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AG Hamburg-Bergedorf: Kein Schadensersatz nach DSGVO bei Werbe-E-Mail ohne Einwilligung

Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein Schaden entsteht, hat gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter. Das AG Hamburg-Bergedorf (Urt. v. 7.12.2020 – 410d C 197/20) entschied nun, dass ein Verstoß gegen die DSGVO für sich genommen noch keinen Schadensersatzanspruch begründe. Erforderlich sei der konkrete Eintritt eines Schadens, der über die Rechtsverletzung als solche hinausgehen müsse.

Der Kläger erhielt unter der E-Mail-Adresse seiner Kanzlei von der Beklagten eine E-Mail. Darin teilte die Beklagte mit, dass sie über ihre Internetseite telefonische Rechtsberatung durch Rechtsanwälte anbiete und dass sie dazu mit Anwälten kooperiere, die für diese telefonische Beratung von der Beklagten vergütet werden. Am Schluss der E-Mail fragte die Beklagte, ob der Kläger Interesse daran hätte, telefonische Rechtsberatungen über die Internetseite der Beklagten anzubieten und forderte ihn auf, sich in diesem Fall bei ihr zu melden. Die E-Mail- Adresse entnahm die Beklagte der Kontaktseite des Internetauftritts des Klägers. Neben den Kontaktdaten findet sich auf dieser Seite der Hinweis, dass der Kläger in aller Regel werktags zwischen 12:00 und 19:00 Uhr erreichbar sei, in jedem Fall aber via Telefax oder E-Mail. Weiter unten auf der Kontaktseite findet sich, vom übrigen Text durch zwei durchgezogenen Linien abgetrennt und in Fettdruck der Hinweis, dass der Verarbeitung oder Nutzung der Daten für Zwecke der Werbung oder der Markt- oder Meinungsforschung auf jeglichem Kommunikationsweg widersprochen wird und dass keinerlei Werbezusendungen oder Werbeanrufe erwünscht sind. In Normalschrift wird weiter ausgeführt, dass die Nutzung der im Rahmen des Impressums oder vergleichbarer Angaben veröffentlichten Kontaktdaten, einschließlich der E-Mail-Adressen durch Dritte zur Übersendung von nicht ausdrücklich angeforderten Informationen nicht gestattet sei und rechtliche Schritte vorbehalten werden.

Mit E-Mail forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 500 € auf. Die Beklagte verweigerte jedoch mit Schreiben sowohl die Abgabe einer Unterlassungserklärung als auch die Zahlung.

Während das Gericht dem Unterlassungsanspruch des Klägers stattgab, wies es die Klage auf Zahlung eines Schadensersatzes ab. Erforderlich sei hierfür eine objektiv benennbare Beeinträchtigung, die über den bloßen Verstoß gegen die DSGVO hinausgehe.

Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

Zunächst führte das Gericht aus, dass ein Unterlassungsanspruch des Klägers bestehe. Auch bereits das einmalige Zusenden ungenehmigter E-Mails stelle einen Eingriff in den Gewerbetrieb des Anwalts dar.

Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB auf Unterlassung der Zusendung ungenehmigter Werbenachrichten an seine E-Mail-Adresse durch den Beklagten.

Auch die nur einmalige Zusendung von E-Mails mit werbendem Inhalt an einen Rechtsanwalt, der aus berufsrechtlichen Gründen seine E-Mail sorgfältig lesen muss, stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

Werbecharakter der E-Mail

Nach Ansicht des Gerichts sei die streitgegenständliche E-Mail als Werbung zu qualifizieren. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass der Kläger die Vermittlungstätigkeit der Beklagten nicht hätte vergüten müssen, da die E-Mail jedenfalls mittelbar der Absatzförderung der Beklagten dienen sollte.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die E-Mail […].als Werbung zu qualifizieren. Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern […]. In der E-Mail vom 18.05.2020 macht die Beklagte auf ihre Geschäftstätigkeit, nämlich die Vermittlung von telefonischer Rechtsberatung über eine Internetseite, aufmerksam, was bereits als Werbung im vorstehenden Sinne anzusehen ist […].Es handelt sich nicht um eine Nachfrage nach Rechtsberatung beim Kläger. Denn die streitgegenständliche E-Mail bezieht sich nicht auf ein konkretes Mandat, welches vom Kläger übernommen werden soll, sondern enthält eine allgemeine Anfrage, ob der Kläger die Dienstleistungen der Beklagten, nämlich die Vermittlung von Mandanten über die Internetseite der Beklagten, in Anspruch nehmen möchte. Dabei ist es unerheblich, dass der Kläger die Vermittlungstätigkeit der Beklagten nicht hätte vergüten müssen. Denn die Beklagte beabsichtigte den Kläger mit der streitgegenständlichen E-Mail dazu zu animieren, seine Beratung über ihre Internetseite anzubieten, um dadurch jedenfalls mittelbar den Absatz ihrer eigenen Dienstleistung zu fördern […].“

Fehlende Einwilligung

Eine Einwilligung des Klägers in den Erhalt der Werbung lag jedoch nicht vor. Vielmehr habe der Kläger einer Kontaktierung zweifelsfrei auf der Kontaktseite seines Internetauftritts widersprochen, sodass eine Einwilligung auch nicht hätte vermutet werden können.

Eine Einwilligung des Klägers lag nicht vor. Es gab zwischen den Parteien weder einen vorherigen Kontakt noch eine anderweitige ausdrückliche Einwilligung. Die Beklagte entnahm die E-Mail-Adresse vielmehr der Internetseite des Klägers, obwohl der Kläger dort explizit der Kontaktierung per Werbe-E-Mail widersprochen hat. Der Widerspruch ist deutlich vom übrigen Text hervorgehoben. Daher durfte die Beklagte aufgrund des Umstandes, dass der Kläger auf der Internetseite eine Kontaktaufnahme per E-Mail anbietet, die Einwilligung des Klägers auch nicht vermuten.

Wiederholungsgefahr durch erste E-Mail begründet

Die für einen Unterlassungsanspruch vorausgesetzte Wiederholungsgefahr begründete das Gericht mit der bereits erfolgten Zusendung der E-Mail durch die Beklagte. Diese Gefahr könne erst durch Abgabe einer Unterlassungserklärung ausgeschlossen werden.

Die für einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche konkrete Wiederholungsgefahr liegt vor. Dafür reicht bereits eine beeinträchtigende Verletzungshandlung, da diese die tatsächliche Vermutung künftiger weiterer Verletzungshandlungen begründet. Die Wiederholungsgefahr wird erst durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung ausgeschlossen. Die Beklagte hat trotz der Aufforderung des Klägers keine Unterlassungserklärung abgegeben.

Kein Schadensersatz nach der DSGVO

Zwar stelle die Zusendung der E-Mail ohne Einwilligung einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO dar. Der Verstoß begründe für sich genommen jedoch keinen Schadensersatzanspruch. Erforderlich sei der tatsächliche Eintritt eines Schadens, so das Gericht.

Die Zusendung der streitgegenständliche E-Mail trotz des ausdrücklichen Werbewiderspruchs des Klägers verstößt zwar gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO. Dieser Verstoß allein ist aber nicht ausreichend, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen.

Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO besteht ein Schadensersatzanspruch nur dann, wenn wegen des Verstoßes auch ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Für den immateriellen Schaden gelten die im Rahmen von § 253 BGB entwickelten Grundsätze.

Nicht jede Verletzung führt zu einem Schadensersatzanspruch

Grundsätzlich seien zwar immaterielle Schäden von Art. 82 DSGVO erfasst. Erforderlich sei jedoch eine objektiv benennbare Beeinträchtigung des Geschädigten, die über den bloßen Verstoß hinausgehe und durch die Zahlung eines Schmerzensgeldes ausgeglichen werden müsse. Ein Verstoß gegen die DSGVO alleine reiche nicht aus.

Auch wenn nach dem Wortlaut des Art. 82 DSGVO keine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegen muss, so reicht nicht bereits der Verstoß gegen die DSGVO selbst zur Begründung eines Schmerzensgeldanspruches (LG Hamburg, Urteil vom 04.09.2020 – 324 S 9/19). Der Verstoß muss nach dem Wortlaut des Art. 82 DSGVO vielmehr eine Rechtsverletzung nach sich ziehen, die als immaterieller Schaden, entsprechend der in Erwägungsgrund 75 der DSGVO aufgelisteten Beispiele, qualifizierte werden kann.

Schmerzensgeld soll einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden schaffen […]. Dabei sind bei der Bemessung des Schmerzens die Kriterien des Art. 83 Abs. 2 DSGVO heranzuziehen, also insbesondere die Art, Schwere und Dauer des Verstoßes[…]. Es muss also eine objektiv benennbare Beeinträchtigung des Geschädigten vorliegen, die über den bloßen Ärger oder die individuell empfundene Unannehmlichkeit des Verstoßes hinausgeht, welche dann durch die Zahlung von Schmerzensgeld ausgeglichen werden muss […].

Kein über die Rechtsverletzung hinausgehender Schaden

An einer Beeinträchtigung des Geschädigten, die über den Verstoß gegen die DSGVO als solchen hinausgehe, fehle es bei einer einmaligen unrechtmäßigen Nutzung der Daten zur Zusendung der E-Mail jedoch.

Der Kläger beruft sich vorliegend darauf, einen immateriellen Schaden dadurch erlitten zu haben, dass er durch die einmalige unrechtmäßige Nutzung seiner Daten belästigt worden sei. Eine konkrete Beeinträchtigung, die über den als Belästigung empfundenen Verstoßes selbst, also die Zusendung der E-Mail, hinausging, ist darin nicht zu sehen. Es fehlt somit an einem über die Rechtsverletzung hinausgehenden konkreten Schaden des Klägers

Fazit

Das Urteil des LG Hamburg verdeutlicht, dass ein bloßer Verstoß gegen die DSGVO keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründet. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist der tatsächliche Eintritt eines Schadens, wobei auch immaterielle Schäden grundsätzlich von der Schadensersatzpflicht umfasst sind. Die Darlegungs- und Beweislast eines solchen Schadenseintritts trägt der Kläger bzw. die Klägerin.

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