder den Hinweis „wichtige Pflichtangaben“ anklicken und dort den ein- bzw. zweiseitigen Text vollständig lesen kann, um dann dort im letzten Absatz, farblich etwas hervorgehoben, diese Information zu finden, genügt nicht den Anforderungen an ein „Beifügen“ im Sinne des Art. 10 Abs. 3 HCVO. Dieser Hinweis wird weder unmittelbar noch in der Nähe des Verweises erteilt. Allein das rot hinterlegte Feld „Details“, welches gesondert angeklickt werden muss, und die dort dann vorgehaltene Möglichkeit, die weiteren Felder „Beipackzettel“ oder „Wichtige Pflichtangaben“ anzuklicken, begründet nicht die unmittelbare Nähe oder die erforderliche Verbindung der Angabe „c® trägt mit Vitamin D zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ zwischen der Bezeichnung der Kategorisierung und dem beworbenen Nahrungsergänzungsmittel.

Dies gilt erst recht, als dass sich die zwingend erforderliche Information erst auf der zweiten Seite des Feldes „Wichtige Pflichtangaben“ findet und dort erst im allerletzten Absatz, zumal bei Anklicken der Reiter „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ nicht einmal der Hinweis auf erforderliche Pflichtangaben vorhanden ist. […]

Durch diese gewählte Gestaltungsweise ist gerade keine Verbindung zwischen der Reiterbezeichnung/Kategorisierung „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ zu dieser Angabe erreicht. Vielmehr wird gerade eine Zuordnung der Pflichtangaben zu dem Verweis „Immunsystem“ und „Abwehrkräfte“ verhindert. Der normal informierte, aufmerksame Verbraucher wird in der Regel kaum das Feld „Erforderliche Pflichtangaben“ anklicken und den zweiseitigen Text bis zum Ende durchlesen.

Verbindung über Sternchenhinweis möglich

Zuletzt stellte das Gericht noch einmal klar, dass nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben eine entsprechende zugelassene Angabe über einen Sternchenhinweis beigefügt werden könne. Ein etwaiger Mehraufwand für den Händler bei der Gestaltung sei unbeachtlich.

Es ist dem Beklagten – wie bereits von der Kammer in der Verhandlung dargelegt – auch möglich, mit einem entsprechenden Sternchenverweis, den der Bundesgerichtshof als zulässig erachtet, auf diese Angabe aufmerksam zu machen. Dass sich dies für den Beklagten aufgrund der Daten der Hersteller der jeweiligen Produkte aufwändiger gestaltet, wie der Beklagtenvertreter in der Verhandlung erstmals behauptet hat, vermag an der Einschätzung der Kammer aufgrund der eindeutigen rechtlichen Vorgaben nichts zu ändern. Aufgrund der ausgesprochenen Abmahnung bestand für den Beklagten hinreichende Veranlassung, seinen Internetauftritt für dieses Produkt zu korrigieren.

Fazit

Die fehlerhafte Kennzeichnung von Lebensmitteln ist häufig ein Grund für Abmahnungen. Sie müssen nicht nur die Vorgaben aus der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) beachten, sondern auch die HCVO, wenn Sie mit gesundheitsbezogenen Angaben werben. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG, die bei Verstößen abgemahnt werden können. Das Urteil des LG Osnabrück ist keine Überraschung – bereits 2020 hat der EuGH (Urt. v. 30.1.2020 – C-524/18) auf Vorlage des BGH entschieden, welche Anforderungen an das „Beifügen“ der speziellen, zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe zu dem allgemeinen Verweis zu stellen sind. Das LG Osnabrück wendet diese Rechtsprechung nun auf den Online-Handel an.

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Alexander Kirch/Shutterstock.com

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