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Weitreichender als zunächst ersichtlich: Abmahnung wegen nicht verkehrsfähiger oder nicht korrekt gekennzeichneter Produkte

Für so gut wie alle Produkte und Waren, die vertrieben werden, gibt es spezielle Vorschriften, die die Produktsicherheit gerade gegenüber Verbrauchern gewährleisten sollen. Sind Kennzeichnungsvorschriften oder andere Sicherheitsvorschriften bei Produkten nicht erfüllt, kann es weitreichende wettbewerbsrechtliche Probleme geben.

Fehlt oft: Herstellerkennzeichnung

Eine wichtige Regelung, die auch für Verkäufer von großer Relevanz ist, ist § 6 Abs. Nr. 2 Produktsicherheitsgesetz: Jedes Verbraucherprodukt muss mit dem Namen und der Kontaktanschrift des Herstellers oder, sofern dieser nicht in der EU ansässig ist, Name und Kontaktanschrift des Bevollmächtigten oder des Einführers versehen werden. Nur in Ausnahmefällen ist eine Information auf der Verpackung erlaubt.

Diese Kennzeichnungsverpflichtung betrifft sämtliche Verbraucherprodukte. Verbraucherprodukte sind neue, gebrauchte oder wiederaufgearbeitete Produkte, die für Verbraucher bestimmt sind oder bei denen vorhersehbar ist, dass sie auch von Verbrauchern verwendet werden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass eigentlich jedes Produkt, das im Internet gegenüber Endverbrauchern angeboten wird, ein Verbraucherprodukt ist. Viele Produkte, oft auch im stationären Handel, sind häufig nicht korrekt gekennzeichnet. Nach meiner Einschätzung ist dies der häufigste Kennzeichnungsfehler bei Produkten.

Weitere Kennzeichnungsverpflichtungen

Je nach Produkt gibt es eine Vielzahl von weiteren Kennzeichnungsverpflichtungen: Viele Produkte, z.B. Elektroprodukte oder persönliche Schutzausrüstung, aber auch Spielzeug, benötigen eine CE-Kennzeichnung. Durch die CE-Kennzeichnung wird bestätigt, dass das Produkt den entsprechenden rechtlichen EU-Vorgaben entspricht.

Bei Spielzeug gibt es nach der Spielzeugrichtlinie die Verpflichtung, über Warnhinweise zu informieren. Bei Textilien muss am Produkt selbst über die Faserzusammensetzung informiert werden. Eine Vielzahl von Informationspflichten gibt es zudem bei persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Dazu gehören z.B. FFP-Masken, Arbeitshandschuhe oder schützende Produkte, die im Sport eingesetzt werden.

Haftung nicht nur des Herstellers

Zunächst ist es der Hersteller, der für die Konformität der Produkte haftet. Aber auch der Verkäufer hat Prüfungspflichten, bevor er die Produkte auf dem Markt anbietet. Bei vielen Verstößen, insbesondere gegen Kennzeichnungsvorschriften für Produkte, kann auch der Händler in die Haftung genommen werden. Der BGH (Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 258/15) hat in der Entscheidung „Motivkontaktlinsen“ klargestellt, dass sich die Haftung des Händlers aus § 6 Abs. 5 S. 1 Produktsicherheitsgesetz ergibt. Es heißt dort:

Der Händler hat dazu beizutragen, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden. Er darf insbesondere kein Verbraucherprodukt auf dem Markt bereitstellen, von dem er weiß oder aufgrund der ihm vorliegenden Informationen oder seiner Erfahrung wissen muss, dass es nicht den Anforderungen nach § 3 entspricht.

Im Ergebnis muss der Händler somit das Produkt überprüfen, bevor er es anbietet.

Diese Überprüfungspflicht des Verkäufers bezieht sich z.B. auf das Vorhandensein einer Herstellerkennzeichnung laut Produktsicherheitsgesetz oder dem Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung, soweit notwendig.

Bei persönlicher Schutzausrüstung (PSA) sind die Prüfungspflichten noch sehr viel weitergehend:  Hier muss der Händler u. a. prüfen, ob das Produkt eine CE-Kennzeichnung hat, die erforderlichen Unterlagen und eine Anleitung sowie Typen-, Chargen- oder Seriennummer.

Abmahnung wegen nicht korrekt gekennzeichneter Produkte

Bei dem Vertrieb eines nicht korrekt gekennzeichneten Produktes ist das Produkt in der Regel nicht verkehrsfähig, d.h. es darf nicht verkauft werden. Es ist nicht nur die Marktaufsicht, d.h. die Behörden, die sich um derartige Verstöße kümmern. Auch Wettbewerber können derartige Verstöße abmahnen.

Eine derartige Abmahnung ist sehr viel weitergehender, als es auf den ersten Blick den Anschein hat: Häufig ist Gegenstand der Abmahnung ein ganz bestimmtes Produkt, das z.B. nicht korrekt gekennzeichnet ist oder aus anderen Gründen nicht verkehrsfähig ist. Die Unterlassungserklärung bezieht sich jedoch in der Regel nicht nur auf das Produkt, sondern ganz grundsätzlich auf Produkte dieser Branche, z.B. Textilien oder FFP2-Masken.

Da der Abgemahnte Händler in der Regel in der Branche tätig ist und häufig noch viele andere Produkte dieser Art verkauft, betrifft die Abmahnung somit häufig einen Großteil seiner Produktpalette. Schon aus diesem Aspekt heraus ist die geforderte Unterlassungserklärung häufig sehr viel weitreichender als das in der Abmahnung genannte Produkt.

Überraschend: Unterlassung = Rückruf

In der Unterlassungserklärung wird in der Regel vorformuliert, dass der Abgemahnte es zukünftig zu unterlassen hat, ein bestimmtes Produkt z.B. ohne Herstellerkennzeichnung in den Verkehr zu bringen. Für den Fall der Zuwiderhandlung fällt eine Vertragsstrafe an. Man könnte somit annehmen, dass es damit getan sei, derartige Produkte zukünftig nicht mehr in den Verkehr zu bringen oder zu verkaufen.

Was in der Unterlassungserklärung jedoch in der Regel nicht drinsteht und für den Laien auch nicht erkennbar ist, ist die Tatsache, dass die Unterlassungsverpflichtung auch eine Beseitigungsverpflichtung zur Folge hat. Gem. § 8 Abs. 1 UWG kann der Abgemahnte nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Beseitigung in Anspruch genommen werden.

Das tückische ist, dass die Beseitigungsverpflichtung in dem Abmahnschreiben und der Unterlassungserklärung häufig nicht explizit erwähnt werden. Aufgrund der aktuellen BGH-Rechtsprechung ist die Unterlassung ohne weitere Verdeutlichung und Erläuterung auch eine Beseitigungsverpflichtung.

Was bedeutet Beseitigung?

Beseitigung bedeutet in der Praxis Produktrückruf. Diese Verpflichtung zum Produktrückruf gilt gegenüber gewerblichen Abnehmern, d.h. gewerblichen Käufern oder Wiederverkäufern. Es besteht die Verpflichtung, die gewerblichen Abnehmer aufzufordern, die Produkte nicht mehr zu vertreiben und an den Abgemahnten zurückzusenden. Es muss somit eine deutlich gestaltete Information an die gewerblichen Abnehmer geben, dass die Produkte zurückzugeben sind. Dieser Rückrufanspruch gilt im Übrigen durch die gesamte Lieferkette.

Ein Verstoß gegen die Rückrufverpflichtung kann Vertragsstrafenansprüche zur Folge haben. Dies gilt umso mehr, als wenn es sich um Produkte handelt, die z.B. unter einer bestimmten Marke im Internet verkauft werden. Wenn diese Produkte noch weiter angeboten werden und z.B. der Abgemahnte sehr weit oben in der Lieferkette steht oder der Hersteller ist, lässt sich über eine Internetrecherche leicht feststellen, ob die Produkte noch weiterhin angeboten werden. In diesem Fall kann ein Verstoß gegen die Rückrufverpflichtung schnell offensichtlich werden.

Genauso wie die Unterlassung muss der Rückruf innerhalb der häufig sehr kurzen Frist, innerhalb derer eine Unterlassungserklärung abgegeben werden soll, geklärt sein. Dies ist in der Praxis häufig nicht möglich und auch nicht so realisierbar, dass ausgeschlossen werden kann, dass eine Vertragsstrafe anfällt. Aus diesem Grund empfiehlt es sich in der Regel nicht, in derartigen Fällen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Es gibt rechtliche Möglichkeiten, die für den Abgemahnten Vertreiber günstiger sind.

Bei einer Abmahnung wegen eines nicht verkehrsfähigen oder falsch gekennzeichneten Produktes sollte daher keinesfalls ohne anwaltliche Beratung eine Unterlassungserklärung abgegeben werden.

Ich berate regelmäßig Mandanten, die wegen nicht korrekt gekennzeichneter oder nicht verkehrsfähiger Produkte abgemahnt worden sind.

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Über Johannes Richard

Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Seite https://www.internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.

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