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OLG Koblenz: AGB-Klauseln, die Bewertungen nur im Einvernehmen vorsehen, sind unzulässig

Bewertungen sind sehr beliebt und beeinflussen die Kaufentscheidung vieler Kunden. Verständlich, dass Online-Händler nach Möglichkeiten suchen, schlechte Bewertungen zu vermeiden. AGB-Klauseln, nach denen Kundenbewertungen nur in gegenseitigem Einvernehmen abgegeben werden bzw. Bewertungen auf erstes Anfordern von dem Kunden entfernt werden müssen, sind hierzu jedenfalls nicht geeignet und unwirksam, wie das OLG Koblenz (Hinweisbeschl. v. 13.10.2021 – 2 U 279/21) nun entschied.

Die Beklagte ist im Bereich digitaler Unternehmensberatung sowie der Erbringung von zumeist onlinebasierten Coaching-Dienstleistungen tätig. Die auf ihrer Webseite abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen unter „§ 8 Verhalten und Rücksichtnahme“ folgende Klausel vor: „Bewertungen (Sterne, Kommentare) innerhalb sozialer Medien (z.B. Google My Business) geben die Parteien nur im gegenseitigen Einvernehmen ab. Auf erstes Anfordern von uns entfernt der Kunde eine über uns abgegebene Bewertung dauerhaft. Das gilt auch nach Beendigung des Vertrages zwischen uns und dem Kunden. Entfernt der Kunde auf erstes Anfordern die von uns beanstandete Bewertung/Kommentar nicht, gilt eine angemessene und von uns festzusetzende und im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfende Vertragsstrafe als verwirkt.“ Die Wettbewerbszentrale mahnte die Beklagte wegen Verwendung der AGB ab und forderte Unterlassung. Da die Beklagte die Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, erhob die Wettbewerbszentrale Klage.

Das LG Koblenz verurteilte die Beklagte zur Unterlassung. Die in ihren AGB verwendete Bestimmung sei unwirksam, da hiermit grundrechtlich geschützte Freiheiten eingeschränkt werden. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein. Das OLG Koblenz beabsichtigt nun, diese zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.

Verwendung der AGB-Klausel bereits durch Veröffentlichung

Die Beklagte führte an, sie habe die beanstandete Klausel in keinen Vertrag einbezogen oder sich darauf berufen, die Vorinstanz habe hingegen die Veröffentlichung der AGB auf der Website mit einer Verwendung gleichgesetzt. Das sah das OLG Koblenz anders – die Vorinstanz sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die Klauseln bereits durch die Veröffentlichung verwendet habe.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Verwendung der streitgegenständlichen – inhaltlich miteinander verbundenen – Klauseln bereits in der Veröffentlichung der AGB auf der Webseite der Beklagten liegt, ohne dass es der Einbeziehung in ein konkretes Vertragsverhältnis bedarf. Für die Verwendereigenschaft reicht eine (objektiv erkennbare) entsprechende Absicht, mit den AGB im Geschäftsverkehr zu arbeiten. Das ergibt sich aus dem Sinn einer Klage nach dem UKlaG, durch die der Kunde vorbeugend geschützt werden soll und die deshalb zulässig sein muss, sobald die Verwendung unwirksamer AGB droht (NK-BGB/Markus Joachimsthaler/Wolf-Dietrich Walker, 4. Aufl. 2021, UKlaG § 1 Rn. 10, beck-online). Dementsprechend werden AGB bereits dadurch verwendet, dass sie auf der Webseite des Verwenders bereitgestellt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob die Webseite zum Abschluss von Verbraucherverträgen genutzt wird (BGH, Urteil vom 22. September 2020 – XI ZR 162/19, Rn. 14, juris [= WRP 2021, 696]).

In § 1 der bereitgestellten AGB heißt es zudem, dass die Beklagte ihre Dienste etc. nur unter ausschließlicher Geltung ihrer AGB vereinbart und die Inanspruchnahme ihrer Angebote ohne vorherige Anerkennung ihrer AGB nicht gestattet wird.

Unangemessene Benachteiligung

Das Gericht entschied, dass die verwendete Klausel den Vertragspartner unangemessen benachteilige und damit gegen § 307 BGB verstoße. Hierbei seien auch Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen, die als verfassungsrechtliche Richtlinien mit in das Zivilrecht einfließen.

Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragsgegners durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen ausreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, st. Rspr. s. nur BB 2021, 1165, , 1166, Rn. 22 [= WRP 2021, 920]). Zu berücksichtigen sind dabei auch Wertentscheidungen des Grundgesetzes (Grüneberg in Palandt – BGB, 80. Aufl. 2021, § 307 Rn. 12), wie z.B. das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG). Grundrechte verpflichten die Privaten zwar grundsätzlich nicht unmittelbar untereinander selbst, entfalten aber auch auf die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen Ausstrahlungswirkung und sind von den Fachgerichten, insbesondere über zivilrechtliche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, bei der Auslegung des Fachrechts zur Geltung zu bringen. Die Grundrechte entfalten hierbei ihre Wirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und strahlen als „Richtlinien“ in das Zivilrecht ein. Sie zielen hier nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind als Grundsatzentscheidungen im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Die Freiheit der einen ist dabei mit der Freiheit der anderen in Einklang zu bringen. Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BVerfG, NJW 2018, 1667 Rn. 32; ähnlich bereits BVerfGE 7, 198, 205 ff. = NJW 1958, 257 – Lüth). Diese mittelbare Drittwirkung ist auch bei der Auslegung von AGB zu berücksichtigen (OLG Dresden, NJW 2018, 3111 Rn. 18, beck-online m.w.N. [= WRP 2018, 1209]).

Einschränkung der Meinungsfreiheit

Die verwendeten Klauseln schränken grundrechtlich geschützte Freiheiten der Vertragspartner unangemessen ein. Dies gelte auch gegenüber Unternehmern. Das LG Koblenz habe bereits zutreffend entschieden.

Das Landgericht hat diese Grundsätze zutreffend angewandt und ist deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass § 8 der AGB insgesamt den Kunden unangemessen benachteiligt, auch wenn die Beklagte nur mit Kaufleuten oder Unternehmern Verträge schließt.

Bereits durch die Regelung in § 8 S. 1 der AGB – Tenor 1a) –, wonach das gegenseitige Einvernehmen über eine Bewertung im Internet herbeiführt werden soll, ist der Kunde in der Äußerung seiner Meinung nicht mehr frei. Er muss sich bei jeder Bewertung zunächst über deren Inhalt mit der Beklagten abstimmen. Die Regelung legt zudem keine Kriterien fest, nach denen die Beklagte ihr Einverständnis mit einer Bewertung erklären muss. Das eröffnet der Beklagten die Möglichkeit, jedwede – auch – sachliche Kritik zu unterbinden.

Hieran ändert auch nichts, dass auch die Beklagte ihre Kunden nur in gegenseitigen Einvernehmen bewerten darf. Da sie keine Dienstleistung ihrer Kunden in Anspruch nimmt, erscheint eine Bewertung nicht sehr wahrscheinlich mit der Folge, dass die Regelung den Kunden deutlich stärker in seinem Grundrecht einschränkt.

Zudem sei die in der Klausel vorgesehene Vertragsstrafe noch mehr dazu geeignet, Kunden von einer negativen Bewertung abzuhalten.

Zudem ist dieser Teil der Klausel auch im Zusammenhang mit dem zweiten Teil der Klausel – Tenor 1b) – zu sehen, der noch mehr geeignet ist, die Meinungsfreiheit des Kunden einzuschränken, da die Beklagte danach berechtigt sein soll, eine Vertragsstrafe gegen den Kunden festzusetzen, wenn er auf erste Anforderung eine Bewertung nicht entfernt.

Allein die Aussicht, dass eine Vertragsstrafe (und ggf. nachfolgend ein Gerichtsverfahren) drohen könnte, wenn die Beklagte mit einer Bewertung nicht einverstanden ist, ist geeignet, den Kunden von einer negativen Bewertung, die zu einer Auseinandersetzung mit der Beklagten führen könnte, abzuhalten. Mechanismen zur Wahrung der gegenseitigen Interessen sieht die Klausel auch in diesem Teil nicht vor. Vielmehr soll der Kunde bereits auf erste Anforderung der Beklagten verpflichtet sein, eine Bewertung zu entfernen, ohne dass es auf den Inhalt der Bewertung ankäme. Ein Ausgleich der gegenseitigen Interessen ist mithin nicht vorgesehen. Der Klausel liegt allein das Interesse der Beklagten zugrunde, ihr genehme Bewertungen zu erhalten, respektive kritische Bewertungen zu unterbinden.

Klausel von der Privatautonomie nicht gedeckt

Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass die Klausel unmittelbarer Ausfluss der Privatautonomie sei. Das sah das Gericht jedoch anders.

Dies berücksichtigt auch ausreichend die im BGB verankerte Vertragsfreiheit, die dort endet, wo sie die Grenzen der Rechtsordnung überschreitet.

Hier droht die Privatautonomie vielmehr für die Kunden praktisch leer zu laufen, weil die Beklagte als Unternehmerin das dispositive Recht nicht im Rahmen von Verhandlungen, sondern mittels vorformulierter Klauseln einseitig zum eigenen Nutzen abbedingt (vgl. Armbrüster in NZA-Beilage 2019, 44, beck-online). Die Beklagte hat in § 1 ihrer AGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass für sie ein Vertragsschluss unter Abänderung ihrer AGB nicht in Betracht kommt, so dass die Vertragsfreiheit des Kunden allein darin besteht, von einem Vertragsschluss ganz abzusehen.

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